Wer erbt, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt?

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Die Erbfolge nach den Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, die sogenannte gesetzliche Erbfolge, tritt immer dann ein, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist. Das Gesetz folgt dem System des Verwandtenerbrechts. Demnach haben die engeren Verwandten des Erblassers den Vorrang vor weiter entfernten Verwandten. Die Verwandten des Erblassers werden in verschiedene Ordnungen eingeteilt. Zu einer Ordnung werden jeweils diejenigen Personen zusammengefasst, die von dem Erblasser bzw. von Voreltern einer Stufe (Eltern, Großeltern) abstammen. So bilden die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel) die erste Ordnung, § 1924 Abs. 1 BGB. Die zweite Ordnung besteht aus den Eltern des Erblassers samt deren Abkömmlingen, § 1925 Abs. 1 BGB, während die dritte Ordnung die Großeltern und ihre Abkömmlinge umfasst, § 1926 Abs. 1 BGB usw.

Erben erster Ordnung schließen Erben zweiter Ordnung aus. Dies bedeutet: Wenn Kinder vorhanden sind, werden z. B. die eigenen Eltern des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen. Innerhalb einer Ordnung gilt der Grundsatz der Erbfolge nach Stämmen. Zu einem Stamm fast das Gesetz jeweils diejenigen Abkömmlinge des Erblassers zusammen, die durch ein und denselben Abkömmling mit dem Erblasser verwandt sind, § 1924 Abs. 3 BGB. Jedes Kind des Erblassers bildet daher zusammen mit seinen Abkömmlingen einen gesonderten Stamm. Die Erbfolge nach Stämmen bedeutet, dass das Erbrecht innerhalb ein und derselben Ordnung auf die verschiedenen Stämme aufgeteilt wird, wobei der mit dem Erblasser am nächsten verwandte Angehörige eines jeden Stammes die anderen Angehörigen dieses Stammes von der Erbfolge ausschließt, § 1924 Abs. 2 BGB. Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers sowie deren Abkömmlinge, § 1925 Abs. 1 BGB, also z. B. Geschwister sowie Nichten und Neffen des Erblassers. Wenn beide Eltern des Erblassers leben, so erben sie allein und zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil verstorben, so geht sein Anteil auf seine Abkömmlinge über, § 1925 Abs. 3 S. 1 BGB. Man spricht hier von einem Erbrecht nach Linien, da die zur väterlichen und mütterlichen Linie gehörenden Verwandten der zweiten Ordnung zu unterscheiden sind. Dabei gelten für die Abkömmlinge des vorverstorbenen Elternteils die Vorschriften über die Erben erster Ordnung. Also erben Kinder des vorverstorbenen Elternteils zu gleichen Teilen, und es gilt innerhalb der mütterlichen oder der väterlichen Linie wieder die Vererbung nach Stämmen.

Hinterlässt der vorverstorbene Elternteil keine Abkömmlinge, so erbt der noch lebende Elternteil allein, § 1925 Abs. 3 S. 2 BGB. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind nach § 1926 Abs. 1 BGB die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also z. B. Onkel und Tanten des Erblassers. Leben alle Großeltern noch, so erben sie gemäß § 1926 Abs. 2 BGB allein und zu gleichen Teilen. Vorverstorbene Großeltern(teile) werden durch ihre jeweiligen Abkömmlinge ersetzt, § 1926 Abs. 3 S. 1 BGB. Soweit ein vorverstorbener Großelternteil keine Abkömmlinge hinterlässt, fällt sein Anteil dem anderen Teil desselben Großelternpaares zu.

Das Erbrecht des Ehegatten ist in keiner der vorgenannten Erbenordnungen enthalten. Das System des Verwandtenerbrechts wird daher durch das Ehegattenerbrecht ergänzt. Dem Ehegatten steht neben den Verwandten eine Art Sondererbrecht zu.

Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist in § 1931 BGB geregelt. Je nachdem, welche Verwandten neben dem Ehegatten als gesetzliche Erben in Betracht kommen, unterscheidet sich die Höhe des Erbteils des überlebenden Ehegatten. Der Erbteil des Ehegatten ist dabei umso größer, je entfernter die mit ihm zusammentreffenden Verwandten sind. Im Einzelnen beträgt der Erbteil des Ehegatten nach § 1931 Abs. 1 BGB:

  • neben Verwandten der ersten Ordnung (Abkömmlinge): ¼
  • neben Verwandten der zweiten Ordnung (Eltern bzw. deren Abkömmlinge): ½
  • neben Großeltern: ½ sowie zusätzlich den Teil, der an Abkömmlinge von Großeltern fallen würde.

Diese Regelung wird durch den jeweiligen Güterstand modifiziert. Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt Folgendes: Der Erbteil des überlebenden Ehegatten wird nach § 1371 Abs. 1 BGB um ein Viertel erhöht. Dieses Viertel kommt zu dem Erbteil, den der Ehegatte schon nach § 1931 Abs. 1 BGB erhält, hinzu (§ 1931 Abs. 3 BGB). Neben Abkömmlingen des Erblassers erbt also bei der Zugewinngemeinschaft der Ehegatte insgesamt zu ½. Die Erbteile der Verwandten, die neben dem Ehegatten zum Zug kommen, werden entsprechend vermindert. Neben den Eltern des Erblassers (wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind) erhält der überlebende Ehegatte nach § 1931 Abs. 1 BGB ½. Der Erbteil wird aber gemäß § 1371 Abs. 1 BGB um ¼ auf insgesamt ¾ erhöht.

Im vertraglichen Güterstand der Gütertrennung ist § 1371 BGB nicht anwendbar. Es bleibt daher grundsätzlich bei dem nicht erhöhten Erbteil des überlebenden Ehegatten, wie er sich aus § 1931 Abs. 1 und 2 BGB ergibt. Eine Besonderheit gilt jedoch, wenn der überlebende Ehegatte neben einem oder zwei Kindern des Erblassers zur Erbfolge berufen wird. Der überlebende Ehegatte und jedes Kind erben dann nach § 1931 Abs. 4 BGB zu gleichen Teilen, sodass der Ehegatte neben einem Kind zu ½, neben zwei Kindern zu ⅓ erbt. Diese Regelung stellt den Ehegatten besser als 1931 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Ehegatte auch neben einem oder zwei Kindern nur jeweils zu ¼ erbberechtigt wäre.

Rechtsanwalt Philipp Wolfrum

Maintal 

www.erbrecht-maintal.de


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