Wer links fährt, handelt nicht unbedingt „rücksichtslos“

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Wer sich längere Zeit im Ausland aufgehalten und an den dort geltenden Linksverkehr gewöhnt hat, verhält sich nicht rücksichtlos, wenn er oder sie bei der ersten Fahrt in Deutschland aus Versehen ebenfalls auf der linken Straßenseite fährt. Ein solcher Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot stellt eher eine Unachtsamkeit und Fahrlässigkeit dar. So hat es jedenfalls das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 28. November 2022, Az.: 1 OLG 2 Ss 34/22).

Kollision mit entgegenkommendem Fahrzeug

Ein Mann, der sieben Wochen in Thailand Urlaub gemacht hatte, landete nach elfstündigem Flug wieder in Deutschland. Er schlief vier Stunden und stieg dann in sein Auto. Nachdem er sich in Thailand dem dort herrschenden Linksverkehr angepasst hatte, hatte er diese Fahrweise derart verinnerlicht, dass er für zwei bis drei Kilometer auf einer Landstraße ebenfalls links fuhr – also auf der Gegenfahrbahn. Es kam in einer Kurve zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Auto. Dabei wurden die Fahrerin und der Beifahrer des entgegenkommenden Autos verletzt.

Fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs?

Das Landgericht Kaiserslautern stufte das Linksfahren als fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässige Körperverletzung ein. Es ging davon aus, dass der Angeklagte rücksichtslos gehandelt habe. Er habe versäumt, sich die in Deutschland geltenden Verkehrsregeln zu vergegenwärtigen, und sei unreflektiert an einer übersichtlichen Stelle auf der linken Seite gefahren. Er habe sich daher grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten, weshalb das Gericht ihn zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen – insgesamt 9.000,- € – verurteilte. Außerdem entzog das Landgericht dem Mann die Fahrerlaubnis für acht Monate.

OLG Zweibrücken verneint Rücksichtslosigkeit

Anders wertete das Oberlandesgericht das Geschehen. Nach dem Gesetz (§ 315c Abs. 1 Nr. 2e Strafgesetzbuch (StGB))  mache man sich strafbar, wenn man an einer unübersichtlichen Stelle „rücksichtslos“ die rechte Seite der Fahrbahn nicht einhalte. Rücksichtslos sei beispielsweise, wer aus Eigensucht handele, Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen lasse und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflosfahre.

Darüber hinaus muss nach Ansicht des Gerichts aber auch eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit vorliegen. Eine kurze Unaufmerksamkeit oder Gedankenlosigkeit sei nicht ausreichend, um die Rücksichtslosigkeit zu begründen. Es müsse vielmehr ein überdurchschnittliches Fehlverhalten festzustellen sein, das von einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt werde.

Diese Voraussetzungen sah das OLG bei dem Fahrer nicht. Zwar habe er an einer unübersichtlichen Stelle gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Das liege aber daran, dass er nach seinem Aufenthalt in Thailand an den Linksverkehr gewöhnt sei. Er habe sich daher lediglich unachtsam verhalten, nicht aber rücksichtslos.

Das Landgericht müsse ein neues Strafmaß festlegen, da der Fahrer lediglich fahrlässig gehandelt habe, indem er sich die deutschen Straßenverkehrsregeln nicht vergegenwärtigt hatte.

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