Wie mache ich mich als Beifahrer bei einer Unfallflucht gem. § 142 StGB strafbar?

  • 5 Minuten Lesezeit

Sie sind als Beifahrer wegen Fahrerflucht beschuldigt? Der folgende Beitrag von Heiko Urbanzyk (Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht) ist dann für Sie ebenso wie für den Fahrer von Interesse:

Ein Unfall im Straßenverkehr passiert schneller als man es realisieren kann. Ein solcher Unfall ist für jeden Beteiligten ein Ärgernis. Sollte sich ein Unfall ereignet haben, dann ist es zuerst einmal erforderlich, sich einen Überblick zu verschaffen und die Situation einzuschätzen. Jedoch kann man in solch einer Situation verständlicherweise in Panik geraten und flüchten wollen. Sollte Ihnen dies passiert sein, dann könnten Sie nun gegebenenfalls unter dem Verdacht der Unfallflucht gem. § 142 StGB stehen.

Aber der Vorwurf kann nicht nur den Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeugs treffen. Auch eine mögliche Strafbarkeit des Beifahrers kommt in Betracht. Dieser hat zwar grundsätzlich den Unfall nicht verursacht, jedoch können ihn unter Umstände dieselben Pflichten wie den Fahrer treffen. Im Folgenden erfahren Sie von Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Billerbeck, Ahaus, Gescher) alles Relevante zu den Voraussetzungen des § 142 StGB und welche Strafbarkeit Sie als Mitfahrer treffen kann.  


Wann liegt eine sogenannte Unfallflucht gem. § 142 StGB generell vor?

Diese liegt vor, wenn sich ein Unfall im öffentlichen Straßenverkehr ereignet hat und der Unfallbeteiligte sich vom Unfallort entfernt hat, ohne Feststellungen zu seiner Person zu ermöglichen oder eine angemessene Zeit gewartet zu haben. Sollte ein Warten nicht zuzumuten sein, müssen zumindest nachträglich Feststellungen ermöglicht werden. Es müssen Angaben zur Person, Fahrzeug und Art der Beteiligung gemacht werden.


Unfall i.S.d. § 142 StGB

Zunächst muss ein Unfall vorliegen. Ein Unfall ist ein plötzliches Ereignis im Straßenverkehr in welchem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko verwirklicht und unmittelbar zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Schäden unter 50 Euro unterfallen nicht dem § 142 StGB – ein solch geringer Schaden ist aber äußert selten. Selbst bei kleinen Remplern entstehen oftmals schon hohe Schadenssummen. 

Der Schaden muss zwangsweise auf den Unfall zurückzuführen sein. Ob der Unfall im ruhenden oder fließenden Verkehr geschah, ist für die Strafbarkeit nicht von Bedeutung. Häufig kommen in der Praxis sogenannte Parkplatzrempler vor.   


Öffentlicher Straßenverkehr 

Des Weiteren muss sich der Unfall im öffentlichen Straßenverkehr ereignet haben. Dies liegt vor, wenn die Verkehrsfläche von einem zufälligen Personenkreis tatsächlich genutzt werden kann, also für jedermann jederzeit zugänglich ist. 

Dazu gehören:

  • Straßen
  • Parkplätze
  • für die Allgemeinheit offenstehende Parkhäuser
  • Warenhausparkplätze
  • Tankstellengelände oder
  • Grundstückeinfahrten.

Entscheidend ist oftmals die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und die Freigabe des Geländes für unbestimmte Besucher/Kunden. 

Nicht zum öffentlichen Straßenverkehr gehören beispielsweise:

  • Privatgrundstücke
  • Tiefgaragen mit fest vermieteten Stellplätzen
  • private Garagenzufahrten
  • Betriebsgelände zur Warenanlieferung oder
  • Parkplätze vor Wohnhäusern mit entsprechender Kennzeichnung.

Ein erfahrener Verkehrsanwalt wird für Sie stets anhand der örtlichen Gegebenheiten und der dazu passenden Rechtsprechung überprüfen, inwiefern sich der Unfall überhaupt im öffentlichen Straßenverkehr ereignet hat.


Bestrafung des Beifahrers als Täter gem. § 142 StGB

Der Beifahrer einer Unfallflucht kann auch Täter einer Unfallflucht sein. Strafbar ist es gemäß § 142 StGB nämlich, wenn ein Unfallbeteiligter sich unerlaubt vom Unfallort entfernt. Bestraft wird dies mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe. Für die Unfallbeteiligung genügt die an tatsächliche Umstände anknüpfende Möglichkeit regelwidriger Verursachung des Unfalls gemäß § 142 Abs. 5 StGB. Auf ein strafrechtliches Fehlverhalten kommt es zwar nicht an. Demnach kann auch der Mitinsasse eines Fahrzeugs Unfallbeteiligter sein, wenn er im Verdacht steht, den Unfall mitverursacht zu haben.

Den Mitfahrer muss ebenfalls eine Warte- und Duldungspflicht treffen. Warte- und duldungspflichtig ist jeder, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, dass sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. Dabei kommt es nur auf den äußeren Anschein an. Es muss für einen außenstehenden Dritten der Verdacht entstehen können, dass man nicht nur Mitinsasse, sondern auch Fahrer des Unfallfahrzeuges gewesen sein könnte oder zumindest ein Mitverschulden am Unfall hat. Die Wartepflicht entfällt, wenn das Verhalten eines Anwesenden zweifelsfrei nicht zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. Jeder der – wenn auch zu Unrecht – Verdacht  gerät den Unfall verursacht zu haben, den trifft eine Warte- und Duldungspflicht. 

Dementsprechend kann die einfache Anwesenheit am Unfallort oftmals ausreichen, um als Unfallbeteiligter zu gelten. Sollten Sie sich vom Unfallort entfernt haben, machen Sie sich strafbar. In diesem Fall sollten Sie einen erfahrenen Strafverteidiger konsultieren. Dieser kann für Sie entlastende Umstände im Verfahren einbringen und zunächst einmal überprüfen, ob Sie überhaupt eine Warte- und Duldungspflicht tritt. Sollte eindeutig sein, dass der Fahrer den Unfall verursacht hat, dann könnte eine Strafbarkeit als Täter ausscheiden.


Beihilfe zur Fahrerflucht durch den Beifahrer

Weiter könnte noch eine Bestrafung des Beifahrers wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort in Betracht kommen, sollte keine Täterschaft vorliegen. Dabei kann psychische Beihilfe der Mitinsassen eines Fahrzeuges vorliegen. Dies kann beispielsweise vorliegen, indem man den Fahrer des Kfz in seinem Entschluss zur Flucht bestärkt oder sich sogar über die gemeinsame Flucht verständigt. Ebenso kann sich eine Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort ergeben, indem man es unterlässt den flüchtenden Fahrer an der Weiterfahrt zu hindern – insbesondere als Fahrzeughalter.

Dies verdeutlicht, dass Sie auch als Beifahrer sowohl gefährdet sind als Täter einer Unfallflucht sowie als möglicher Beteiligter bestraft zu werden. Schon eine rein psychische Bestärkung des flüchtenden Fahrers genügt, um sich strafbar zu machen. 

Beispiel: Der Senior holt seine Frau vom Arzt ab und stößt dabei ein Auto am Straßenrand an. Trotz Bemerkens des Unfalls fährt der Senior weg, weil seine Frau, die den Unfall auch bemerkt hat, ihn trotz Unfall dazu drängelt, sie wolle nun endlich nach Hause. Er solle einfach wegfahren. Zeugen haben den Unfall beobachtet und das Kennzeichen notiert. Die Polizei kreuzt bei dem alten Ehepaar zu Hause auf. Berichtet der Senior der Polizei nun diese Begebenheit, macht er seine Frau zur Mitbeschuldigten. Beide Eheleute könnten ihren Führerschein verlieren. Schweigen gegenüber der Polizei wäre hier besser gewesen - ggf auch für den Fahrer.   

 

Beim Vorwurf Fahrerflucht: Kein Wort ohne Anwalt! 

Sie erkennen anhand des einfachen Beispiels mit dem Seniorenpaar: Bei solch einem Vorwurf sollten Sie frühzeitig einen erfahrenen Strafverteidiger in Verkehrsstrafrecht engagieren, welcher Ihnen zur Seite steht. In einer solchen Situation ist man meist geschockt vom erfolgten Unfall. Sollte der Fahrer entgegen Ihren Willen weitergefahren sein, dann trifft Sie als Beifahrer auch kein Strafbarkeit. Informieren Sie sich bei einem versierten Strafverteidiger und schildern Sie diesem Ihre Situation. Wichtig ist vor allem, dass Sie dies frühzeitig machen, sodass gegebenenfalls schon eine Einstellung ihres Verfahrens im Rahmen des Ermittlungsverfahren erfolgen kann. 

Oftmals jedoch wäre Fahrer und Beifahrer bereits bestens geholfen, wenn der Fahrer ordentlich verteidigt wird und nach Akteneinsicht nicht völlig unnötig sich, geschweige denn Mitinsassen mit rein reitet. 

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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