Wohnmobil-Abgasskandal weitet sich aus: zulässige Abgasgrenzwerte bei Fiat- und Iveco-Motoren in gewaltiger Höhe überschritten

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Neue Abgasmessungen erhärten den Verdacht auf illegale Abschalteinrichtungen in Wohnmobil-Motoren

Längst hat der Abgasskandal auch international die Wohnmobilbranche erfasst: unzählige Reisemobile deutscher Hersteller mit Fiat Ducato- oder Iveco-Motoren des italienischen Fahrzeugherstellers Fiat Chrysler und der Tochterfirma Iveco (seit Anfang 2021 Teil der Automobilholding Stellantis N.V.) besitzen laut Kraftfahrtbundesamt eine illegale Abschalteinrichtung und stoßen im Straßenverkehr weitaus mehr Schadstoffe aus als gesetzlich erlaubt. Die Folgen: Wertverluste der Fahrzeuge, Fahrverbote und Stilllegungen einerseits - Verunsicherung, Frust und Ärger bei Wohnmobilbesitzern andererseits. Betroffene Fahrzeugbesitzer haben Anspruch auf Schadensersatz des Fahrzeugherstellers, wie jüngst auch ein Urteil des LG Koblenz (Versäumnisurteil, Aktenzeichen 12 O 316/20) klarstellt, das als erstes Gericht einen Wohnmobilhersteller aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu Schadensersatz nach § 826 BGB an den Fahrzeugbesitzer verurteilte.

Wie weitreichend diese Abgasmanipulation bei den betroffenen Wohnmobilen tatsächlich ist, zeigen nun neue Untersuchungen bzw. Messungen der Deutschen Umwelthilfe und Recherchen des Wirtschaftsmagazins Plusminus. Nicht nur, dass in diesem Fall circa 80 % der in Deutschland verkauften Wohnmobile mit manipulierten Abgaswerten im Straßenverkehr unterwegs wären. Das Ausmaß der Grenzwertüberschreitung der Stickoxide ist mit dem bis zu 20-fachen des eigentlich erlaubten Maximums gewaltig.

Dem italienischen Autobauer bzw. dem Stellantis-Konzern, aber auch den deutschen Herstellern, die auf Fiat-Basis ihre Wohnmobile herstellen, droht jetzt eine Klagewelle; immerhin könnten hunderttausende Wohnmobilbesitzer von der Abgasmanipulation betroffen sein. Dazu ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen Fiat Chrysler wegen Betruges.

Abgaswerte 20fach höher als erlaubt

Das System der Fahrzeughersteller bei der Abgasmanipulation: durch eine eingebaute illegale Abschalteinrichtung entsprechen die Abgaswerte auf dem Prüfstand den gesetzlichen Vorgaben. Allerdings schaltet sich die Abschalteinrichtung nach einer gewissen Zeit wohl vollständig aus, sodass sich die Abgaswerte erhöhen, sobald ein normaler Abgastest beendet ist. Dies hat zur Folge, dass die Schadstoffwerte soweit nach oben gehen, dass sie die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte überschreiten. Die Stickoxidwerte bei betroffenen Wohnmobilen sind so bis um ein 20faches höher als erlaubt - mit der Folge, dass das Wohnmobil nicht - wie angegeben - ein Euro-6-Fahrzeug ist, sondern praktisch die Abgasnorm “Euro 0” besitzt, da es keine existierende Norm erfüllt. 

Für Reisemobilbesitzer bedeutet dies einen enormen Wertverlust ihres Fahrzeuges. Dazu drohen Fahrverbote und Stilllegungen, da die Straßenzulassung von Fahrzeugen bzw. Motoren mit illegaler Abschalteinrichtung, also manipulierter Abgasreinigung, verboten ist.

Betroffen sind Wohnmobile mit den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 von unterschiedlichen Herstellern (unter anderem Pössl, Pilote, Dethleffs und Knaus, aber auch vielen weiteren), die auf Fiat Ducato- oder Iveco-Basis hergestellt sind.

Interne Dokumente beweisen: dem KBA liegen bereits seit längerem entsprechende Informationen vor

Besonders brisant: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte laut dem Wirtschaftsmagazin Plusminus bereits seit 2016 Kenntnis davon, dass Dieselfahrzeuge von Fiat mit den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 einen erheblich zu hohen Schadstoffausstoß aufweisen und damit die gesetzlichen Grenzwerte deutlich überschreiten. Dennoch bewilligte das KBA weiterhin die Herstellung und Zulassung von Wohnmobilen mit betroffenen Fiat Ducato-Motoren.

Auf Betreiben des KBA bzw. des übergeordneten Verkehrsministeriums hat die EU-Kommission zwar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet; dieses ist allerdings bis heute noch nicht beendet. 

Fachlicher Rat und juristische Hilfe für Wohnmobilbesitzer

Vom Fiat-Dieselskandal betroffene Wohnmobilbesitzer haben unterschiedliche Möglichkeiten, juristisch vorzugehen und die ihnen zustehende Entschädigung zu erhalten:

  • Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung bei Rückgabe des Wohnmobils oder

  • Schadensersatz bei Behalten des Wohnmobils

Die mögliche Vorgehensweise hängt auch von der vorliegenden Situation ab. Sind erst weniger als zwei Jahre seit dem Kauf vergangen, ist man noch innerhalb der Frist der gesetzlichen Gewährleistungspflicht und kann sich direkt gegen den Händler wenden. Ansprüche gegen den Hersteller verjähren erst später.

Daher sollten Sie als Wohnmobilbesitzer keine Zeit verlieren und schnell tätig werden. Als im Dieselskandal erfahrene Anwaltskanzlei unterstützen wir Sie gerne dabei, Ihre Rechte durchzusetzen. Bei einer kostenlosen Erstberatung prüfen wir unverbindlich Ihre Ansprüche auf eine Entschädigung und informieren Sie über eine mögliche weitere juristische Vorgehensweise. Auf dieser Basis können Sie dann entscheiden, wie Sie vorgehen möchten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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