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Wohnrecht nach Umzug in ein Pflegeheim

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Nicht selten übertragen Eltern Grundstückseigentum auf Abkömmlinge und lassen sich gleichzeitig ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht im Sinne von § 1093 BGB einräumen. Ebenso häufig kommt es später zum Umzug des Wohnungsberechtigten in ein Pflegeheim. Der Grundstückseigentümer nimmt diesen Umstand dann zum Anlass, intensiv darauf hinzuwirken, dass baldmöglichst der Wohnungsberechtigte das Grundstück bzw. die mit dem Wohnrecht belasteten Wohnräumlichkeiten durch den wohnungsberechtigten Elternteil beräumt werden, sodass der Grundstückseigentümer wieder über ein insoweit unbelastetes Grundstück verfügt, das er dann vollständig ungehindert wirtschaftlich nutzen kann. Sehr oft kommt es vor, dass die Vereinbarungen über die Einräumung des Wohnrechtes nicht im Einzelnen regeln, welche gegenseitigen Ansprüche entstehen sollen, wenn das Wohnrecht dauerhaft, in der Regel aus gesundheitlichen Gründen, nicht mehr ausgeübt werden kann. 

Der Bundesgerichtshof entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass mangels ausdrücklicher Regelungen in diesen Konstellationen zu prüfen sei, ob im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung feststellbar sei, was die Parteien der Wohnrechtsvereinbarung vereinbart hätten, wenn ihnen diese Regelungslücke bewusst gewesen wäre (z. B. BGH, Urteil v. 13.07.2012, Az.: V ZR 206/11; BGH, Versäumnisurteil v. 09.01.2009, Az.: V ZR 168/07). 

Oftmals liegen jedoch die rechtlichen Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht vor, weil sich nicht feststellen lässt, dass die Vereinbarung eine bewusste Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsvorstellungen der Parteien gerecht zu werden. Dabei dürfte es nicht zu einer freien richterlichen Vertragsgestaltung kommen. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei etwa dann ausgeschlossen, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommen, mit denen die Parteien den Fall geregelt hätten, dass eben der Wohnungsberechtigte sein Wohnrecht dauerhaft nicht ausüben könne und kein Anhaltspunkt dafür bestehe, welcher dieser Regelungsmöglichkeiten die Parteien getroffen hätten (z. B. BGH, Urteil v. 06.04.2009, Az.: II ZR 255/08). Oftmals ist es also dem Gericht nicht erlaubt, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu entscheiden, welche Rechtsfolgen sich eben aus dem Umstand ergeben, dass der Wohnungsberechtigte sein Wohnrecht dauerhaft nicht ausüben kann. In diesem Falle entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass für die Dauer der Verhinderung des Wohnungsberechtigten die Wohnung weder von dem Wohnungsberechtigten noch vom dem Grundstückseigentümer genutzt werden kann. Dieses Ergebnis mag wirtschaftlich unbefriedigend erscheinen, es sei aber die Folge der Bestellung eines Wohnrechtes, das auf die persönliche Ausübung beschränkt sei. 

Dennoch kommt es nicht selten dazu, dass Grundstückseigentümer eigenmächtig die mit dem Wohnrecht belasteten Wohnräumlichkeiten vermieten und Mieteinnahmen vereinnahmen. Dazu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in diesem Falle bei Fehlen einer vereinbarten Regelung der Wohnungsberechtigte keinen Anspruch darauf habe, von dem Grundstückseigentümer die vereinnahmten Wohnungsmieten zu erhalten (BGH, Urteil v. 13.07.2012, Az.: V ZR 206/11). 

Der Bundesgerichtshof hat auch entschieden, dass es keine Verpflichtung des Grundstückseigentümers gäbe, mit dem Wohnrecht belastete Wohnräumlichkeiten zu vermieten oder deren Vermietung durch den Wohnungsberechtigten zu gestatten, soweit es dazu keine feststellbare vertragliche Vereinbarung gibt und auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung feststellbar sei (BGH, Versäumnisurteil v. 09.01.2009, Az.: V ZR 168/07). 

Oftmals ist es jedoch so, dass der Wohnungsberechtigte nicht mehr in der Lage ist, sich um diese Angelegenheit selbstständig zu kümmern und deshalb auf die Hilfe seines Vorsorgeberechtigten oder eines gesetzlichen Betreuers angewiesen ist. In dieser Konstellation kann es sein, dass ein Betreuer im wohlmeinenden Interesse des Wohnungsberechtigten eine Vereinbarung mit den Grundstückseigentümern über die Aufhebung des Wohnrechtes schließt. Denn er wird abzuwägen haben, ob es nicht eher im Interesse des Wohnungsberechtigten ist, dieses Wohnrecht aufzuheben, weil er das Wohnrecht zukünftig nicht mehr wird ausüben können und andererseits mit laufenden Kosten des Wohnrechtes belastet ist (BGH, Beschluss v. 25.01.2012, Az.: XII ZB 479/11). 

Fazit: Die vorstehenden Ausführungen beleuchten lediglich Teilaspekte dieser Thematik, die sich in verschiedensten Konstellationen darstellen und ganz unterschiedliche Rechtsfragen zum Vorschein bringen können. Deshalb können die vorstehenden Ausführungen auch nur ein Anstoß sein, bereits bei der Vereinbarung eines Wohnrechtes besonderes Augenmerk darauf zu legen, die verschiedenen Situationen vertraglich zu regeln, die sicher oder möglicherweise zukünftig entstehen. Also insbesondere die Situation, dass ein Wohnungsberechtigter zukünftig aus gesundheitlichen Gründen sein Wohnrecht wird nicht mehr ausüben können. Je detaillierter die vertraglichen Regelungen zu diesen Fragen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch unnötige familiäre Konflikte entstehen, da in aller Regel derartige Wohnrechtsvereinbarungen zwischen Familienangehörigen geschlossen werden. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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