Wohnungsdurchsuchung nach Verkehrsunfall: Warum Sie der Polizei Ihre Handynummer nicht geben sollten

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Unfallmitteilung mit Folgen

Das Szenario spielt sich täglich tausendfach in Deutschland ab: Die Polizei wird zu einem Verkehrsunfall gerufen. Eine Unfallmitteilung wird ausgefüllt. Der doppelseitige Fragebogen enthält Angaben zum Unfallort, den Unfallbeteiligten, den Fahrzeugen und den Unfallfolgen. Für jeden Unfallbeteiligten kann neben dem Namen und der Anschrift auch eine Telefonnummer aufgenommen werden. Die Angabe der Telefonnummer ist freiwillig. In diesem Beitrag zeigt Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel aus Cottbus anhand eines kuriosen Falls aus seiner Praxis als Strafverteidiger, weshalb Sie Ihre Telefonnummer hier – und auch sonst gegenüber der Polizei – niemals freiwillig nennen sollten.

„Damit wir Sie bei Rückfragen nach dem Unfall leichter erreichen können, damit Sie also keine Post von der Polizei bekommen“, hatte die freundliche Polizistin der jungen Frau erklärt, weshalb es von Vorteil sei, die Nummer anzugeben. So gelangte die Telefonnummer in die Unfallmitteilung. Rückfragen zum Unfall gab es nicht. Die Sache schien erledigt. Routinemäßig wurde die Telefonnummer jedoch auch in das polizeiliche Informationssystem aufgenommen. Dies wurde der jungen Frau kurz darauf zum Verhängnis.

Vom Unfallopfer zum Drogendealer

Szenenwechsel. Die Kriminalpolizei verfolgt eine heiße Spur. Sie hat nach einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd das Handy eines noch immer flüchtigen Drogenkuriers sichergestellt. Die Auswertung ergibt zahlreiche verdächtige Gespräche bei „WhatsApp“, teilweise über ein Jahr alt. Besonderes Interesse entwickeln die Beamten sehr bald für Chats zwischen dem Drogenkurier und einer bestimmten Handynummer. In den kryptischen Nachrichten geht es nicht um Drogen, aber um Treffen in einer Kleinstadt nahe der Autobahn, noch dazu fast wöchentlich. Die Ermittlungshypothese: Hier wurde ein lokaler Dealer regelmäßig beliefert.

Die Beamten fragen die betreffende Handynummer im polizeilichen Informationssystem ab und landen einen Volltreffer, wie es scheint: Es ist die Telefonnummer der jungen Frau aus dem Verkehrsunfall. Bei ihr klingelt es wenige Wochen später gegen 6 Uhr an der Tür. Fünf Polizeibeamte in zivil – einer davon mit einem Drogenspürhund – und drei uniformierte Polizisten übergeben ihr den eilig erwirkten Durchsuchungsbeschluss und machen sich auf, die Wohnung für fast 5 Stunden auf den Kopf zu stellen. Drogen finden sie nicht. Zwei Computer und zwei Smartphones, eines davon das Diensthandy der jungen Frau, nehmen sie zur Auswertung mit.

Der Durchsuchungsbeschluss liest sich, als stünde die junge Frau kurz vor der Verurteilung: Es bestehe der Verdacht, dass sie mit Betäubungsmitteln Handel treibe. Dies ergebe sich aus den bisherigen Ermittlungen, insbesondere aus der Handyauswertung des Drogenkuriers. Kein Gedanke daran, ob die junge Frau die betreffende Telefonnummer zur fraglichen Zeit überhaupt schon nutzte. Keine Überlegungen, aus welchen (legalen) Gründen man sich sonst noch für eine gewisse Zeit regelmäßig mit einem jungen Mann auf der Durchreise treffen könnte.

Außer Spesen nichts gewesen

Das Ende vom Lied: Nach einem deutlichen Schriftsatz des Verteidigers wird das Verfahren gegen die junge Frau eingestellt. Die Staatsanwaltschaft kommt damit einer Blamage vor Gericht zuvor: Schon die Datenübermittlung aus dem polizeilichen Informationssystem war rechtswidrig. Denn übermittelt werden dürfen Daten zu einem anderen Zweck als demjenigen, zu dem die Daten erlangt oder gespeichert worden sind, nur dann, wenn sie auch zu diesem Zweck unter denselben Voraussetzungen hätten erhoben werden dürfen – so der umständliche Text im Brandenburgischen Polizeigesetz.

Im Klartext: Hätte die junge Frau der Polizei ihre Telefonnummer nennen müssen, wenn sie gefragt worden wäre, ob sie unter dieser Nummer vor einem Jahr regelmäßig Drogen bestellt hat? Nur dann hätte man die Nummer auch dem polizeilichen Informationssystem entnehmen dürfen. Die Antwort auf diese Frage kennt jeder, der einmal vom Schweigerecht des Beschuldigten gehört hat. Hierüber hätte die junge Frau obendrein zwingend belehrt werden müssen. Spätestens nach dieser Belehrung und der Eröffnung des Tatvorwurfs hätte wohl niemand angeben, dass es sich um die eigene Telefonnummer handelt. Die Strafprozessordnung sieht daher für die Ermittlung eines Anschlussinhabers Spezialnormen vor. Die Voraussetzungen dieser Normen waren nicht erfüllt.

Ihre Anwaltskosten bekommt die junge Frau nicht von der Staatskasse ersetzt. Auch auf ihre Computer und Telefone musste sie einige Monate verzichten. Künftig wird sie gegenüber der Polizei sicher keine freiwilligen Angaben mehr machen. Dies sollten auch Sie in weiser Voraussicht beherzigen!


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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