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Förmliche Entscheidung über Beratungshilfeantrag

  • 3 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Wer sich selbst keinen Anwalt leisten kann und auch keine Rechtsschutzversicherung hat, der kann oft Unterstützung in Form von Beratungs- bzw. Prozesskostenhilfe erhalten. In der Regel erhalten Ratsuchende auf Antrag beim Rechtspfleger am Amtsgericht (AG) einen sogenannten Beratungshilfeschein, mit dem sie sich dann von einem Anwalt beraten lassen können.

Mit dem mündlichen Verweis auf eine Beratungsstelle der Behörde, die den strittigen Bescheid erlassen hatte, müssen sich Betroffene nicht zufriedengeben. Liegen die Voraussetzungen zur Beratungshilfe nicht vor, besteht zumindest ein Anspruch, dass dies förmlich entschieden wird.

Erwerbsminderungsrente abgelehnt

Eine Frau wollte sich gegen eine Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zur Wehr setzen, mit der die von ihr beantragte Erwerbsminderungsrente abgelehnt worden war. Dafür ging sie zu ihrem Amtsgericht in Soest und beantragte einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz (BerGH).

Den Schein bekam sie vom dort zuständigen Rechtspfleger jedoch nicht ausgehändigt. Der erklärte ihr lediglich mündlich, dass sie direkt bei der Rentenversicherung Widerspruch einlegen könnte, was schriftlich oder zur Niederschrift möglich sei. Auch gebe es dort eine eigene Auskunfts- und Beratungsstelle.

Beratungshilfe für Widerspruchsverfahren

Damit aber wollte sich die Dame nicht zufriedengeben. Sie legte daher noch am gleichen Tag dagegen Erinnerung hilfsweise Beschwerde ein. Darin erklärte sie ausführlich, weshalb sie gegen die Entscheidung der Rentenversicherung vorgehen wolle und gleichzeitig, warum in dem Verfahren ein anwaltlicher Beistand erforderlich sei.

Grundsätzlich fällt die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens noch unter Beratungshilfe und nicht etwa unter Prozesskostenhilfe. Schließlich findet ja (noch) kein Prozess vor einem Gericht statt, sondern der Anwalt unterstützt den Betroffenen nur im Widerspruchsverfahren, während dem die Behörde selbst ihre Entscheidung noch einmal korrigieren kann.

Gewährung oder Ablehnung?

Eine Amtsrichterin ging davon aus, dass Beratungshilfe durch die spärlichen Angaben des Rechtspflegers tatsächlich bereits vollumfänglich gewährt worden war. Der Antrag sei damit erledigt und einen – gegebenenfalls rechtlich überprüfbaren – Ablehnungsbescheid könne es damit nicht geben.

Die eingelegte Erinnerung wurde mit dieser Begründung auch zurückgewiesen. Damit wurde es Zeit für eine Verfassungsbeschwerde. Die Richter in Karlsruhe stellten fest, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich in ihren Grundrechten verletzt ist.

Der Verweis auf die Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung war nicht ausreichend, um die Beratungshilfe als erledigt anzusehen. Schließlich handelte es sich dabei um dieselbe Behörde, die den streitigen Bescheid erlassen hatte und in folgenden Widerspruchs- bzw. Klageverfahren unmittelbarer Gegner wäre. Eine solche Beratung hätte leicht erkennbar kaum einen Wert.

Anwaltliche Beratung statt Selbsthilfe

Hier kannte die Beschwerdeführerin den korrekten Rechtsbehelf bereits und hatte vom Amtsgericht ausdrücklich einen Beratungshilfeschein für weitergehende anwaltliche Rechtsberatung bzw. Vertretung im Widerspruchsverfahren gefordert. Mit der „Beratung“ durch den Rechtspfleger war damit die Sache keineswegs erledigt.

Zwar kann es im Einzelfall – bei einfach gelagerten Fällen – zulässig sein, Ratsuchende darauf zu verweisen, dass sie sich selbst helfen können, beispielsweise durch persönliche Widerspruchseinlegung. Wirft aber der Sachverhalt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Fragen auf, bei denen auch ein kostenbewusster zahlungsfähiger Betroffener auf eigene Kosten einen Anwalt konsultieren würde, darf ein Beratungshilfeschein nicht pauschal verweigert werden.

Die Ablehnung eines Beratungsscheins darf ferner nicht lapidar mündlich erfolgen. Erforderlich ist vielmehr eine förmliche Ablehnungsentscheidung, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Daran fehlte es im vorliegenden Fall. Zudem erklärten die Richter in ihrer Urteilsbegründung, das Amtsgericht hätte der Erinnerung abhelfen und einen Berechtigungsschein erteilen müssen. Dies kann das AG Soest nun nachholen, denn dorthin wurde die Sache zurückverwiesen.

(BVerfG, Beschluss v. 29.04.2015, Az.: 1 BvR 1849/11)

(ADS)

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