Homeoffice und Arbeitsunfall

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Während des Shutdowns arbeiten viele Arbeitnehmer im Homeoffice. Schön dabei: vom Bett zum Schreibtisch im Schlafanzug. Zum Kaffee in Schlappen ohne gekämmt zu sein. Schlecht dabei: Man purzelt mit der Kaffeetasse die Treppe hinunter. Ist das denn ein Arbeitsunfall?

Die Unfallversicherung definiert Unfälle als zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse. Arbeitsunfälle sind Unfälle „infolge einer den Versicherungsschutz … begründenden Tätigkeit“ (nachzulesen in § 8 SGB VII). Unterschieden wird dabei grob zwischen Unfällen

  • während der Arbeit: Mitarbeiter verletzt sich beim Sturz von der Leiter oder der 40 Zoll-Monitor kracht auf die Finger
  • während betrieblicher Wege: Mitarbeiter bringt die Akten von Haus 1 zum Haus 2 und stürzt dabei
  • Wegeunfall: Mitarbeiter ist auf dem Weg zur Arbeit und hat einen Unfall

Berufliches ist versichert, privates nicht. Im Homeoffice wird die Unterscheidung betrieblich oder privat schwierig. Man ist ja privat.

Um dies abzugrenzen, formuliert das Bundessozialgericht wie folgt: „Ob eine konkrete Verrichtung im unmittelbaren Unternehmensinteresse erfolgt und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich vorrangig nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach, ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird.“

Übersetzt bedeutet dies: Solange ich mit der Arbeit und allem was sie erfordert befasst bin, bin ich versichert. Wer dem Postboten entgegen eilt, weil diese dringend benötigte Akte kommen soll, stürzt im Arbeitsunfall, wer die Schuhe erwartet, aber gerade „im Homeoffice ist“, nicht. Zum Server gehen, der im Keller steht ist versichert, ein Glas Wasser holen ist nicht versichert. Für die Multitasker: Das Wasserholen wird nicht durch das gleichzeitige Telefonieren und Aktenheften zum Arbeitsunfall.

Also: Am Schreibtisch versichert, Tätigkeiten, die damit in direktem Zusammenhang stehen auch, aber was ist mit Dingen, die man während der Arbeit auch mal tun muss? Mancher erinnert sich an „zur Toilette versichert, auf der Toilette nicht“. Hier sind die Dinge noch nicht ganz ausdiskutiert, schön wäre es, wenn der Gesetzgeber tätig würde. Im Betrieb ist nicht zu Hause. Begründet wird dies mit der besonderen Gefahr, die sich daraus ergibt, dass sich der Mitarbeiter eben gerade nicht zuhause aufhält. Der Weg zum Klo ist im Stahlwerk eben gefährlicher als vom Sofa ins Bad.

Dies interpretieren die Gerichte dahingehend, dass der Mitarbeiter auch auf diesen Wegen – zum Essen in die Küche, zum Bad nicht versichert ist. Eben alles privat. Umgekehrt sind Wege zum Einkauf des Mittagessens oder zum Mittagessen (aktuell also zum Drive-in) versichert. Nicht ganz ernst gemeint: Wenn Sie so sicher gehen wollen, stellen Sie Essen und Getränke neben den Schreibtisch und einen Eimer daneben.

Den wichtigsten Punkt sollte man nicht vergessen. Wie dokumentieren Sie, dass Sie im Homeoffice sind, also der Unfall beruflich bedingt beim Nachlegen von Papier passiert ist? Lachen Sie nicht, ich kenne Mandanten, die sich auf ebenem Untergrund heftig verletzt haben oder eine Rente beziehen nachdem sie sich den Daumen ungünstig in der Schublade geklemmt haben.

Mein Rat: „Jetzt wird gearbeitet“ bedeutet mit halbwegs akzeptabler Kleidung am Schreibtisch zu sitzen, nicht halbnackt im Bett. Schreiben Sie eine E-Mail, die den Arbeitsbeginn nachweisen kann.

Eine Besonderheit noch für Eltern: Die Kinder in den Kindergarten bringen oder in die Schule gehört zum versicherten Arbeitsweg. Das Bundessozialgericht ist der Ansicht, dass dies im Homeoffice nicht gilt, da der Arbeitsweg fehlt. Kein Arbeitsweg – kein versichertes Kindertaxi (die Kinder sind natürlich versichert).


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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