Vergewaltigung: Welche Strafen drohen?
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Die Vergewaltigung ist als Straftatbestand in Deutschland gesetzlich in § 177 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit unter Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Der Grundtatbestand ist nach § 177 Abs. 1 StGB der sexuelle Übergriff und die sexuelle Nötigung. Die Vergewaltigung ist als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls in Absatz 6 geregelt.
Allgemein erfüllt das nicht einvernehmliche, sexuell motivierte vaginale, anale oder orale Eindringen in den Körper eines anderen den Tatbestand der Vergewaltigung. Das Eindringen muss nicht notwendigerweise durch Geschlechtsteile erfolgen. Somit ist nicht nur das Eindringen mit dem Penis, sondern beispielsweise auch mit Finger, Faust, Fuß oder einem Gegenstand tatbestandsmäßig.
Straferwartung für den Täter einer Vergewaltigung
Als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung ist bei Vergewaltigung mit einer Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu rechnen. Wichtig zu wissen ist, dass bei Vorliegen des Tatbestands die Strafe in der Regel nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann, da das gemäß § 56 Abs. 2 StGB nur für Strafen möglich ist, die zwei Jahre nicht übersteigen.
Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 177 Abs. 6 StGB in der Regel vor, „wenn
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder
der Täter ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.“
Die Mindeststrafe beträgt nach Absatz 7 mindestens drei Jahre, „wenn der Täter
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.“
Gegen den Täter wird eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren verhängt (§ 177 Abs. 8 StGB), „wenn der Täter
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.“
Eine Sexualstraftat zum Nachteil eines Mannes, wozu auch eine Vergewaltigung eines Mannes zählt, die vor dem 5. Juli 1997 stattfand, war damals nicht nach § 177 StGB strafbar. Eine Bestrafung erfolgte jedoch bis 1969 nach § 175a StGB, bis 1973 nach § 176 StGB und bis 1997 nach § 178 StGB.
Vergewaltigung in der Ehe
Bis zum Juli 1997 war im Straftatbestand noch das Merkmal „außerehelich“ enthalten. Eine Bestrafung des Täters war bis zur Gesetzesänderung nur wegen Nötigung und Körperverletzung möglich.
Im Zuge des 33. Strafrechtsänderungsgesetzes wurde das Merkmal entfernt. Seither sind auch Vergewaltigungen innerhalb von Ehen strafbar. Wissenschaftliche Dunkelfeldstudien belegen jedoch, dass ein Großteil der Vergewaltigungen in Ehen nicht angezeigt wird.*
In fast allen europäischen Ländern wurden die Beschränkungen auf den außerehelichen Bereich inzwischen ebenfalls abgeschafft. Um die Anwendung von Gewalt in der Ehe weiter einzudämmen, wurde im Jahr 2002 das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) eingeführt. Grundsätzlich kann dem Täter verboten werden, die Wohnung künftig zu betreten.
*Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags: Vergewaltigung in der Ehe. Strafrechtliche Beurteilung im europäischen Vergleich. 2008.
Verjährung der Vergewaltigung
Die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung verjähren nach 20 Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a StGB). Bis zur Vollendung des 30. Lebensjahr des Opfers ruht die Verjährung gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies bedeutet, dass die Frist bis zum 30. Lebensjahr nicht weiterläuft. Die absolute Verjährung, die nach Ablauf der doppelten Frist grundsätzlich eintritt, wird durch das Ruhen ebenfalls verlängert. Vergewaltigungen, die nach dem 5. Juli 1997 stattfanden, verjähren daher frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahres des Opfers.
Sexualstraftaten zum Nachteil von Männern, die sich zwischen 1. September 1969 und 30. Juni 1994 ereignet haben (§§ 174, 175 StGB) unterlagen fünf Jahren Strafandrohung und fünf Jahren Verjährungsfrist. Die Verjährungsfrist bei Vergewaltigung zum Nachteil von Männern betrug bis 1976 höchstens zehn Jahre.
Abtreibung nach Vergewaltigung
Ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung ist nach § 218a Abs. 2 und 3 StGB grundsätzlich straflos. Voraussetzung ist, dass er mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, wenn
nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches, somit auch eine Vergewaltigung, begangen worden ist,
dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind (§ 218a Abs. 3 StGB).
Vergewaltigung: Welche Rechte haben Opfer?
Schmerzensgeld für Opfer einer Vergewaltigung
Dem Opfer einer Vergewaltigung steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu (§ 253 Abs. 2 BGB). Das Opfer kann die Ansprüche bereits im Strafverfahren mit einer sogenannten Adhäsionsklage geltend machen.
Die Adhäsion, die gesetzlich in den §§ 403 ff. StPO geregelt ist, ermöglicht, dass der Schmerzensgeldanspruch im Strafverfahren mitentschieden wird. Dem Opfer bleiben so ein weiterer Zivilprozess und eine weitere Aussage erspart.
Höhe des Schmerzensgelds: Bisherige Urteile
Für die Höhe des Schmerzensgelds ist die Schwere der körperlichen und seelischen Beeinträchtigung nach der Vergewaltigung ausschlaggebend. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 11. April 2019 ein vom Landgericht Ellwangen auf 15.000 € festgesetztes Schmerzensgeld eines Vergewaltigungsopfers bestätigt (LG Ellwangen - BGH 1 StR 690/18). Darüber hinaus hat er das Urteil zugunsten des Opfers auf die Feststellung erweitert, sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus der Vergewaltigung zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
Im obersten Bereich der Verurteilungen hat das Landgericht Wuppertal am 05.02.2013 ein Schmerzensgeld von 100.000 € zugesprochen (Az.: 16 O 95/12). Es führt zur Begründung unter anderem aus: „Ähnlich einem Rollstuhlfahrer, der sein Leben komplett umstellen muss, trägt ein Opfer extremer sexueller Gewalt dieses Erlebnis tagtäglich in sich und stellt sein Leben, wenn auch möglicherweise unbewusst, in vielfältiger Hinsicht um.“
Opfer als Nebenkläger
Das Opfer, das in der Regel als Zeuge geladen ist, kann seine Zulassung als Nebenkläger gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO) beantragen und erhalten. Das Opfer einer Vergewaltigung erhält nach § 397a Abs. 1 Nr. 1 StPO als Nebenkläger einen Rechtsanwalt beigeordnet.
Die Kosten werden dann als gerichtliche Kosten dem beigeordneten Anwalt direkt überwiesen. Dem Wunsch nach einem bestimmten Anwalt hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen.
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Rechtstipps zu "Vergewaltigung" | Seite 8
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09.02.2018 Rechtsanwalt Benjamin Grunst„… sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Andererseits ist er auch dann gerechtfertigt, wenn die Schwangerschaft Folge eines Sexualdelikts, also beispielsweise einer Vergewaltigung, ist und seit …“ Weiterlesen
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16.07.2021 Christian Günther, anwalt.de-Redaktion„… Zusammenarbeit verbessern. Dazu verlangt die Istanbul-Konvention insbesondere die strafrechtliche Ahndung von Vergewaltigung, sexueller Belästigung, Zwangssterilisierung, Zwangsabtreibung, Zwangsheirat …“ Weiterlesen
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01.02.2018 Rechtsanwältin Natalia Chakroun„… nach dem OEG bzw. einer Opferentschädigungsrente / Beschädigtenrente wurde abgelehnt, da dafür ein GdS in Höhe von 25 erforderlich sei, die Vergewaltigung jedoch nur einen GdS von 20 hervorgerufen habe …“ Weiterlesen
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24.01.2018 Rechtsanwalt Patrick Senghaus„… , was u. a. auch die ursprüngliche gesetzgeberische Intension gewesen war. So hat das Opfer nunmehr beim Vorwurf einer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 Strafgesetzbuch keinen Anspruch mehr …“ Weiterlesen
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23.01.2018 Rechtsanwalt Patrick Senghaus„… vorkommende nächtliche Vergewaltigung einer Frau durch den „Mann aus dem Gebüsch“ geht. In diesen Fällen – gerade, wenn es um den berühmten Klaps auf den Po geht, der vorher geduldet wurde oder das Anschauen …“ Weiterlesen
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24.11.2017 Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.„… an, dass die Angeklagte im Jahr 2012 zwei Männer bewusst wahrheitswidrig einer Vergewaltigung bezichtigt hatte. Die bei der Polizei angezeigte Vergewaltigung habe nicht stattgefunden. Vielmehr habe …“ Weiterlesen
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11.11.2017 Jochen Jüngst LL.M.„… ein Eintrittsgeld parallel oder in enger zeitlicher Folge die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr mit einer Prostituierten oder einem Prostituierten eingeräumt wird und dabei Vergewaltigungen nachgestellt werden …“ Weiterlesen
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14.10.2017 Rechtsanwalt Benjamin Grunst„… von der Persönlichkeit und Tatmotivation des Täters ab. Es ist eine kumulative Würdigung des Einzelfalles notwendig, wonach nicht allein aufgrund der Deliktsstufe (bspw. Mord oder Vergewaltigung) automatisch …“ Weiterlesen
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13.09.2017 Rechtsanwaltskanzlei Sabine Hermann„… : Der Lebensgefährte war in den Jahren 2000 und 2004 wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern, auch Vergewaltigung, rechtskräftig verurteilt worden und hatte deshalb eine 4 ½-jährige …“ Weiterlesen
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31.08.2017 Rechtsanwalt Axel Steiner„… , dass der Pflichtteilsberechtigte ihr gegenüber einen tiefen Hass gehegt und nach ihrem Leben getrachtet habe und er zudem rechtskräftig wegen einer Vergewaltigung verurteilt worden war …“ Weiterlesen
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19.08.2017 Rechtsanwalt Benjamin Grunst„Die Vergewaltigung ist nach deutschem Recht ein Regelbeispiel für die sexuelle Nötigung. Von einem solchen ist immer dann die Rede, wenn zu einem Tatbestand gesetzliche Beispielfälle aufgezählt …“ Weiterlesen
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12.08.2017 Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller„… einer Schwangerschaft kein Schadensersatz verlangt werden. Liegen allerdings medizinische oder kriminologische Gründe für einen geplanten Schwangerschaftsabbruch, beispielsweise nach einer Vergewaltigung vor, so …“ Weiterlesen
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04.07.2023 Rechtsanwalt Dr. Matthias Brauer LL.M.„§ 177 StGB. Hinter dieser Zahl versteckt sich der Vergewaltigungsparagraph. Wird man beschuldigt, eine Vergewaltigung begangen zu haben, steht man vor zwei schwerwiegenden Problemen. Denn …“ Weiterlesen
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Hilfe für Opfer einer Straftat u. deren Angehörige, Rechte der Opfer bei Gewalttat Opferanwalt hilft17.07.2017 Rechtsanwältin Strafverteidigerin Jacqueline Ahmadi„… ist darauf vorbereitet, Opfer einer Straftat zu werden. Dabei ist es zu differenzieren, ob es sich um einen körperlichen Schaden wie z. B. durch eine schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, (versuchten …“ Weiterlesen
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06.07.2017 Rechtsanwälte Dr. Kahl + Dr. Koch + Metz„Eine Studie, die am 16.7.2017 im BKA vorgestellt wurde, bestätigt das „Bauchgefühl“ der meisten Personen, die sich mit sexuellen Missbräuchen, Vergewaltigungen, Straftaten und deren Folgen überhaupt …“ Weiterlesen
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12.05.2017 Rechtsanwalt Dr. Vincent Burgert„… von Geschlechtskrankheiten und zeigte den Mann an. Das Schweizer Gericht sah hier den Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt und verurteilte den Mann. Damit schuf das Gericht einen Präzedenzfall …“ Weiterlesen
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23.08.2018 Rechtsanwalt Patrick Graf zu Stolberg„… Gesetz (§ 140 StPO) in bestimmten Fällen, z. B. wenn der Prozess vor dem Landgericht beginnt, wenn ein Verbrechen (Mord, Totschlag, Vergewaltigung etc.) angeklagt ist oder wenn sich der Beschuldigte …“ Weiterlesen
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07.04.2017 Rechtsanwalt Bernhard Löwenberg„… Vergewaltigung vorgeworfen werden. Im Rahmen der Verteidigung ist vorab zu klären, ob eine Freispruchverteidigung oder eine Strafmaßverteidigung die beste Taktik ist. Hierbei …“ Weiterlesen
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31.03.2017 Rechtsanwalt Nikolai Odebralski„… in Absatz 6. Dieser enthält die Vergewaltigung. Bis zu der Reform des Sexualstrafrechts setzte Vergewaltigung noch einen psychisch oder physisch wirkenden Zwang voraus. Dieses Erfordernis wurde erheblich …“ Weiterlesen
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25.01.2017 Rechtsanwalt, FA StrafR Matthias Ganser„Vergewaltigung wird oft auch dann von den Staatsanwaltschaften angeklagt, wenn objektive Beweise fehlen; die Anklage beruht dann allein auf der Behauptung der Anzeigeerstatterin. Deren Aussage …“ Weiterlesen
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12.01.2017 Rechtsanwältin Alexandra Braun„… Missbrauch oder Vergewaltigung einer Patientin vorgeworfen wird. Unabhängig von dem Entzug der Approbation und schon vor einer strafrechtlichen Verurteilung kann gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO das Ruhen …“ Weiterlesen
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16.12.2016 Rechtsanwalt Jochen Birk„… Tochter in den Haushalt ihres Lebensgefährten gezogen, welcher in den Jahren 2000 und 2004 wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in einem davon in Tateinheit mit Vergewaltigung …“ Weiterlesen
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12.12.2016 Rechtsanwälte Dr. Kahl + Dr. Koch + Metz„… . Hier hat über viele Monate hin ein Diskothekenbesitzer immer wieder junge Mädchen mit K.-o.-Tropfen betäubt, um sie sodann zu vergewaltigen. Diese Straftaten flogen erst durch meine Mandantin …“ Weiterlesen