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§ 61 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) – Ordnungsmaßnahmen in Niedersachsen

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Abgrenzung zwischen Erziehungsmitteln und Ordnungsmaßnahmen in Niedersachsen

Niedersachen hat im pädagogischen Bereich die klassische Zweiteilung zwischen bloßen Erziehungsmitteln und Ordnungsmaßnahmen.

  • Unter Erziehungsmitteln versteht man die niederschwellige pädagogische Arbeit, die bereits im allgemeinen Erziehungsauftrag der Schule verankert ist.
  • Ordnungsmaßnahmen sind demgegenüber pädagogische Ahndungen im grundrechtswesentlichen Bereich, die über die alltägliche pädagogische Arbeit deutlich hinausgehen und schwerwiegende Verstöße ahnden sollen.

Die Erziehungsmittel in Niedersachsen gem. § 61 Abs. 1 Schulgesetz Niedersachsen

Eine explizite Aufzählung von Erziehungsmitteln gibt es in Niedersachsen nicht. In § 61 Abs. 1 Schulgesetz Niedersachsen heißt es nur:

„Erziehungsmittel sind pädagogische Einwirkungen. Sie sind gegenüber einer Schülerin oder einem Schüler zulässig, die oder der den Unterricht beeinträchtigt oder in anderer Weise ihre oder seine Pflichten verletzt hat. Sie können von einzelnen Lehrkräften oder von der Klassenkonferenz angewendet werden.“

Auf der Website der Landesschulbehörde werden als Beispiele benannt:

  • Die mündliche Rüge,
  • die Anfertigung zusätzlicher häuslicher Aufgaben,
  • die vorübergehende Wegnahme von Gegenständen,
  • das „Nachsitzen“ in Form besonderer schulischer Arbeitsstunden.

Es wird hieraus deutlich, dass die Spannbreite von alltäglicher pädagogischer Arbeit reicht, die man selbst gar nicht bewusst wahrnimmt und niederschwelligen Bestrafungen, die ein Großteil der Schüler früher oder später in ihrem Schulleben erhalten, ohne dass dies eine große Sache wird …

Ordnungsmaßnahmen in Niedersachsen § 61 Abs. 2 Niedersächsisches Schulgesetz

Die Ordnungsmaßnahmen sind in Niedersachsen vergleichsweise martialisch.

Niederschwellige Ahndungen wie Verweise gibt es gar nicht und der Strafrahmen ist im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr hoch, sodass viele Schulen harte Strafen zu verhängen.

Als deutschlandweit tätiger Anwalt für Schulrecht sehe ich diese Probleme, die allerdings die Landesschulbehörde und auch die Verwaltungsgerichte so nicht sehen wollen und nur mit ihrer „Landesbrille“ schauen.

Unterrichtsausschluss bis zu einem Monat in einem oder mehreren Fächern bzw. außerunterrichtlichen Angeboten gem. § 61 Abs. 2 Nr. 1 NSchG

Der partielle Unterrichtsauschluss wurde erst 2011 in Niedersachsen eingeführt und hat (ähnlich wie in Hessen, wo es eine vergleichbare Regelung gibt) kaum praktische Bedeutung.

Denkbar ist diese Ordnungsmaßnahme eigentlich nur, wenn es in dem konkreten Fach/Fächern ernsthafte Probleme gibt, sodass man den Schüler hiervon ausschließt. Auch die praktische Durchführung ist problematisch, da der ausgeschlossene Schüler ja im Übrigen in der Schule ist, d. h., die Schule muss für Ersatzunterricht oder Beaufsichtigung sorgen.

Überweisung in eine Parallelklasse in Niedersachsen gem. § 61 Abs. 2 Nr. 3 NSchG

Eine dauerhafte Überweisung in eine Parallelklasse unterliegt pädagogischen Einschränkungen und ist nur dann denkbar, wenn es innerhalb der Klasse massive Probleme gibt, für die ausgerechnet dieser Schüler die Klasse verlassen muss.

Unterrichtsausschluss bis zu 3 Monaten in Niedersachsen gem. § 61 Abs. 2 Nr. 1 NSchG

Der Unterrichtsausschuss bis zu 3 Monaten ist durchaus beachtlich, wenn man berücksichtigt, dass beispielsweise Hessen, NRW und Rheinland-Pfalz maximal einen 2-wöchigen Unterrichtsausschluss als Höchststrafe kennen!

Der Unterrichtsausschluss bis zu 3 Monaten ist die häufigste Ordnungsmaßnahme in Niedersachsen. Auf diese Weise kann man sich nämlich bequem bestehender Probleme kurzerhand entledigen und Druck auf die Eltern ausüben, die damit meist größere Probleme als der betroffene Schüler selbst haben.

Selbst wenn der Unterrichtsausschluss erst einmal mit ein paar Tagen oder einer Woche beginnen sollte, darf man nicht vergessen, dass der Ausspruch eines Unterrichtsausschlusses bereits eine gravierende Ordnungsmaßnahme ist und eine erhebliche Hemmschwelle überschritten werden muss, diesen auszusprechen. Und ist diese Hemmschwelle erst einmal überschritten, geht es erfahrungsgemäß weiter ...

Man sollte sich deshalb immer (professionell) wehren, wenn Unterrichtsausschlüsse ausgesprochen werden. Unterrichtsausschlüsse sind in ganz Deutschland mein Haupttätigkeitsgebiet bei Ordnungsmaßnahmen und es zeigt sich, dass man zumindest für die Zukunft immer gute Chancen auf eine Beruhigung der Situation hat, wenn man einen Fuß in die Tür bekommt.

Überweisung an eine andere Schule in Niedersachsen gem. § 61 Abs. 2 Nr. 5 NSchG

Die Überweisung an eine andere Schule beendet die Schulzeit an der bisherigen Schule und ist damit die gravierendste Ordnungsmaßnahme in Niedersachsen.

Diese Mentalität ist nicht selbstverständlich, denn bis 2011 stand die Überweisung an eine andere Schule im Rang unterhalb des Unterrichtsausschlusses. Niedersachsen hat allerdings nunmehr diese Sichtweise den anderen Bundesländern angepasst und die Überweisung an eine andere Schule als schwerwiegendere Maßnahme als einen Unterrichtsausschluss geregelt.

Bei der Überweisung an eine andere Schule braucht der Schüler (sofern er dies hinnimmt) nichts weiter zu tun, da er direkt eine neue Schule zugewiesen erhält.

Möchte man nicht von der Schule fliegen, dann muss man sich so schnell als möglich dagegen wehren, da durch die Überweisung direkt ein neuer Schulort zustande kommt, also vollendete Tatsachen geschaffen werden!

Verweisung von der Schule in Niedersachsen gem. § 61 Abs. 2 Nr. 5 NSchG

Die Verweisung von der Schule unterscheidet sich von der Überweisung von der Schule nur darin, dass man sich selbst um eine neue Schule kümmern soll.

Nur ändert dies im Ergebnis auch nichts, denn wenn keine Schule aufnahmebereit ist, dann muss die Landesschulbehörde eine Zuweisung durchführen. Die Verweisung von der Schule ist gegenüber der Überweisung von der Schule demnach nichts als Schikane.

Verweisung von allen Schulen in Niedersachsen gem. § 61 Abs. 2 Nr. 6 NSchG

Dies kommt in der Praxis wegen des Rechts auf Bildung so gut wie nicht vor.

Die Anordnung der Ordnungsmaßnahmen gem. § 61 Abs. 5 & § 61 Abs. 7 Niedersächsisches Schulgesetz

Die Anordnung der Ordnungsmaßnahmen erfolgt durch die Klassenkonferenz, ggf. auch durch eine Teilkonferenz. In § 61 Abs. 5 heißt es:

Über Ordnungsmaßnahmen entscheidet die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleitung. Die Gesamtkonferenz kann sich, einer Bildungsgangs- oder Fachgruppe oder einer Teilkonferenz nach § 35 Abs. 3 

  1. die Entscheidung über bestimmte Maßnahmen oder
  2. die Genehmigung von Entscheidungen über bestimmte Maßnahmen allgemein vorbehalten.

Darüber hinaus ist sind für die Überweisung in eine andere Klasse sowie die Überweisung in eine andere Schule die weitergehenden Anforderungen des § 61 Abs. 7 NSchG zu beachten:

Die Überweisung in eine Parallelklasse bedarf der Zustimmung der Schulleitung, die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform, die Verweisung von der Schule und die Verweisung von allen Schulen bedürfen der Genehmigung der Schulbehörde, die für die bislang besuchte Schule zuständig ist.

Anhörung und Beteiligung von Schülern und Eltern gem. § 61 Abs. 6 Niedersächsisches Schulgesetz

Sowohl unter pädagogischen als auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sind die Betroffenen und deren Eltern anzuhören und dann erst über die Ordnungsmaßnahme zu entscheiden. Eine Besonderheit in Niedersachsen besteht darin, dass sich Schüler durch einen Vertrauenslehrer und einen Schüler unterstützen lassen können:

Der Schülerin oder dem Schüler und ihren oder seinen Erziehungsberechtigten ist Gelegenheit zu geben, sich in der Sitzung der Konferenz, die über die Maßnahme zu entscheiden hat, zu äußern. Die Schülerin oder der Schüler kann sich sowohl von einer anderen Schülerin oder einem anderen Schüler als auch von einer Lehrkraft ihres oder seines Vertrauens unterstützen lassen. 

Eine volljährige Schülerin oder ein volljähriger Schüler kann sich auch von ihren oder seinen Eltern oder von einer anderen volljährigen Person ihres oder seines Vertrauens unterstützen lassen.

Auf Basis der Anhörung hat die Schule dann verschiedene Darstellungen und muss diese aufklären und dann eine Entscheidung treffen.

Voraussetzungen für Ordnungsmaßnahmen gem. § 61 Abs. 4 Niedersächsisches Schulgesetz

Bei niederschwelligen Ordnungsmaßnahmen genügt jedes Fehlverhalten – natürlich in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Ab der Größenordnung Unterrichtsausschluss gilt § 61 Abs. 4 NSchG:

Eine Maßnahme nach Absatz 3 Nrn. 3 bis 6 setzt voraus, dass die Schülerin oder der Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat.

Auch hier ergeben sich Schranken natürlich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

So etwas wie einen „schulischen Bußgeldkatalog“ gibt es nicht, da es sich um individuelle Geschehnisse handelt. Als erfahrener Anwalt für Schulrecht kann ich bei Rückfragen natürlich Einschätzungen geben.

Rechtsschutz gegen Ordnungsmaßnahmen in Niedersachsen

In Niedersachsen hat der Widerspruch gegen die Anordnung von Ordnungsmaßnahmen keine aufschiebende Wirkung hat, d. h., selbst wenn man Widerspruch einlegt, wird weiter vollzogen bis über den Widerspruch entschieden ist, was meist sehr lange dauert. Insofern bringt ein Widerspruch meist gar nichts.

Um sich effektiv zu wehren, sollte man demnach versuchen, dass erst gar keine Ordnungsmaßnahme erlassen wird. Wenn dies nicht gelingt, besteht meist nur noch die Möglichkeit, die Ordnungsmaßnahme im Rahmen eines gerichtlichen Eilantrags zu stoppen, denn haben Schulen erst einmal eine Entscheidung getroffen, rücken sie nur schwer wieder davon ab.

Bei Anfragen wegen Ordnungsmaßnahmen handele ich demnach immer sofort, da dies die größten Chancen beinhaltet. Notfalls 24/7. Weitere Informationen zur Ordnungsmaßnahmen erhalten Sie über meine Website www.ordnungsmassnahmen-schule.de.

Rechtsanwalt Andreas Zoller

Anwalt für Schulrecht


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