Achtung Stolperfalle: Vom Irrglauben „Mein Ehegatte erbt doch sowieso alles“

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Der Irrglaube, dass der längerlebende Ehegatte automatisch alleiniger Erbe wird, führt oft zu Rechtsstreitigkeiten. Der längerlebende Ehegatte erbt alles nur, wenn keine Verwandten ersten oder zweiten Grades oder Großeltern des Verstorbenen vorhanden sind, was selten der Fall ist. Mindestens ein Kind des Verstorbenen schließt die Alleinerbschaft des Ehepartners aus. Die Erbquote hängt vom Güterstand der Ehe ab. Bei zerbrochenen Familienverhältnissen und unbekannten Verwandten kommt es nicht zur Alleinerbschaft. Das Nachlassgericht prüft vorhandene Verwandte, was Überraschungen für den längerlebenden Ehegatten bringen kann. Ein Beispiel zeigt die Folgen, wenn vermeintliche Alleinerben vorhandene Verwandte ignorieren: Ein Mann wurde nach dem Tod seiner Frau und der Aussschlagung der Kinder und anderer Erbberechtigter nicht alleiniger Erbe, sondern teilte das Erbe mit entfernten Verwandten. Dies demonstriert, wie wichtig Stammbaumforschung und Transparenz im Erbfall sind. Wer sicherstellen möchte, dass ungewünschte Verwandte nicht erben, sollte ein Testament aufsetzen.


Es herrscht ein weitverbreiteter Irrglaube, dass ein Testament zwischen Eheleuten nicht nötig sei, denn der längerlebende Ehegatte sei auch ohne Testament alleiniger (gesetzlicher) Erbe desjenigen Ehegatten, der zuerst verstirbt.

Dieser Irrglaube war schon oft ein Anlass für die irrenden Erben, die Annahme oder auch die Ausschlagung eines Erbes anzufechten.


Wann der längerlebende Ehegatte alles erbt


Der Ehegatte wird nur dann alleiniger gesetzlicher Erbe, wenn der vorverstorbene Ehegatte (Erblasser) weder Verwandte der ersten Ordnung des Erblassers (das sind dessen Abkömmlinge, also Kinder, Enkel und Urenkel) noch Verwandte der zweiten Ordnung des Erblassers (das sind dessen Eltern und deren Abkömmlinge, also Geschwister, Nichten/Großnichten, Neffen/Großneffen) noch Großeltern des Erblassers vorhanden sind.

Der Fall ist eher selten gegeben….


Umgekehrt: Wann der längerlebende Ehegatte sich das Erbe teilen muss


Aus dem vorigen Absatz folgt:


Hat der vorverstorbene Ehegatte mindestens ein (leibliches oder adoptiertes) Kind, dann ist eine alleinige Erbschaft seitens des längerlebenden Ehegatten schon deshalb ausgeschlossen. Die Erbquote des Längerlebenden neben dem Kind oder neben den Kindern des Erblassers ist dann abhängig von dem Güterstand, in dem die Eheleute zuletzt verheiratet waren.


Aber auch wenn der Erblasser keine Kinder hatte, wird der längerlebende Ehegatte kein alleiniger Erbe, wenn, wie gesagt,  „irgendwo da draußen“ noch Verwandte der zweiten Ordnung des Erblassers oder gar Großeltern vorhanden sind. Die Erbquote des Ehegatten bestimmt sich dann wiederum danach, in welchem Güterstad die Eheleute zuletzt verheiratet waren.


Warum es unabdingbar ist, Stammbaumforschung zu betreiben bzw. die Verwandtschaft des Verstorbenen im Blick zu behalten


Es kommt häufiger vor, dass Menschen alle Verbindungen zu ihren Familienmitgliedern abgebrochen haben und auch ihrem Ehepartner nur wenig oder gar nichts über ihre Familie erzählen. Abgerissene Familienverhältnisse bewirken aber noch keine gesetzliche Alleinerbschaft.


Der längerlebende Ehegatte sollte sich daher nicht zu früh freuen: Das Nachlassgericht wird ihn in jedem Fall zu noch vorhandenen Verwandten des Erblassers befragen, wenn es um die Eröffnung des Testaments geht oder wenn ein Erbschein beantragt wird.


Was geschehen kann, wenn ein vermeintlicher Alleinerbe noch lebende Verwandte nicht berücksichtigt


Ein Ehepaar, verheiratet im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, hatte zwei Kinder und einige Enkel. Die Frau verstarb ohne ein Testament, so dass die gesetzliche Erbfolge eintrat: Der Mann wurde Erbe zu ein Halb und die beiden Kinder erbten zu je einem Viertel.


Die Frau hatte durchaus einige Vermögenswerte hinterlassen. Ihrem Mann schwante, dass er diese mit den beiden Kindern würde teilen müssen, was er aber nicht wollte: Zum einen befürchtete er, „zu kurz zu kommen“, zum anderen dachte er sich, dass seine Kinder dann halt nach seinem Tod „alles bekämen“. Und so schwindelte er den Kindern vor, dass die Frau und Mutter nur Schulden hinterlassen habe. Die Kinder glaubten dies und schlugen das Erbe jeweils aus. Nach ihnen schlugen auch die Nächstberufenen, also ihre Ehegatten und Kinder, das Erbe jeweils aus. Das Nachlassgericht hatte einiges zu tun…


Infolge der Erbausschlagungen wurde der Mann keineswegs, wie erhofft, alleiniger gesetzlicher Erbe. Vielmehr erbte er nur zu drei Vierteln; das letzte Viertel durften sich die vier Geschwister der Frau teilen, die zum Teil im Ausland lebten und zu denen sie längst keinen Kontakt mehr gehabt hatte. Als der Mann von Seiten des Nachlassgerichts davon erfuhr, dass er nun vier weitere, ihm zudem noch fremde Miterben hatte, bereute er seine Lüge zutiefst und beichtete diese seinen Kindern.

Den Kindern der Erblasserin blieb nichts anderes übrig als erneut zum Nachlassgericht zu gehen und die Erbausschlagungen anzufechten.


TIPP:


Wenn Sie keine Kinder haben und missliebige Verwandte unbedingt von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen wollen, dann errichten Sie auf jeden Fall ein Testament!

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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