Ärztliches Berufsrecht
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Unter ärztlichem Berufsrecht versteht man alle gesetzlichen Regelungen, die den Beruf des Arztes betreffen.
Das ärztliche Berufsrecht befasst sich insbesondere mit dem Zugang zu den Heilberufen und den Rechten und Pflichten der Berufsausübung. Es regelt wer Arzt ist, wie man Arzt wird, welche Rechten und Pflichten man dann als Arzt hat und zu welchen Folgen ein Verstoß gegen diese Pflichten schlussendlich führt.
Das Berufsrecht umfasst damit in erster Linie das öffentliche Recht der Berufszulassung und Berufsausübung.
Es gibt kein eigenes (zusammenhängendes) Gesetz, welches das Berufsrecht der Ärzte in seiner Gesamtheit regelt. Es gibt aber verschiedene Gesetze, die jeweils einzelne Teilbereiche regeln. Die Regelungen des Arztberufs sind somit weit verstreut im Landes- und Bundesrecht.
Nach dem Facharzt-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1972 umfasst der Begriff des ärztlichen Berufs ausschließlich die Berufe des Arztes, des Zahnarztes und des Tierarztes. Im vorliegenden Kapitel werden jedoch nur die Normen des klassischen Arztberufes behandelt, während die der Zahn- und Tierärzte an anderer Stelle behandelt werden.
1. Berufszulassung
Für die Ärzte ergeben sich die wesentlichen Voraussetzungen aus der Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung für Ärzte. In den Bundesgesetzen finden sich Regelungen zur Erteilung, zur Zurücknahme und zum Verlust der Approbation (geregelt wird das an dieser Stelle das Berufszugangsrecht). Diese Bundesgesetze sind die Bundesärzteordnung (BÄO) und die Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO).
Nach der BÄO ist ein Arzt jemand, der die Heilkunde unter der Bezeichnung Arzt ausüben darf. Um sich als Arzt zu bezeichnen, ist eine entsprechende Approbation erforderlich. Unter den Begriff des Arztes fallen auch Zahn- und Tierärzte.
§ 2 der Bundesärzteordnung bestimmt, dass für die Ausübung des ärztlichen Berufes die Approbation als Arzt notwendig ist. Diese wird nach § 3 Bundesärzteordnung auf Antrag erteilt, wenn die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu zählen insbesondere der erfolgreiche Abschluss des Medizinstudiums und es dürfen weder Unwürdigkeit noch Unzuverlässigkeit in der Person des Bewerbers vorliegen.
2. Berufsausübung
Die Regelungen zur Berufsausübung sind Ländersache. Der Landesgesetzgeber erlässt Heilberufs- und Kammergesetze. In den Ländergesetzen finden sich dementsprechend Regelungen zur ärztlichen Weiterbildung und zu Sanktionen bei Verstößen gegen die Berufspflichten (geregelt wird an dieser Stelle das Berufsausübungsrecht).
Nach Maßgabe der jeweiligen Kammergesetze für die Heilberufe beschließen die Ärztekammern der Länder auf der Basis der vom Deutschen Ärztetag beschlossenen und weiterentwickelten (Muster-) Berufsordnung die, für die Mitglieder der jeweiligen Kammer rechtsverbindlichen, ärztlichen Berufsordnungen.
In diesen Berufsordnungen sind dann die ärztlichen Berufspflichten niedergelegt. Sie betreffen allgemeine ethische Anforderungen, Pflichten gegenüber Patientinnen und Patienten und Regeln über die ärztliche Berufsausübung, berufliche Kooperationen, Berufsausübungsgemeinschaften, die Anstellung von Ärzten, die berufliche Kommunikation und die Grenzen zulässiger Werbung.
Die beruflichen Rechte und Pflichten der Ärzte ergeben sich sowohl aus Bundes- als auch aus Landesgesetzen. Diese sind das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Strafgesetzbuch (StGB), das Grundgesetz (GG) sowie die Berufsordnungen der Landesärztekammern (z.B. Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO)).
Darüber hinaus ergeben sich für Krankenhausärzte zusätzliche Regelungen aus dem Krankenhausrecht, für Vertragsärzte aus dem Vertragsarztrecht und für Amtsärzte aus dem Beamtenrecht.
Laut der BÄO üben Ärzte einen freien Beruf aus. Ein freier Beruf kennzeichnet sich durch eine besondere berufliche Qualifikation, geistig ideelle Leistungen, berufsrechtliche Bindungen durch Gesetz oder Satzungen, ein hohes Maß an Verantwortlichkeit sowie die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Aufgaben aus. Der letzte Punkt ist auch bei Ärzten in einem Anstellungsverhältnis anzunehmen, denn die Eigenverantwortlichkeit meint nicht eine organisatorische Unterweisung, sondern das eigenverantwortliche Handeln in dem Moment, in dem der Arzt dem Patienten gegenübersteht und im Interesse des Patienten handeln muss.
a. Pflichten
Die Grundpflicht eines jeden Arztes ist, seinen ärztlichen Heilauftrag zu erfüllen. Nach der BÄO bedeutet dies, der Gesundheit des Einzelnen und des gesamten Volkes zu dienen. Der Arzt muss dabei stets den Regeln der Kunst folgen, also nach aktuellem medizinischem Standard handeln. Er ist dabei seinem Gewissen unterworfen.
Darüber hinaus bestehen für den Arzt Pflichten zur Untersuchung und Behandlung des Patienten. Hierbei ist zu beachten, dass auch der Arzt eine Vertragsfreiheit hat, also nicht mit jedem Patienten einen Vertrag schließen muss. Die Untersuchungs- und Behandlungspflicht schließt auch die Pflicht ein, Hausbesuche durchzuführen zu müssen, wenn der Patient weder in der Lage ist, selbst den Arzt aufzusuchen, noch so schwer erkrankt ist, dass er sofort in ein Krankenhaus müsste. Hierin ist ebenfalls die Pflicht enthalten, Notfalldienste wahrzunehmen.
Weiterhin besteht für jeden Arzt eine Fortbildungspflicht. Das bedeutet, dass er sich stets in dem Umfang fortzubilden hat, wie es die Erhaltung und Entwicklung seiner Fachkenntnisse, die er zur konkreten Berufsausübung benötigt, erfordert (§ 4 Abs. 1 MBO-Ä).
Den Arzt trifft auch eine Schweigepflicht hinsichtlich aller Informationen, die er über den Patienten aufgrund der Behandlung erlangt. Sie ist in § 9 MBO-Ä geregelt und gilt auch gegenüber den Angehörigen des Patienten. Aufgrund der Schweigepflicht steht dem Arzt sowohl in einem Strafprozess als auch in einem Zivilprozess des Patienten das Recht zu, seine Aussage zu verweigern (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 Strafprozessordnung (StPO), § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung). Nach § 97 StPO dürfen in einem Strafprozess auch keine Unterlagen des Patienten beim Arzt beschlagnahmt werden. Verstößt der Arzt gegen seine Schweigepflicht, kann er sich gemäß § 203 Strafgesetzbuch strafbar machen. Rechtliche Probleme zur Frage der Schweigepflichtverletzung stellen sich dann, wenn Datenaustausch zwischen Kranken-, Rente-, Unfall- und Pflegeversicherung erfolgt. Der Patient kann in die Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht einwilligen.
Darüber hinaus besteht für jeden Arzt eine Dokumentationspflicht. Diese ist in § 10 MBO-Ä geregelt. Sie verlangt, dass Ärzte das körperliche Befinden des Patienten sowie die Umstände und den Verlauf der durchgeführten Behandlung aufzeichnen. Eine Dokumentation der Aufklärung ist nicht erforderlich. Insofern ist zu beachten, dass die hier beschriebene Dokumentationspflicht als berufsrechtliche Pflicht des Arztes von der, aus dem Behandlungsvertrag resultierenden Dokumentationspflicht, die anschließenden Beweisführungszwecken dienen soll, zu unterscheiden ist.
b. Verbote
Nach § 3 MBO-Ä ist es Ärzten verboten, ihren Namen für gewerbliche Zwecke herzugeben (sogenanntes Gewerblichkeitsverbot).
Besondere Bedeutung kam in den letzten Jahren den Regeln zur Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit zu, wenn es um die Zusammenarbeit mit Dritten ging (andere Ärzte, Medizinproduktehersteller etc.). Ziel aller Berufsordnungen ist es, ein unzulässiges „Kick back“ zu unterbinden.
Nach § 31 MBO-Ä ist Ärzten und Krankenhausträgern ein Cash Back Verfahren untersagt. Dieses bedeutet, dass sich ein Arzt für die Überweisung seiner Patienten an andere Personen Prämien zusichern lässt (oftmals auch als Kopfpauschale bezeichnet). Entsprechende Kliniken bezahlen dann Fangprämien an Ärzte für erfolgte Überweisungen an sich. Die unzulässige Zusammenarbeit mit Leistungserbringern über sogenannte Depots ist Vertragsärzten nach § 128 SGB V untersagt.
Seit 2002 ist Ärzten nicht mehr generell jede Art von Werbung untersagt, sondern nur noch die sogenannte berufswidrige Werbung (§ 27 MBO-Ä). Das bedeutet, dass ihnen eine sachliche und berufsbezogene Werbung nunmehr erlaubt ist, eine irreführende oder vergleichende Werbung hingegen verboten bleibt. Werbung umfasst dabei jedes Verhalten, welches das Ziel hat, andere Personen für die eigenen Leistungen zu gewinnen. Sie umfasst somit jede Information über die eigene Tätigkeit und damit auch sämtliche Merkblätter und Internetauftritte. Gegen eine dann wettbewerbswidrige Werbung können neben der Ärztekammer auch die betroffenen konkurrierenden Ärzte vorgehen.
c. Ahndung berufsrechtlicher Verstöße
Zuständig für die Ahndung berufsrechtlicher Verstöße sind die Berufsgerichte, die es im Zuständigkeitsbereich jeder einzelnen Landesärztekammer gibt. Sie befinden sich zumeist bei den Verwaltungsgerichten, in Bayern und Sachsen bei den Zivilgerichten und in Baden-Württemberg, Niedersachsen und dem Saarland stellen sie eigene Gerichte dar. In erster Instanz sind die Bezirksberufsgerichte, in zweiter Instanz die Landesberufsgerichte zuständig.
Ein Verfahren kann nur von der Landesärztekammer oder dem Arzt, der eines Verstoßes verdächtig ist, eingeleitet werden. Daraufhin nimmt der Vorstand der Landesärztekammer oder der Kammeranwalt die Ermittlungen des Sachverhalts auf. Ergeben sich genügend Hinweise auf einen tatsächlichen und nicht unerheblichen Verstoß durch den Arzt, wird ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Die Öffentlichkeit wird von dem Verfahren meist ausgeschlossen. Der Arzt, gegen den das Verfahren eingeleitet wurde, kann sich dem Verfahren nur noch durch Verzicht auf seine Approbation entziehen.
Sofern sich der gegen den Arzt vorgebrachte Verdacht im Verfahren bestätigen sollte, sind mögliche Folgen:
eine Warnung,
ein Verweis,
die Auferlegung einer Geldbuße,
die Aberkennung der Mitgliedschaft in einem Kammerorgan (nicht aber der Kammer selbst) oder
die Aberkennung des Wahlrechts oder der Wählbarkeit für ein Kammerorgan.
Die möglichen Sanktionen richten sich nach den Bestimmungen des jeweiligen Landeskammergesetzes (z.B. Berliner Kammergesetz - BerlKG).
Ein solches berufsrechtliches Verfahren darf nicht eingeleitet werden, wenn schon ein Strafverfahren gegen den Arzt wegen desselben Verdachts eingeleitet wurde. Wurde das Verfahren vor dem Berufsgericht zuerst eingeleitet, wird es ruhend gestellt, bis eine Entscheidung im Strafverfahren erfolgte. Eine Verurteilung in der gleichen Sache ist allerdings auch anschließend nicht möglich.
Spricht die Ärztekammer eine Rüge aus, ist hiergegen der Rechtsweg vor dem Verwaltungsgericht und nicht vor dem Berufsgericht zu beschreiten.
Verstöße durch verbeamtete Ärzte werden zumeist vorrangig durch Disziplinargerichte geahndet.
Verstößt ein Vertragsarzt gegen besondere vertragsärztliche Pflichten, kann ihn die kassenärztliche Vereinigung verwarnen oder ein Ruhen seiner Zulassung von bis zu zwei Jahren anordnen. Der betroffene Vertragsarzt kann dagegen vor dem Sozialgericht klagen.
3. Facharzt
Bei der Behandlung eines Patienten gilt in Deutschland der Facharztstandard, d. h. eine ärztliche Behandlung muss nach dem anerkannten und gesicherten Standard der wissenschaftlichen Medizin so erbracht werden, wie dies auch durch einen sorgfältig arbeitenden Facharzt geschehen wäre.
Ein Facharzt ist ein Arzt mit einer anerkannten Weiterbildung auf einem medizinischen Fachgebiet.
Facharzt darf sich in Deutschland nur derjenige Arzt nennen, der eine mehrjährige und gemäß EU-Vorgaben in Vollzeit mindestens fünfjährige (in wenigen nicht-klinischen Fachrichtungen wie Physiologie oder Biochemie vierjährige) Weiterbildung abgeschlossen und mit einer Facharztprüfung vor einer Landesärztekammer erfolgreich beendet hat. Zur Dauer, dem Weiterbildungsinhalt und der Anrechnung von Vorzeiten erlassen die Landesärztekammern in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich eine entsprechende Weiterbildungsordnung, welche sich an der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer orientiert.
Liste der medizinischen Fachgebiete (Muster-Weiterbildungsordnung, November 2018), wobei die einzelnen Gebiete teilweise in verschiedene Facharztbereiche und Schwerpunkte (SP) unterteilt sind:
Allgemeinmedizin
Anästhesiologie
Anatomie
Arbeitsmedizin
Augenheilkunde
Biochemie
Chirurgie
Allgemeine Chirurgie
Gefäßchirurgie
Herzchirurgie
Kinderchirurgie
Orthopädie und Unfallchirurgie
Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
Thoraxchirurgie
Viszeralchirurgie
Frauenheilkunde und Geburtshilfe
SP Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
SP Gynäkologische Onkologie
SP Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Haut- und Geschlechtskrankheiten
Humangenetik
Hygiene und Umweltmedizin
Innere Medizin
Innere Medizin
Innere Medizin und Angiologie
Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
Innere Medizin und Gastroenterologie
Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
Innere Medizin und Kardiologie
Innere Medizin und Nephrologie
Innere Medizin und Pneumologie
Innere Medizin und Rheumatologie
Kinder- und Jugendmedizin
SP Kinder-Hämatologie und -Onkologie
SP Kinder-Kardiologie
SP Neonatologie
SP Neuropädiatrie
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Laboratoriumsmedizin
Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
Neurochirurgie
Neurologie
Nuklearmedizin
Öffentliches Gesundheitswesen
Pathologie
Neuropathologie
Pathologie
Pharmakologie
Klinische Pharmakologie
Pharmakologie und Toxikologie
Phoniatrie und Pädaudiologie
Physikalische und Rehabilitative Medizin
Physiologie
Psychiatrie und Psychotherapie
SP Forensische Psychiatrie
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Radiologie
SP Kinderradiologie
SP Neuroradiologie
Rechtsmedizin
Strahlentherapie
Transfusionsmedizin
Urologie
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