AG Aachen: Nutzungsausfallentschädigung auch bei Nutzung des Elternfahrzeugs

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Das Amtsgericht Aachen hatte darüber zu entscheiden, ob dem Geschädigten eines Unfall Nutzungsausfallentschädigung auch dann verlangen kann, wenn ihm bis zur Ersatzbeschaffung des Fahrzeuges das Fahrzeug eines Verwandten zur Verfügung steht.

In dem konkreten Fall wurde das Fahrzeug der Klägerin bei einem Verkehrsunfall am 12.10.2009 beschädigt. Am Unfalltag wurde ein Sachverständiger mit der Bewertung des Unfallschadens beauftragt und bis zum 20.11.2009 ein Mietwagen angemietet. Am 26.10.2009 ging der Klägerin das am selben Tag erstellte Gutachten des Sachverständigen zu. Am 12.11.2009 erwarb die Klägerin sodann ein Neufahrzeug.

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers regulierte in der Folge den Fahrzeugschaden und erstattete die Mietwagenkosten.

Nicht erstattet wurde die von der Klägerin geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 21.10. bis 11.11.2009.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, Nutzungsausfall sei unter anderem deshalb nicht geschuldet, weil die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, in der Zeit vom 22.10. bis 26.10.2009 das Fahrzeug ihrer Eltern zu nutzen, die während dieser Zeit im Urlaub waren.

Außerdem hätte sich die Klägerin bei dem Sachverständigen nach dem Verbleib des Gutachtens erkundigen müssen.

Das Gericht teilte in der von dem Autor dieses Beitrages für die Klägerin erstrittenen Entscheidung diese Auffassung nicht (Urteil v. 29.09.2010 - 110 C 128/10):

Zum einen habe die Klägerin nachweisen können, dass der Sachverständige telefonisch und per E-Mail an die Übersendung des Gutachtens erinnert worden sei.

Es entspräche herrschender Meinung in der Rechtsprechung, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich erst den Eingang des von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens abwarten dürfe, wobei diese Zeit als Nutzungsausfall hinsichtlich seines unfallbeschädigten Fahrzeugs anzusehen sei.

Zum anderen müsse sich die Klägerin auch nicht anrechnen lassen, dass ihr in der Zeit vom 22.10. bis 26.10.2009 das Fahrzeug ihrer Eltern zur Verfügung stand. Denn die Möglichkeit der Nutzung eines Fahrzeugs von Verwandten eines Geschädigten stelle im Regelfall keine Beseitigung eines Nutzungsausfallschadens für diesen Zeitraum da.

Es sei zwar von der Rechtsprechung entschieden worden, dass Nutzungsausfall nicht gefordert werden könne, wenn der Geschädigte über mindestens ein zweites zu der Zeit ungenutztes Fahrzeug verfüge, dessen ersatzweiser Einsatz ihm zuzumuten sei. Die im vorliegenden Fall bestehende Möglichkeit der Nutzung eines Fahrzeuges eines Angehörigen sei aber nicht gleich zu behandeln wie das Vorhandensein eines Zweitwagens.

Der Unterschied bestehe in erster Linie schon darin, dass die Klägerin kein eigenes Fahrzeug nutzen konnte, sondern sich ein Fahrzeug von einem Dritten leihen musste und auf dessen freiwillige Bereitschaft angewiesen war.

Von entscheidender Bedeutung sei zudem, dass kein Grund bestehe, die Leistung der Eltern, der Klägerin ihr Fahrzeug zu überlassen, der Beklagten zu Gute kommen zu lassen. Denn entscheidend sei der Grundsatz, dass Opfer anderer im Allgemeinen den Schädiger nicht entlasten sollen. Es würde auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung des Schädigers hinauslaufen, wenn die Ersatzleistung eines Dritten, die auf Beziehungen zwischen diesem und dem Geschädigten zurückgeht, die den Schädiger daher nichts angeht, zu dessen Gunsten berücksichtigt würde.

Die Beklagte wurde daher antragsgemäß zur Zahlung der begehrten Nutzungsentschädigung verurteilt.


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