Verkehrsunfall - Nutzungsausfall
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Verkehrsunfall und lange Reparaturdauer – Wer zahlt den Nutzungsausfall?
Ein Autounfall ist oft erst der Beginn einer langen Auseinandersetzung – nicht nur mit der gegnerischen Versicherung, sondern auch mit der Werkstatt. Besonders ärgerlich wird es, wenn sich die Reparatur erheblich verzögert. Fehlende Ersatzteile, lange Wartezeiten – und der Geschädigte steht ohne sein Fahrzeug da. Wer kommt für die Nutzungsausfallentschädigung auf, wenn die Reparatur nicht wie geplant in wenigen Tagen abgeschlossen ist, sondern sich über Wochen oder gar Monate hinzieht?
Ein wegweisendes Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az.: I-1 U 46/20) stellt klar: Auch bei außergewöhnlich langen Reparaturzeiten bleibt der Schädiger verpflichtet, Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen – selbst bei 104 Tagen Ausfall.
Der Fall: 104 Tage Ausfall wegen fehlendem Airbag-Modul
Die Klägerin war unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Die Haftung der gegnerischen Versicherung war dem Grunde nach unstreitig. Doch dann folgte die böse Überraschung: Statt der im Gutachten angesetzten vier Tage zog sich die Reparatur auf insgesamt 104 Tage hin. Ursache war die verzögerte Lieferung eines Airbag-Moduls für die Beifahrerseite.
Die Geschädigte verlangte Nutzungsausfallentschädigung – 79 Euro pro Tag. Die Versicherung verweigerte die Zahlung mit dem Argument, die Geschädigte habe ihre Schadensminderungspflicht verletzt. Sie hätte sich selbst um schnellere Beschaffung der Ersatzteile oder die Beauftragung einer anderen Werkstatt bemühen müssen.
Das Urteil: Versicherung haftet für gesamte Ausfallzeit
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied zugunsten der Geschädigten und stellte klare Leitlinien auf:
Verzögerungen bei der Reparatur, die nicht der Geschädigte zu vertreten hat, gehen zu Lasten des Schädigers.
Die Klägerin konnte Nutzungsausfall für die vollen 104 Tage geltend machen.Keine Pflicht zur Eigeninitiative:
Der Geschädigte muss sich nicht selbst aktiv um Ersatzteile kümmern oder nach anderen Werkstätten suchen. Er darf auf die Kompetenz der beauftragten Werkstatt vertrauen.Keine Teilreparaturpflicht:
Gerade bei sicherheitsrelevanten Bauteilen wie Airbags muss sich der Geschädigte nicht auf eine Teilreparatur einlassen.Ersatzfahrzeug aus dem Familienkreis unschädlich:
Die vorübergehende Nutzung eines Fahrzeugs von Familienmitgliedern schmälert den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht. Eine solche Leihgabe entlastet den Schädiger nicht.
Bedeutung für Unfallgeschädigte
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stärkt die Position von Geschädigten erheblich:
- Auch lange Reparaturzeiten sind zu entschädigen: Selbst wenn die Reparatur Monate dauert, bleibt der Nutzungsausfallanspruch bestehen.
- Kein Eigenengagement erforderlich: Geschädigte sind nicht verpflichtet, die Ersatzteilbeschaffung oder Werkstattauswahl zu hinterfragen.
- Freiwillige Hilfe Dritter ist irrelevant: Wer während der Ausfallzeit ein Fahrzeug von Familie oder Freunden nutzt, muss keine Kürzungen hinnehmen.
Unsere Empfehlung für Geschädigte
Als Rechtsanwälte für Verkehrsrecht wissen wir aus der Praxis: Versicherungen versuchen oft, den Nutzungsausfall bei langen Reparaturen abzuwehren. Wir raten Ihnen:
- Dokumentieren Sie die Reparaturdauer und Verzögerungsgründe.
- Lassen Sie sich von der Werkstatt Zwischenstände und Lieferschwierigkeiten schriftlich bestätigen.
- Verlassen Sie sich auf Ihre Werkstatt – eine eigene Ersatzteilsuche ist nicht erforderlich.
- Nehmen Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch, wenn die Versicherung kürzen will.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bringt Klarheit: Eine lange Reparaturdauer darf nicht zulasten des Geschädigten gehen. Solange die Verzögerung nicht selbst verschuldet ist, bleibt der Anspruch auf Nutzungsausfall bestehen – auch über viele Wochen oder Monate.
Urteil:
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2021, Az.: I-1 U 46/20
Kontaktieren Sie uns – Ihre Experten im Verkehrsrecht Wir, die Verfasser dieses Beitrags, sind erfahrene Rechtsanwälte für Verkehrsrecht und setzen uns für die Rechte von Unfallgeschädigten ein.
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