Akteneinsicht: Muss gesetzlichen Krankenkassen Akteneinsicht gewährt werden?

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HELLP-Syndrom beim Neugeborenen, Az. 614/13

Chronologie:

Das Kind der Mandanten kam mit dem sog. HELLP-Syndrom zur Welt. Sie suchten anwaltlichen Rat, um gegen die Gynäkologin vorgehen zu können, da diese das Syndrom nicht rechtzeitig erkannt habe. Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen erklärte sich die Haftpflichtversicherung der Gynäkologin zu Vergleichsverhandlungen bereit. Nach Abschluss des Vergleiches trat die Krankenkasse des Geschädigten an den Rechtsanwalt heran mit der Bitte, die Schadenskorrespondenz sowie eventuelle Ergänzungsgutachten zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Mandanten ihre Zustimmung erteilt hatten, wurde der Krankenkasse Akteneinsicht gewährt.

Anmerkung:

Krankenkassen haben zunächst nur insoweit ein Einsichtsrecht, wie es § 294 a SGB V anordnet. Adressaten dieser Regelung sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie Krankenhäuser, nicht jedoch der Rechtsanwalt oder der Geschädigte. Damit ergeht hieraus kein Anspruch auf Einsicht der schadensregulierenden Korrespondenz.

Eine Auskunftspflicht ergibt sich allerdings aus dem Sozialleistungsverhältnis. Der Anspruch gegen den Geschädigten entsteht aus übergegangenem Recht nach §§ 116, 119 SGB X (Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige, Übergang von Beitragsansprüchen) i. V. m. § 402 BGB analog (Auskunftspflicht; Urkundenauslieferung), § 412 BGB (gesetzlicher Forderungsübergang) und aus § 60 SGB I (Mitwirkung des Leistungsberechtigten - Angabe von Tatsachen). Der Rückgriff nach § 116 SGB X gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Sozialleistungsträgers, an deren Durchführung die Leistungsberechtigten nach §§ 60 ff. SBG I mitzuwirken haben. Der Geschädigte ist demnach verpflichtet, dem Sozialleitungsträger die nötige Auskunft zur Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs zu erteilen, insbesondere über den Schaden und die Person des Schädigers (vgl. Kasseler Kommentar zu § 116 SBG X, Rn. 161).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet Arzthaftungsrecht

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