Akteneinsicht beantragen: So erfahren Sie, was in der Ermittlungsakte steht

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Akteneinsicht beantragen: So erfahren Sie, was in der Ermittlungsakte steht.

Sie sind Beschuldigter einer Straftat und haben bereits eine Vorladung von der Polizei oder gar eine Anklage von der Staatsanwaltschaft erhalten? In solchen Fällen gilt: Ruhe bewahren und keine voreiligen Aussagen gegenüber Behörden machen. Als Nächstes sollten Sie oder Ihr Anwalt Akteneinsicht beantragen, denn nur durch die Einsicht in die Ermittlungsakte kann die Beweislage richtig eingeschätzt und eine optimale Verteidigungsstrategie erarbeitet werden.

Die wichtigsten Fakten

  • Antrag auf Akteneinsicht dürfen Verletzte, Nebenkläger, Beschuldigte und deren Rechtsanwälte stellen.
  • Die Ermittlungsakte umfasst den gesamten Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden.
  • Mit Einschränkungen können Sie die Strafakte auch ohne Anwalt einsehen.
  • Die Akteneinsicht kann Ihnen aus bestimmten Gründen verwehrt werden.
  • Bei Ablehnung der Akteneinsicht können Sie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.

So gehen Sie vor

  1. Machen Sie als Beschuldigter in einem Strafverfahren zunächst keine Angaben zur Sache.
  2. Stellen Sie selbst oder noch besser gemeinsam mit einem erfahrenen Rechtsanwalt einen Antrag auf Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft oder dem zuständigen Gericht.
  3. Bei Verweigerung der Akteneinsicht: Legen Sie Beschwerde ein.

Frühzeitige Akteneinsicht lohnt sich

Die Akteneinsicht ist der wichtigste Schritt, wenn es darum geht, ein Strafverfahren gut vorzubereiten und bestens gegen Vorwürfe gewappnet zu sein. Vor Einblick in die Akte sollten Sie im Falle eines Strafverfahrens keinesfalls aussagen, da es zunächst wichtig ist, den Vorwurf und etwaige Beweise (Zeugenbefragungen, Fotos etc.) genau zu kennen. Je früher Sie oder Ihr Anwalt die Akte sichten, desto schneller kann die konkrete Lage eingeschätzt werden und entschieden werden, ob Sie die Vorwürfe einräumen oder bestreiten sollen.

Zu Beginn eines Strafverfahrens gilt stets: Erst informieren, dann aussagen!

Wer darf Akteneinsicht beantragen und was genau darf man?

Die Ermittlungsakte ist das „Herzstück“ des Ermittlungsverfahrens. Aufgrund der Ergebnisse der Ermittlungsakte entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren eingestellt wird oder Strafbefehl erlassen oder Anklage erhoben wird. Um sich gegen eine Anklage oder einen Strafbefehl bestmöglich zu verteidigen, ist die Kenntnis der Ermittlungsakte unerlässlich. 

Wer Akteneinsicht beantragen darf, ist in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Da die Ermittlungsakte viele sensible Daten enthält, ist in § 147 und § 406e StPO genau definiert, wer unter welchen Voraussetzungen die Akte einsehen darf.

Insbesondere folgende Personen haben die Möglichkeit, Akteneinsicht zu beantragen:

  • Beschuldigter in einem Strafverfahren
  • Anwalt des Beschuldigten (Strafverteidiger)
  • Opfer in einem Strafverfahren
  • Opferanwalt
  • Nebenkläger

Die Strafverteidigung besitzt das umfassendste Akteneinsichtsrecht.

Für die Beteiligten ergeben sich, je nachdem, welche Rolle sie im Verfahren einnehmen, unterschiedlich stark ausgeprägte Ansprüche der Einsichtnahme.

Der Strafverteidiger muss in der Lage sein, das Verfahren so gut es geht vorzubereiten. Daher ist es ihm gestattet, die Akte auch mitzunehmen und zu kopieren bzw. eine elektronische Akte zu erstellen. Außerdem hat er Zugriff auf alle Unterlagen der Akte, da von ihm weniger Gefahren ausgehen als vom Beschuldigten oder anderen Verfahrensbeteiligten. Der Strafverteidiger stellt dem Beschuldigten die Kopie der Akte zur Verfügung bzw. händigt die kopierte Akte aus.

In der Regel stellt ein Rechtsanwalt einen Antrag auf Akteneinsicht und bekommt diese zur Einsicht in die Kanzlei zugesendet. Dort wird eine Kopie angefertigt und die Akte zurückgeschickt. Das Einsichtsrecht umfasst aber auch Videoaufnahmen und Telefonmitschnitte, die dem Rechtsanwalt zugänglich gemacht werden müssen. 

Dieses umfangreiche Recht gilt jedoch nur für den Rechtsanwalt auf Beschuldigtenseite. Zwar hat das Opfer in einem Strafverfahren sowie sein Anwalt das Recht auf Akteneinsicht, allerdings nur, wenn sie berechtigtes Interesse vorweisen können. Ein Nebenkläger im Strafverfahren kann ebenfalls Akteneinsicht beantragen, um sich auf das Verfahren entsprechend vorzubereiten.

Grundsätzlich ausgeschlossen vom Recht auf Akteneinsicht sind die psychosoziale Prozessbegleitung und der Zeugenbeistand. Diese sind nur für die psychische und soziale Unterstützung der vor Gericht auftretenden Zeugen zuständig.

Was beinhaltet die Ermittlungsakte?

Wenn die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Hinweise bekommt, dass eine Straftat begangen wurde, versucht sie, den Tathergang zu ermitteln. Zu diesem Zweck legt die Polizei eine Ermittlungsakte an. Die Ermittlungsakte stellt den gesamten Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden dar. Sie bildet die Grundlage für eine mögliche Anklage oder einen Strafbefehl sowie die darauffolgende Gerichtsverhandlung. Deswegen enthält sie alle sichergestellten Beweismittel inklusive aller aufgenommenen Zeugenaussagen und Randnotizen der Ermittler.

So kann Ihre Akte zum Beispiel enthalten:

  • Schriftstücke
  • Videoaufnahmen
  • Bildaufnahmen
  • Tonaufnahmen
  • Computerdateien
  • Gutachten

Auch einschlägige Geschäftsunterlagen des Beschuldigten können bei Bedarf in die Polizeiakte aufgenommen werden. Für die Polizei ist außerdem interessant, wie sich der Angeklagte bisher verhalten hat. Dafür werden beim Bundeszentralrat die Vorstrafen abgefragt und in die Ermittlungsakte eingetragen.

Akteneinsicht beantragen – So geht es!

Die Einsichtnahme in Ihre Ermittlungsakte müssen Sie bei der zuständigen Stelle beantragen, in der Regel bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht. Dies können Sie formlos mit einem einfachen Brief tun. Sofern der Antrag genehmigt und die Einsicht gewährt wurde, können Sie bzw. Ihr Rechtsanwalt die Ermittlungsakte ganz oder teilweise einsehen.

Der Anspruch auf die Einsichtnahme der Polizeiakte umfasst sowohl die Einsicht vor Ort als auch die Mitnahme der Dokumente und Beweisstücke in anwaltliche Geschäftsräume des Rechtsanwalts.

Ein Anwalt kann Ihnen bei der Akteneinsicht am besten helfen, denn:

  • Er kann Sie sofort über die richtige Verhaltensweise im Strafverfahren informieren.
  • Er ist routiniert im Umgang mit den Ermittlungsbehörden.
  • Er kann Ihnen sämtliche Fachbegriffe in den Ermittlungsakten erklären.

Sollten Sie sich dafür entscheiden, selbst Akteneinsicht zu beantragen, müssen Sie darauf achten, den Antrag so genau wie möglich zu formulieren. Inhaltlich muss er an die zuständige Behörde gerichtet sein. Zu empfehlen ist immer, Ihr Aktenzeichen zu nennen. Dieses finden Sie in Ihrem Anschreiben, das Sie im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens erhalten, oben links. Meistens sind das Ladungen oder sogar schon die Anklage oder der Strafbefehl selbst. Das macht es der Behörde leichter, Ihre Akte schnell zu finden, wodurch Sie Zeit sparen können. Zudem ist zu empfehlen, auf das Verfahren Bezug zu nehmen, damit die Behörde gleich erkennt, wo sie ggf. suchen muss.

Ein Musterschreiben könnte beispielsweise so aussehen:

 

Ihr Name

Straße

PLZ

Name der zuständigen Behörde

Straße

PLZ

Betreff: Antrag auf Akteneinsicht

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich nach § 49 OWiG (bei Ordnungswidrigkeiten) oder § 147 StPO (bei Straftaten) die Akteneinsicht in folgende mich betreffende Akte: [Aktenzeichen].

Ich möchte die Akte bei Ihnen persönlich in Augenschein nehmen.

ODER

Ich beantrage die Zusendung der Akte an folgende zuständige Polizeidienststelle: [Dienststelle].

Mit der Bitte um Rückmeldung, wann und wo die betreffende Akte einsehbar ist.

Freundliche Grüße

[Unterschrift]

Was kostet die Akteneinsicht?

In der Regel fallen für die Beantragung der Akteneinsicht Kosten an, die der Beantragende zahlen muss.

Die Kosten für die Einholung der Akteneinsicht in Strafverfahren berechnen sich wie folgt:

  • Grundgebühr (Nr. 4100 RVG)
  • Kopierkosten (Nr. 7000 RVG)
  • Auslagenpauschale (Nr. 7002 RVG) i. H. v. 20 Euro
  • zzgl. gesetzliche USt. von derzeit 19 Prozent
  • Auslagen für Aktenversendung durch die Behörde i. H. v. 12 Euro

Rechtsanwaltskosten:

Wenn der Beschuldigte einen Rechtsanwalt mit der Akteneinsicht beauftragt, fallen zusätzlich zu den Kosten für den Antrag Anwaltskosten an. Diese sind an den Strafverteidiger zu zahlen.

PostenGebühr (in €)
Grundgebühr gem. §§ 2 Abs. 2, 14 RVG, Nr. 4100 VV RVG
200,00
Vorverfahrensgebühr gem. §§ 2 Abs. 2 RVG, 14, Nr. 4104 VV RVG
165,00
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00
Zwischensumme
385,00
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG, 19 %
73,15
Gesamt
458,15

Sonstige Kosten:

Gemäß § 107 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) fallen für die Beantragung der Akteneinsicht noch weitere Kosten an:

  • Von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, werden je durchgeführter Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben.
  • Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird keine Pauschale erhoben.

Kann die Akteneinsicht verwehrt werden?

Die Einsichtnahme in Ermittlungsakten kann eingeschränkt und in einigen Fallkonstellationen auch komplett verwehrt werden. Vorher muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob die Einsicht in die Akte nicht wenigstens teilweise gewährt werden kann. In diesem Fall werden die betroffenen Seiten, die der Beschuldigte nicht sehen darf, aus der Akte entfernt und nicht ausgehändigt.

Für alle Beteiligten gilt eingeschränktes Akteneinsichtsrecht, wenn durch die Einsicht des Antragstellers die Ermittlung gefährdet werden könnte oder wenn der Datenschutz nicht gewährleistet werden kann.

Der Beschuldigte gefährdet zum Beispiel die Ermittlung, wenn er durch die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte in der Lage wäre, die laufende Untersuchung durch Beweismittelvernichtung zu verhindern. Außerdem können dem Beschuldigten beispielsweise aus Schutzgründen die personenbezogenen Daten des Verletzten vorenthalten werden.

Folgende Akteninhalte darf der Beschuldigte jedoch immer sehen:

  • alle Niederschriften über Vernehmung des Angezeigten
  • Protokolle über richterliche Untersuchungshandlungen, bei denen ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bestünde
  • Gutachten von Sachverständigen

Akteneinsicht verweigert – das können Sie dagegen tun!

Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht können Sie mit einem Antrag auf richterliche Entscheidung reagieren. Der Antrag auf richterliche Entscheidung ist ein sogenannter Rechtsbehelf. Dieser macht es Ihnen möglich, sich gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft oder ihrer Hilfsbehörden, zum Beispiel der Polizei, zu wehren.

Falls Ihr Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakte abgelehnt wurde, sollten Sie spätestens jetzt einen Anwalt kontaktieren. Zwar können Sie sich auch ohne Anwalt gegen die Verweigerung der Akteneinsicht zur Wehr setzen, aber ein Rechtsanwalt kann aufgrund seiner Erfahrung besser einschätzen und nachvollziehen, wieso es zu der Ablehnung gekommen ist, und gezielt gegen diese vorgehen.

Akteneinsicht im Bußgeldverfahren

Wenn man sich in einem Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit befindet, kann man ebenfalls Akteneinsicht beantragen. Das richtet sich in diesem Fall nach § 49 OWiG.

Oft lohnt sich die Akteneinsicht, da Bußgelder nicht selten zu hoch angesetzt werden und Fehler im Verfahren vorhanden sind. Im Falle von Fehlern bei der Geschwindigkeits- oder Abstandsmessung ist die Beweislage schwierig und Sie haben Chancen, sich gegen Ihren Bußgeldbescheid zu wehren.

Die Verwaltungsbehörde kann dem Betroffenen Einsicht in die Akten unter Aufsicht gewähren, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.

Durch die Akteneinsicht können daher hohe Bußgelder oder Nebenstrafen wie etwa ein Führerscheinentzug abgewendet werden.

Auch hier hilft Ihnen die Vorlage, wenn Sie die Akteneinsicht selbst beantragen möchten. Allerdings ist auch in diesem Fall anzuraten, einen erfahrenen Rechtsanwalt einzuschalten, der das für Sie übernimmt. Er setzt nicht nur das Schriftstück auf, sondern bespricht mit Ihnen auch das weitere Vorgehen.

(FMA)

Häufige Fragen und Antworten zur Akteneinsicht

Was ist eine Ermittlungsakte und wann wird sie angelegt?

Mit Beginn der Ermittlungen legt die Polizei eine sogenannte Ermittlungsakte an. In diese Ermittlungsakte werden sämtliche Protokolle aller befragter Personen, also von befragten Zeugen und weiteren Beteiligten, sowie auch von dem Beschuldigten abgelegt. Auch werden Kopien von sämtlichen relevanten Unterlagen beigefügt, wie zum Beispiel beschlagnahmte Schriftstücke, Fotos oder in Auftrag gegebene Gutachten. Auch werden sämtliche Aktennotizen von den ermittelnden Beamten, beispielsweise von Zusammenfassungen und Bewertungen der bisherigen Ermittlungen, abgelegt. Bestandteil der Ermittlungsakte ist auch das bisherige Verhalten des Beschuldigten. So werden Vorstrafen bei dem Bundeszentralregister abgefragt.

Was bedeutet es, Akteneinsicht zu nehmen?

Wird ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet, legt die zuständige Behörde eine sogenannte Ermittlungsakte an. Diese beinhaltet sämtliche Informationen und Beweismaterialien zum Fall. Sie können als Betroffener diese Unterlagen einsehen.

Benötigen Sie zwingend einen Anwalt für die Akteneinsicht?

Nein, man kann als Beschuldigter die Akte auch eigenständig einsehen. Ein Anwalt verfügt jedoch über ein umfassenderes Akteneinsichtsrecht und informiert Sie über die richtige Verhaltensweise im Strafverfahren.

Wie können Sie einen Antrag auf Akteneinsicht stellen?

Ein formloses Schreiben reicht aus, das Sie an die zuständige Behörde richten. In unserem Muster sehen Sie, wie der Antrag aussehen kann.

Foto(s): ©Pexels/MART PRODUCTION

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