Amtsgericht München: 208.000 Euro Geldstrafe bei Diebstahl von Kalbsleber im Supermarkt?

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Im Jahr 2018 verurteilte das Amtsgericht München einen 58-jährigen Mann zu einer Geldstrafe von insgesamt 208.000,00 €. Diese setzte sich zusammen aus 260 Tagessätzen à 800,00 € (AG München Urteil v. 10.01.2018 - 864 Ds 238 Js 223135/17). 

Grund dafür war das Umverpacken von Lebensmitteln in einem Supermarkt, wobei er die Waren an der Selbstbedienungskasse als preiswerteres Lebensmittel ausgab. Aufgrund seiner Vorgehensweise zahlte er deutlich weniger, als den für das eigentliche Lebensmittel veranschlagten Preis. 


Was wurde dem Angeklagten vorgeworfen?

Der Mann nahm in einem Supermarkt Kalbsleber aus seiner Verpackung und füllte dies in eine Obsttüte um. Anschließend wog er das Fleisch – als Obst deklariert – ab und scannte den niedrigen Obstpreis an der Selbstbedienungskasse des Supermarktes ein. 

Er wiederholte dieses Vorgehen viermal, bis er vom Filialleiter auf frischer Tat ertappt wurde. 

Der Wert der Waren betrug jeweils etwa 13,00 - 47,00 €, sodass sich ein Gesamtbetrag von ca. 100,00 € ergab. 


Umpacken von Lebensmitteln im Supermarkt, teurere Lebensmittel günstiger abkassieren – Betrug?

Das ist doch Betrug! Oder nicht? 

Nein. Auch wenn der erste Gedankengang unverzüglich in die Richtung der Annahme eines Betruges geht, handelt es sich bei der vorliegend begangenen Straftat um einen Diebstahl.

Ein Betrug ist vom sogenannten Trickdiebstahl abzugrenzen. 

Ein Betrug zeichnet sich durch die Täuschung einer anderen Person – im Fall eines Computerbetruges wegen Vorhandensein einer Selbstbedienungskasse gem. § 263a Abs. 1 StGB durch ein entsprechend fiktiv an die Stelle des Automaten gedachten Kassierers – aus. Ein Diebstahl ist dahingegen anzunehmen, wenn eine Sache weggenommen wird. Die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache liegt vor, wenn der Gewahrsam (die Sachherrschaft) einer anderen Person gebrochen und neuer – nicht notwendigerweise tätereigener – Gewahrsam begründet wird. 

Bei dem Einscannen des Barcodes von Obst anstelle des Barcodes für Kalbsleber ist maßgeblich, dass sich der Wille eines (hypothetisch an die Stelle der Selbstbedienungskasse gedachten) Supermarktkassierers nur auf die Übereignung – also Übertragung des Eigentums – von denjenigen Kaufsachen bezieht, deren Barcode gescannt wird. Maßgeblich ist insofern die Verpackung und nicht deren tatsächlicher Inhalt. 

Zum Beispiel: Auch das Einlegen eines Schokoriegels in eine Müsliverpackung bewirkt nur eine Übereignung des Müslis – nicht des Riegels.

Das Einverständnis zur Übertragung des Produkts bezog sich im vorliegenden Fall daher nur auf das auf der Tüte gekennzeichnete Obst und nicht die tatsächlich darin befindliche Kalbsleber. 

Ohne den Übertragungswillen des Kassierers liegt eine Wegnahme und daher ein Diebstahl gem. § 242 Abs. 1 StGB vor. 


Welche Strafe droht für Diebstahl im Supermarkt?

Diebstahl gem. § 242 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe bedroht. 

Die Höhe der Strafe richtet sich unter anderem nach dem Wert des Diebesgutes und den weiteren Tatmodalitäten wie zum Beispiel den Umständen der Wegnahme. So normiert das Gesetz in Situationen des § 243 StGB besonders schwere und damit strafschärfende Fälle. 

Ein „schwerer“ Diebstahl gem. § 244 StGB sieht bereits eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten vor. Eine solche Begehung wird beispielsweise angenommen, wenn als Bande gehandelt wird, Waffen involviert sind oder zur Wegnahme von Diebesgut in Wohnungen eingebrochen wird. 


Wieso ist die Strafe im Kalbsleberfall so hoch? 

208.000,00€ sind für die meisten von uns eine Menge Geld. Insbesondere wenn man beachtet, dass sich der Gesamtwert des Diebsgutes aus allen vier Diebstählen auf etwa 100,00 € beläuft. Doch woher kommt diese Diskrepanz? Die Frage, die man sich nun stellt: 


Wie wird eigentlich die Höhe einer Geldstrafe festgelegt? 

Eine Geldstrafe setzt sich zunächst aus einer Anzahl von Tagessätzen und einer Tagessatzhöhe zusammen. Diese bilden eine Gesamtgeldstrafe: 

            Zum Beispiel: 30 Tage à 20,00 € = 600,00 €

Bedeutung der Anzahl der Tagessätze bei einer Geldstrafe

Die Anzahl der Tagessätze hängt einerseits von der Art der Tat und andererseits von positiv oder negativ zu wertenden Strafzumessungsgründen ab. 

Zum Beispiel: 

  • positiv zu werten sind – Geständnisse, Person ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten u.a 
  • negativ zu werten sind hohe kriminelle Energie, einschlägige Vorstrafen u.a. 

Im Kalbsleberfall wurde dem Täter positiv angerechnet, dass er in der entsprechenden Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgelegte. Auch wurde im angerechnet, dass er bereits einige Zeit in Untersuchungshaft verbracht hatte und die Tatbeute einen geringen Wert hatte. 

Trotzdem überwogen im Einzelfall die strafschärfenden Umstände. Der Mann war zur Tatzeit bereits einschlägig vorbestraft. Er wies bereits zahlreiche Eintragungen im Bundeszentralregister auf. Innerhalb der letzten Jahre wurde er bereits mehrfach wegen der Begehung von Vermögensdelikten rechtskräftig verurteilt. Dazu zählen u.a. Diebstahl und Steuerhinterziehung. 

Zudem wurde er erst kurz zuvor aus einer Haft entlassen. Dies wiegt aus Sicht des Gerichtes schwer. Zu beachten ist auch, dass bereits mehrfach Freiheitsstrafen gegen ihn verhängt wurden.

Auch der nicht geringe Grad krimineller Energie sprach gegen den Angeklagten.

Bedeutung der Höhe eines Tagessatzes bei einer Geldstrafe

Die Höhe der Tagessätze richtet sich nach dem Einkommen des jeweils Betroffenen. Ziel der variablen Höhe ist es, eine „Strafe“ auf die konkrete Person zuschneiden zu können. Monetäre Unterschiede in einer Person können so ausgeglichen werden. Eine Strafe soll den konkreten Täter treffen und zum Umdenken bewegen. 

Grundsätzlich ist eine Tagessatzhöhe das Monatsgehalt einer Person (netto) geteilt durch 30 Tage. Unterhaltspflichten werden darüber hinaus zusätzlich vom Gehalt abgezogen. 

Von Strafen à 20,00 € oder gar 30,00 € haben wir alle schon gehört, aber vorliegend handelt es sich um eine Tagessatzhöhe von 800,00 € – wieso das? 

Maßgeblich ist wie gesagt das Einkommen im Einzelfall. Vorliegend hat der Mann ausgesagt, dass er monatlich ca. 24.000,00 € verdienen würde.   

            Rechnung: 24.000,00 € / 30 Tage = 800,00 € 


Warum war der Mann bei Lebensmitteln im Wert von 100,00 € in Untersuchungshaft? 

Der Mann befand sich vor Urteilsverkündung in Untersuchungshaft. Eine solche ist grundsätzlich nur unter den strengen Voraussetzungen der §§ 112 ff. StPO möglich.

Vorliegend war maßgeblich, dass der Mann keinen festen Wohnsitz hatte und eine hohe Strafe zu erwarten war. Dies deutet auf eine Fluchtgefahr hin, die durch eine Untersuchungshaft unterbunden werden kann. 

Im konkreten Einzelfall ist das Urteil inzwischen rechtskräftig geworden. Ein rechtliches Vorgehen gegen das Urteil des Amtsgerichtes München ist also nicht mehr möglich. 

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Foto(s): ©Adobe Stock/lado2016

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