Anfechtung von Willenserklärungen bei Irrtum und arglistiger Täuschung nach polnischem Recht
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Haben Sie den Verdacht, dass Sie einen Vertrag abgeschlossen haben, den Sie bei korrektem Wissen niemals eingegangen wären?
Das polnische Zivilrecht bietet in bestimmten Fällen die Möglichkeit, eine solche Willenserklärung anzufechten, insbesondere wenn sie unter dem Einfluss eines Irrtums zustande kam. In diesem Beitrag erklären wir, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen und wie das Verfahren abläuft.
Was ist eine fehlerhafte Willenserklärung?
Das polnische Zivilgesetzbuch (Kodeks cywilny) regelt im Titel IV Abschnitt IV die Voraussetzungen für die Anfechtung fehlerhafter Willenserklärungen. Eine solche Erklärung liegt vor, wenn:
- eine Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung besteht,
- ein wesentlicher Irrtum vorliegt, oder
- die Erklärung durch Drohung oder Täuschung beeinflusst wurde.
In diesem Beitrag konzentrieren wir uns auf den Irrtum (Art. 84 des polnischen Zivilgesetzbuchs), der in der Praxis häufig bei Vertragsabschlüssen auftritt.
Voraussetzungen zur Anfechtung wegen Irrtums
Gemäß Artikel 84 des polnischen Zivilgesetzbuches kann eine Willenserklärung angefochten werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Irrtum muss sich auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts beziehen.
Der Irrtum muss den wesentlichen Inhalt des Vertrages betreffen, beispielsweise die gegenseitigen Rechte und Pflichten. Persönliche Absichten, Intentionen oder Versprechungen der anderen Vertragspartei sind dabei irrelevant.
2. Der Irrtum wurde durch die andere Vertragspartei verursacht.
Der Irrtum muss durch den Vertragspartner verursacht worden sein, wobei es irrelevant ist, ob dies absichtlich oder unabsichtlich geschah. Diese Regelung findet keine Anwendung auf unentgeltliche Rechtsgeschäfte, wie beispielsweise Schenkungen.
3. Der Irrtum muss von wesentlicher Bedeutung sein.
Ein Irrtum ist wesentlich, wenn davon auszugehen ist, dass der Erklärende die Willenserklärung bei korrekter Beurteilung der Sachlage nicht abgegeben hätte.
Eine Anfechtung ist nur dann erfolgreich, wenn alle drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.
Unterschied zwischen Irrtum und Täuschung
In der Praxis wird häufig zwischen Irrtum und Täuschung unterschieden.
Irrtum: Ein unbeabsichtigter Fehler in der Wahrnehmung oder Interpretation des Vertragsinhalts.
Eine Täuschung liegt vor, wenn die Gegenpartei bewusst falsche Angaben macht, Tatsachen verschleiert oder die Unwahrheit sagt, um den Vertragspartner zu täuschen.Die Anforderungen für eine Anfechtung wegen Täuschung (Artikel 86 des polnischen Zivilgesetzbuchs) sind weniger streng, da die Täuschung vorsätzlich erfolgt.
Verfahren zur Anfechtung einer Willenserklärung
Die Anfechtung erfolgt durch eine schriftliche Erklärung an die Gegenpartei (Artikel 88 des polnischen Zivilgesetzbuchs). Diese muss innerhalb eines Jahres nach Entdeckung des Irrtums oder Beendigung der Drohung erfolgen.
Die Anfechtung erfolgt in folgenden Schritten:
1. Formulierung der Anfechtungserklärung: Die Umstände, die den Irrtum begründen, sind klar darzustellen.
2. Nachweis der Zustellung: Der Nachweis der Zustellung kann durch Übergabe gegen Quittung oder Versand per Einschreiben mit Rückschein erbracht werden.
3. Wahrung der Frist: Die einjährige Frist muss zwingend eingehalten werden, da eine Verlängerung nicht möglich ist.
Rechtsfolgen der Anfechtung
Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung gilt der Vertrag als von Anfang an nichtig. Dies hat zur Folge, dass die Vertragsparteien die gegenseitig erhaltenen Leistungen zurückgeben müssen. Bei Immobiliengeschäften können komplexere Regelungen gelten, die zusätzliche rechtliche Schritte erforderlich machen, beispielsweise die Eintragung im Grundbuch.
In den meisten Fällen muss ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden, das oft langwierig und kompliziert ist, da die andere Partei, die den Irrtum verursacht oder in arglistiger Absicht gehandelt hat, nicht bereit sein wird, das Geld, das Eigentum oder den Besitz freiwillig zurückzugeben.
Fazit
Das polnische Zivilrecht bietet klare Regelungen zur Anfechtung von fehlerhaften Willenserklärungen. Entscheidend für den Erfolg sind eine sorgfältige Analyse der Umstände des Einzelfalls und der Anfechtungsvoraussetzungen sowie die Einhaltung der gesetzlichen Fristen.
‼️ Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. ‼️
Vertragsrücktritt und Anfechtung von Willenserklärungen gehören zu den komplexesten Fragen des Zivilrechts.
Stand. 05.12.2024
Pawel Majewski, LL.M. Polnischer Anwalt
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