Anforderungen an Patientenverfügung verschärft
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Der Bundesgerichtshof verschärft in einem aktuellen Beschluss v. 08.02.2017, XII ZB 604/15, die Anforderungen an Patientenverfügungen.
Bindungswirkung einer Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung i.S. des § 1901a Abs. 1 BGB, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Neben Erklärungen des Erstellers der Patientenverfügung zu den ärztlichen Maßnahmen, in die er einwilligt oder die er untersagt, verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz auch, dass die Patientenverfügung erkennen lässt, ob sie in der konkreten Behandlungssituation gelten soll.
Eine Patientenverfügung ist also nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich (1) feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation (2) welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden oder unterbleiben sollen.
Nur eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse, genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz.
Der Fall
Die Betroffene erlitt einen Schlaganfall und befand sich seit einem Herz-Kreislaufstillstand in einem wachkomatösen Zustand. Sie wurde seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.
Sie hatte einige Jahre zuvor eine schriftliche „Patientenverfügung“ folgenden Inhalts unterzeichnet:
„Für den Fall, dass ich (...) aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung (...) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. (…). Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. (…).“
Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass die Betroffene in ihrer Patientenverfügung keine konkrete Entscheidung dahingehend getroffen habe, in der nun eingetretenen Situation eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung zu wollen. Die Vorinstanz leitete dies noch ab aus der Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“.
Dies überschreite die Grenzen der zulässigen Auslegung. Als eine der Schriftform unterfallende Erklärung müsse die Patientenverfügung primär nach ihrem schriftlich niedergelegten Inhalt ausgelegt werden. Dabei sei der Gesamtzusammenhang der Urkunde zu berücksichtigen und festzustellen, ob sich daraus insgesamt ein hinreichend eindeutig zu bestimmender Patientenwille ergebe.
Gemessen hieran beinhalte die von der Betroffenen verfasste Urkunde in ihrem Gesamtzusammenhang keine eindeutige Aussage dahingehend, dass die Betroffene die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in ihrem derzeitigen Zustand wünscht. Die Erklärung, „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ zu wünschen, wenn eine der in der Patientenverfügung benannten Behandlungssituationen eintritt, spricht in mindestens gleichem Umfang für den Abbruch der künstlichen Ernährung, wie die von der Vorinstanz herangezogene Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ deren Fortsetzung begründen könnte. Die von der Betroffenen verfasste Urkunde ist damit allenfalls widersprüchlich.
Tipp
- Patientenverfügungen sind so konkret wie möglich zu formulieren. Die Behandlungssituation und die gewollten oder nicht gewollten ärztlichen Maßnahmen sind genau zu beschreiben.
- Allgemein gehaltene Formulierungen – wie z. B. „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ – reichen grundsätzlich nicht aus. Vielmehr ist der Wille des Verfügenden so genau wie möglich darzustellen.
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