Anklage zum Jugendschöffengericht? Dann gibt's einen Pflichtverteidiger!

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Vorbei sind die Zeiten, in denen Jugendliche/Heranwachsende vom Jugendschöffengericht zu sechs, neun oder elf Monaten Jugendstrafe verurteilt werden konnten - ohne daß das Gericht von Amts wegen einen Pflichtverteidiger beiordnen mußte. Nach alter Strafprozeßordnung (StPO) vor Dezember 2019 wußte der Richter: Er kann die Beiordnung eines Verteidigers verhindern, indem er die Beiordnung ablehnt mit der Begründung, es drohe keine Jugendstrafe von zwölf Monaten oder mehr. Dann scheiterte eine ordnungsgemäße Strafverteidigung nicht selten am Geldbeutel des Angeklagten.

Doch das Recht der Pflichtverteidigung wurde geändert. Bloß angekommen ist die "Botschaft" noch nicht bei allen Gerichten; bzw. sie wählen eine komplexe Gesetzesauslegung, die vertreten wird, um auch nach neuem Recht trotz drohendem Jugendknast keinen Anwalt bestellen zu müssen). 


Jede Anklage zum Jugendschöffengericht führt zur Pflichtverteidigung!


Zumindest im Landgerichtsbezirk Münster läuft es ab sofort anders: Jede Anklage zum Jugendschöffengericht ist durch Änderung der StPO ein Fall notwendiger Verteidigung (LG Münster, Beschluß vom 7.09.2020, Az. 21 Qs 12/20). Also auch dann, wenn nicht einmal überhaupt eine Jugendstrafe droht, muß der vom Angeklagten benannte Vertrauensanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet werden. 


Wer es genau wissen möchte (z.B. Anwaltskollegen)...


...der Fall notwendiger Verteidigung beim Jugendschöffengericht ergibt sich seit der Neufassung der StPO zur notwendigen Verteidigung im Dezember 2019  aus § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO iVm § 68 Nr. 1 JGG:

Immer dann, wenn einem Erwachsenen ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, ist auch einem Jugendlichen/Heranwachsenden ein Pflichtverteidiger beizuordnen (§ 68 Nr. 1 JGG). Da in § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO n.F. im Gegensatz zur Altfassung nun ausdrücklich auch die notwendige Verteidigung für Anklagen zum Schöffengericht aufgenommen wurde, ist damit für die Frage der notwendigen Verteidigung bei Anklage zum Jugendschöffengericht alles geklärt. Eine Verhandlung vor dem Schöffengericht oder dem Jugendschöffengericht (wegen § 68 Nr. 1 JGG) , bei der nicht alle Angeklagten durch einen Rechtsanwalt verteidigt werden, ist nach der Änderung des § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO rechtlich undenkbar geworden. Einen entgegenstehenden Willen hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen können, indem er dies im JGG regelt. Hat er aber nicht.      

Die bisher einzige zum neuen Recht veröffentlichte Entscheidung stammte bis heute vom LG Saarbrücken, Beschluß vom 11.02.2020 – 3 Qs 11/20. Nun kommt mit der oben genannten Entscheidung des LG Münster eine weitere hinzu. Weitere Gerichte in Deutschland werden dem sicher bald folgen. 

Sie haben eine Anklageschrift oder Vorladung der Polizei erhalten erhalten? Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Borken, Gescher, Dülmen) berät Sie gerne und schnell, ob Ihnen ein Pflichtverteidiger sogar zustehen könnte, obwohl das Amtsgericht es anders sieht. Als Fachanwalt für Strafrecht weist Rechtsanwalt Urbanzyk eindringlich darauf hin, daß Sie sich Ihren Pflichtverteidiger selbst aussuchen können. Lassen Sie sich nicht vom Richter einen Anwalt beiordnen, den das Gericht selbst ausgesucht hat!

Foto(s): Privat

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