Anordnung des paritätischen Wechselmodells unterliegt ausschließlich dem Sorgerecht

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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 29.1.2020, Az. 2 UF 301/19 vom 20.02.2020 klargestellt, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells das Sorge-, nicht das Umgangsrecht betrifft und deswegen eine Entscheidung über eine einstweilige Anordnung, mit der ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wird, anfechtbar ist. In Umgangsverfahren sind hingegen bei Entscheidungen im Eilverfahren keine Rechtsmittel zulässig.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Eltern der betroffenen Kinder hatten sich im Rahmen gegenläufiger Sorge– und Umgangsanträge im Jahr 2018 auf ein paritätisches Wechselmodell geeinigt. Die damals ein Jahr bzw. fünf Jahre alten Kinder wechselten seitdem mehrfach während der Woche zwischen den Eltern. Im Sommer 2019 beantragte die Mutter vor dem Familiengericht eine Abänderung der Vereinbarung und eine Anordnung dahingehend, dass abweichend von der bisherigen Handhabung, die Kinder bei regelmäßigen Umgängen zukünftig überwiegend von ihr betreut werden.

Die Beteiligten behandelten das Verfahren in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der umgangsrechtlichen Anordnung eines Wechselmodells als Umgangsverfahren. In dem parallel geführten Hauptsacheverfahren konnten sich die Eltern nicht auf eine Betreuungsform einigen. Derzeit wird in diesem Verfahren ein Gutachten zu der Frage eingeholt, welche Betreuungsform mit dem Wohl der Kinder am besten vereinbar wäre. Die Eltern hatten sich für die Zeit des schwebenden Verfahrens auf eine leicht geänderte und mit weniger Wechseln verbundene Betreuung der Kinder geeinigt.

Das Familiengericht hat wegen der fehlenden grundsätzlichen Einigung von Amts wegen ein einstweiliges Anordnungsverfahren als Umgangsverfahren eingeleitet. Es ordnete an, dass die Eltern nunmehr unter Beibehaltung der bisherigen Umgangsanteile die Kinder zukünftig allerdings wochenweise abwechselnd betreuen. Das Gericht ging dabei davon aus, dass diese Anordnung in Anbetracht der fehlenden Anfechtbarkeit von einstweiligen Anordnungen zum Umgang unanfechtbar bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gelten wird. 

Dem ist jedoch nicht so. Die Mutter legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein mit der Begründung, dass es sich nicht um ein Umgangsverfahren, sondern ein Verfahren der elterlichen Sorge handelt und damit Rechtsmittel – auch im Eilverfahren – zulässig sind. Das OLG Frankfurt/Main gab der Mutter Recht und betonte, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells eine sorgerechtliche Regelung enthält und nicht nur eine Umgangsregelung trifft. „Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes – oder die paritätische Aufteilung eines Lebensmittelpunktes – unterfallen nach Ansicht des erkennenden OLGs dem Aufenthaltsbestimmungsrecht, nicht dem Umgangsrecht“.

Der Gesetzgeber habe ersichtlich mit „Umgang“ eine den „Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung“ gemeint. Die elterliche Sorge, die sich auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht erstrecke, beinhalte dagegen „eine Aufenthaltslösung (...), die einen überwiegend betreuenden Elternteil schafft“. Auch aus der Gesetzesgeschichte folgt nach Ansicht des OLG Frankfurt/Main, dass der Gesetzgeber „zwischen einem betreuenden Elternteil und einem „nur“ umgangsberechtigten Elternteil Entscheidungen getroffen (habe), die den unterschiedlichen Regelungsgehalt beider rechtlichen Kategorien abbilden“.

Das OLG widerspricht damit der Rechtsprechung des BGH. Der BGH hält bislang daran fest, dass das Wechselmodell über eine Umgangsregelung angeordnet werden könne. Die Auswirkungen dieser Einordnung zeigen sich besonders deutlich in Verfahren, in denen durch unanfechtbare Einstweilige Anordnungen für Monate, manchmal sogar Jahre wesentliche Lebensbedingungen für Kinder und Eltern festschrieben werden und damit ohne Möglichkeit einer rechtlichen Prüfung vollendete Tatsachen geschaffen werden, die im Verlaufe des Verfahrens wegen des im Kindschaftsrecht geltenden Kontinuitätsgrundsatzes sozusagen „durch die Hintertür“ entscheidungserheblich werden können. Dies betrifft faktisch unabänderlich auch Unterhaltsfragen, das Recht auf staatliche Unterhaltsvorschüsse, Meldeverhältnisse und ähnliches.

Die Einordnung in das Umgangsrecht führt aus sich des erkennenden OLGs auch zu einer vom Gesetzgeber unerwünschten Erweiterung staatlicher Eingriffsbefugnisse. Grundsätzlich ist das in Art. 6 GG verwurzelte Erziehungsrecht der Eltern zu respektieren. Einstweilige Anordnungen von Amts wegen könnten in Sorgerechtsverfahren deswegen nur bei einer festgestellten Kindeswohlgefährdung ergehen. Diese Eingriffsschwelle würde untergraben, wenn das paritätische Wechselmodell als Umgangslösung gedacht und von Amts wegen angeordnet werden könne, so das OLG.

Der Beschluss des Familiengerichts wurde somit aufgehoben, weil kein Elternteil eine Abänderung der ursprünglich getroffenen Vereinbarung im Eilverfahren beantragt hatte, sondern vielmehr eine Einigung zum Umgang während des laufenden Verfahrens getroffen und das OLG keinerlei Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung erkennen konnte.

Im Ergebnis ist diese Entscheidung zu begrüßen. Es bleibt abzuwarten, wie andere Oberlandesgerichte in dieser Frage sich positionieren werden und ob dies zu einer Abkehr der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung führt.

Cornelia Blank

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Erbrecht

Zertifizierter Testamentsvollstrecker

Zertifizierter Verfahrensbeistand

Dr. Broll Schmitt Kaufmann & Partner

Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte


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