Anwälte zu Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz: Große Zustimmung, gedämpfte Hoffnung

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Carmen Brückner anwalt.de-Redaktion
Anwälte zu Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz: Große Zustimmung, gedämpfte Hoffnung

Eine deutliche Mehrheit von 58 Prozent der Anwälte bei anwalt.de hält Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz in ihrem Rechtsgebiet für sinnvoll. Doch nur 37 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft und gehen davon aus, dass im Jahr 2025 Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz regelmäßig stattfinden werden. Das ergab eine aktuelle anwalt.de-Umfrage. 

Die deutliche Mehrheit der Anwälte plädiert für Videokonferenzen 

Die große Mehrheit der Befragten hält Videokonferenzen für Gerichtsverhandlungen zwar grundsätzlich für sinnvoll. Je nach Rechtsgebiet unterscheiden sich hier jedoch die Einschätzungen der Anwälte und Anwältinnen deutlich. So befürworten Rechtsanwälte, die im Strafrecht tätig sind, Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz erwartungsgemäß eher nicht: Ganze 90 Prozent der Befragten halten Videokonferenzen eindeutig nicht für sinnvoll. Offen und optimistisch zeigen sich dagegen Anwälte und Anwältinnen mit dem Rechtsgebiet Bank- und Kapitalmarktrecht: Hier halten alle Befragten Videokonferenzen für sinnvoll. 

Verhaltene Hoffnung: theoretisch und rechtlich längst möglich, doch praktisch kaum umgesetzt 

Die Ergebnisse der anwalt.de-Umfrage bestätigen damit das aktuelle Stimmungsbild der Anwälte in Deutschland, die mehrheitlich für mehr Videoverhandlungen plädieren. Rechtlich sind diese bereits seit Ende 2013 möglich. Seitdem erlaubt § 128a ZPO Zivilprozesse im Wege der Bild- und Tonübertragung zu verhandeln. Auch andere Gerichtsordnungen ermöglichen bereits diese Art der Gerichtsverhandlung. So weit die Theorie. Denn praktisch fehlt vielerorts noch immer die notwendige Technik in ausreichender Zahl. Das zeigt die Länderliste mit Standorten von Videokonferenzanlagen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften mit Stand vom 14. April 2020. 

So ist es auch nicht überraschend, dass nur 10 Prozent der Befragten bereits einmal an einer Gerichtsverhandlung in dieser Form teilgenommen haben. Und knapp zwei Drittel (63 Prozent) der Befragten gehen auch nicht davon aus, dass Videokonferenzen in fünf Jahren standardmäßig in Gerichtsverhandlungen eingesetzt werden. Bei den Strafrechtlern sind es sogar 80 Prozent, die nicht davon ausgehen, dass Videokonferenzen im Jahr 2025 bei Strafrechtsprozessen regelmäßig stattfinden werden. Anwälte und Anwältinnen aus dem Bank- und Kapitalmarktrecht blicken dagegen optimistisch in die Zukunft: Zwei Drittel (67 Prozent) rechnen mit einem  standardmäßigem Einsatz von Videoverhandlungen in fünf Jahren. 

Justizministerkonferenz endete ohne Beschlüsse 

Auch die Justizministerkonferenz am 18. Mai 2020 endete ohne Beschlüsse. Zwar seien sich die Justizministerinnen und Justizminister einig, dass man den Weg der Digitalisierung fortsetze, so Hamburgs Justizsenator Till Steffen. Über eine von Hamburg koordinierte Beschlussvorlage zur besseren technischen Ausstattung der Gerichte wurde jedoch nicht abgestimmt.

 

 

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anwalt.de-Mitglieder plädieren für mehr Videoverhandlungen

Die Kritik an der “Digitalisierungswüste Gerichtssaal” wird jedoch lauter. Auch anwalt.de-Mitglieder plädieren für mehr Videoverhandlungen: 

Rechtsanwalt Jörg Schwede zufolge hätte man Verfahrensverzögerungen in den vergangenen Wochen durchaus vermeiden können, wenn die Justiz die Möglichkeit der Videoverhandlung genutzt hätte. „Natürlich sollte aber auch der Anwaltschaft die Zeit gegeben werden, gerade in der für viele Kanzleien herausfordernden Covid-19-Zeit, die entsprechenden Voraussetzungen für die Umsetzung und Digitalisierung zu schaffen“, so Rechtsanwalt Schwede. 

In der Kanzlei JASPER Rechtsanwälte werden laut Rechtsanwalt Dennis Wiegard Videokonferenzen im Mandantenkontakt bereits verstärkt genutzt. „Die Justiz sollte das Momentum nutzen, um auch nach der Corona-Pandemie unnötige Reisetätigkeiten für alle Beteiligten zu verhindern.“ 

Rechtsanwältin Sandra Baumann hält Videoverhandlungen ebenfalls für eine gute Möglichkeit, Verhandlungen flexibel und standortunabhängig zu führen - nicht nur in Zeiten von Corona. „Meines Erachtens ist es auch wichtig, dass sich alle Beteiligten per Video sehen und nicht nur ein Ausschnitt des jeweils Sprechenden zu sehen ist. Dies erfordert aber in der Regel mehrere Kameras“, so Baumann. 

Auch Rechtsanwalt Roosbeh Karimi hält Videoverhandlungen für längst überfällig: „Gerade, wenn es nur noch um rechtliche Fragen geht, ist eine persönliche Anwesenheit kaum erforderlich.“ 

(CBR; ZGRA)

Foto(s): © anwalt.de

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