Anwalt bei Vorladung und Anklage mit Vorwurf Erpressung oder räuberischer Erpressung

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Dass Schwarzfahren „nicht in Ordnung“ ist, ist wohl den meisten Menschen bewusst. Dass Schwarzfahren eine Straftat ist, Einigen auch. Wenn sich allerdings jemand der Kontrolle der Fahrscheine durch die Anwendung von Gewalt widersetzt, um nicht das erhöhte Beförderungsentgelt bezahlen zu müssen, so droht sogar eine weitere Strafbarkeit, nämlich wegen räuberischer Erpressung (LG Freiburg, Urteil v. 09.10.2007 – 7 Ns 140 Js 10353/07 – AK 129/07).

Wie hoch ist die Strafe für Erpressung und räuberische Erpressung?

Eine Erpressung wird grundsätzlich mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft (§ 253 Abs.1 StGB). In sogenannten besonders schweren Fällen einer Erpressung steigt der Strafrahmen auf eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (§ 253 Abs.4 StGB).


Eine räuberische Erpressung ist mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht (§ 253, 255 StGB).


Damit handelt es sich bei der räuberischen Erpressung und bei der Erpressung im besonders schweren Fall um ein Verbrechen im strafrechtlichen Sinne. Für das Strafverfahren bedeutet das zum Beispiel, dass ein Fall einer sogenannten Pflichtverteidigung vorliegt. Es muss Ihnen also im Rahmen des Strafverfahrens ein Strafverteidiger zur Seite stehen. Aber auch, wenn der Begriff „Pflichtverteidiger“ zunächst danach klingen mag, als hätten Sie als Beschuldigter hierbei keinerlei Mitspracherecht, so ist dies tatsächlich nicht der Fall. Das Gericht wird Sie in der Regel dazu auffordern, einen Strafverteidiger zu benennen, der Ihnen dann als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Sie können sich Ihren Strafverteidiger also grundsätzlich auch im Rahmen einer Pflichtverteidigung selbst aussuchen.

Wann macht man sich wegen Erpressung strafbar?

Zusammengefasst und stark vereinfacht ausgedrückt, macht man sich wegen einer Erpressung strafbar, wenn man eine andere Person zu einem vermögensrelevanten Verhalten zwingt und hierbei besonders empfindliche, besonders gefährliche Mittel (nämlich die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel) einsetzt, wodurch ein Vermögensnachteil entsteht.

Anwendung von Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel

Die strafbare Handlung im Rahmen der Erpressung ist die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel.

Gewalt ist dabei ein körperlich vermittelter sowie körperlich wirkender Zwang. Rein psychische Einwirkungen genügen hier also nicht (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 22.09.2015 – 4 StR 152/15 zur Straftat der Erpressung; BGH, Urteil v. 18.09.2019 – 1 StR 129/19 zur Straftat des Raubes).

Gewalt meint im Rahmen der Erpressung die sogenannte willensbeugende Gewalt (vgl. BGH, Urteil v. 27.08.1969 – 4 StR 268/69 in openJur 2010, 686 zu § 255 StGB). Das Opfer hat hierbei weiterhin trotz der Einwirkung des Täters einen gewissen Entscheidungsspielraum, wie es sich verhält, die Einwirkung ist aber so stark, dass sich das Opfer der Gewalt beugt und sich im Sinne des Täters verhält.


Bei der Drohung ist zu beachten, dass dies das Inaussichtstellen der Zufügung eines empfindlichen Übels ist, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Dass der Täter plant, dem Opfer das angedrohte Übel tatsächlich zuzufügen ist also nicht erforderlich.

Ebenso wenig schließen Zweifel des Opfers, dass der Täter seine Drohung realisiert, das Vorliegen einer Drohung in diesem Sinne aus. Das liegt daran, dass durch eine solche Drohung die Freiheit einer Person, ihren Willen zu bilden und zu betätigen, beeinträchtigt wird und sie aus diesem Grund strafbewehrt ist. Auch wenn das Opfer an der Realisierung der Drohung zweifelt, wird diese Freiheit beeinträchtigt. Erforderlich ist aber, dass das Opfer die Realisierung zumindest für möglich hält. Vgl. BGH, Beschluss v. 09.09.2015 – 4 StR 335/15.


Die Drohung muss dabei nicht ausdrücklich als solche erfolgen. Es genügt, wenn sich die Drohung aus den Umständen ergibt. Allerdings handelt es sich nicht um eine Drohung in diesem Sinne, wenn der Täter die Angst des Opfers vor einer nochmaligen Anwendung von Gewalt ausnutzt. Das in Aussicht stellen des Übels muss hinreichend konkret, hinreichend deutlich, sein. Vgl. BGH, Beschluss v. 02.02.2021 – 2 StR 432/20.

Zwingen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung

Im Rahmen der Erpressung muss die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel einem bestimmten Zweck dienen. Der Täter wendet diese Mittel an, um das Opfer zu einem bestimmten Verhalten (eine Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung) zu zwingen. Wichtig ist dabei, dass dieses Verhalten eine Vermögensrelevanz aufweist. Gegenstand einer Erpressung ist nämlich, das Opfer dazu zu zwingen, eine vermögensschädigende Handlung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil v. 17.07.2019 – 5 StR 637/18 in openJur 2019, 30691).


Ein solches abgenötigtes Verhalten kann, muss aber nicht, z.B. in der Übergabe von Bargeld oder der Tätigung einer Überweisung liegen.

Auch beispielsweise der Verzicht auf die Geltendmachung einer dem Opfer zustehenden Forderung kann ein abgenötigtes Verhalten (dann ein erzwungenes Unterlassen oder – je nach Tatsituation – ein Dulden) im Sinne einer Erpressung sein. Zu beachten ist aber, dass eine strafbare Erpressung auch das Erleiden eines Vermögensschadens voraussetzt. Insofern ist es für eine Strafbarkeit maßgeblich, ob die Forderung werthaltig oder wertlos ist. In letztgenanntem Fall fehlt es am Erleiden eines Vermögensschadens. Vgl. BGH, Urteil v. 09.06.2021 – 2 StR 13/20.

Zufügen eines Vermögensnachteils

Das „Besondere“ der Erpressung im Vergleich zur Nötigung ist nun, dass durch den ausgeübten Zwang, jemand einen Vermögensnachteil erleidet. Die Erpressung ist demnach in gewisser Weise eine Nötigung im Eigentums- bzw. Vermögensstrafrecht.


Das Bestehen eines Vermögensnachteils wird dabei grundsätzlich dadurch ermittelt, dass eine Differenz zwischen dem Vermögen vor der Erpressung und nach der Erpressung ermittelt wird. Ein Nachteil liegt dann vor, wenn diese Differenz zuungunsten des (erpressten) Opfers ausfällt.

Gewalt, Drohung, Zwang und Vermögensnachteil müssen miteinander zusammenhängen

Wichtig ist, dass die „Bestandteile“ einer Erpressung miteinander zusammenhängen müssen (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 02.02.2021 – 2 StR 432/20 zur räuberischen Erpressung) . Gerade ihr Zusammenspiel; dass das Eine für das Andere eingesetzt wird, ist das Strafbare einer Erpressung.

An der also erforderlichen Ursächlichkeit fehlt es zum Beispiel im Rahmen einer sogenannten Sicherungserpressung. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass ein bereits (rechtswidrig) erlangter Vermögensvorteil (z.B. durch die Begehung eines Betrugs) durch eine Erpressung gesichert wird. Hier kann aber denklogisch der Zwang (die Drohung oder die Gewalt) bzw. das Verhalten, das hierdurch erzwungen wird, nicht mehr dazu führen, dass das Opfer einen Vermögensnachteil erleidet, denn das Opfer hat den in Frage stehenden Vermögensbestandteil ja schon verloren (Anderes kann sich ggf. ergeben, wenn der Vermögensnachteil vertieft wird und die zweite Tat so eine eigenständige strafrechtliche Bedeutung erlangt). Vgl. BGH, Beschluss v. 26.05.2011 – 3 StR 318/10.

Mache ich mich auch dann wegen Erpressung strafbar, wenn ich irrig davon ausgehe, einen Anspruch auf den Vermögenswert zu haben?

Eine Strafbarkeit wegen Erpressung setzt voraus, dass der Täter die Absicht hat, sich selbst oder einen Dritten in rechtswidriger Weise zu bereichern (§ 253 Abs.1 StGB).

Rechtswidrig bedeutet, dass der Täter keinen Anspruch auf die Bereicherung, also auf die Erlangung des Vermögensvorteils hat.

Eine Strafbarkeit scheidet aber auch dann aus, wenn der Täter nur irrig davon ausgeht, einen entsprechenden Anspruch zu haben (vgl. z.B. BGH, Urteil v. 21.12.2016 – 1 StR 253/16).

Wann ist die Strafe für Erpressung höher?

Die Strafe für eine Erpressung wird höher, wenn der Täter eine Erpressung in einem sogenannten besonders schweren Fall begeht. Dies kann (muss aber nicht) sein, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt (sich also aus der fortgesetzten Begehung von Erpressungen eine Einnahmequelle schaffen möchte, die von gewisser Dauer sowie von gewissem Gewicht ist) oder wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt (wobei es sich um eine solche Bande handeln muss, die sich gerade zur fortgesetzten Begehung von Erpressungen zusammengeschlossen hat).

Dies sind nur Beispiele. Andere besonders schwere Fälle sind denkbar. Ebenso muss in diesen Fällen nicht immer ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 253 Abs.4 StGB vorliegen.

In diesen Fällen droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Muss eine Erpressung verwerflich sein?

Die Straftat der Erpressung ist eines der Delikte, bei der die Rechtswidrigkeit der Tat positiv festgestellt werden muss (bei den meisten Delikten ist es so, dass sie dann rechtswidrig sind, wenn keine Rechtfertigungsgründe greifen, die Rechtswidrigkeit wird also im Grunde durch die Verwirklichung des Tatbestandes indiziert).

Die Erpressung enthält aber eine sogenannte Verwerflichkeitsklausel.

Die Erpressung ist nämlich dann rechtswidrig, „wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist“ (§ 253 Abs.2 StGB).

Die Verwerflichkeit meint die soziale Unerträglichkeit der Verbindung von Zweck und Mittel, die in Gestalt der Erpressung miteinander verknüpft werden (vgl. z.B. BGH, Urteil v. 21.12.2016 – 1 StR 253/16).

Übt also zum Beispiel ein Vertragspartner seine ihm zivilrechtlich (gesetzlich) zustehenden Möglichkeiten aus, wie zum Beispiel die Ausübung eines ihm zustehenden Zurückbehaltungsrechts „anzudrohen“, um seinen Vertragspartner dazu zu zwingen, seinerseits seine vertragliche Pflicht zu erfüllen, so stellt dies grundsätzlich keine strafbare Erpressung dar (vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2016 – 1 StR 253/16).

Ist es eine Erpressung, wenn ich eine Person bedrohe, aber eine andere Person dadurch einen Vermögensnachteil erleidet?

Ja, auch eine sogenannte „Dreieckserpressung“ ist strafbar.

Voraussetzung ist dann aber, dass die genötigte Person und die Person, die den Vermögensnachteil erleidet, in einem bestimmten Näheverhältnis zueinander stehen (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 08.01.2020 – 4 StR 548/19).

Wann wird aus einer Erpressung eine räuberische Erpressung?

Eine Erpressung wird dann zu einer räuberischen Erpressung, wenn sie sich gegen eine Person, deren Leben oder körperliche Unversehrtheit, richtet.

Die Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung steht nämlich dann im Raum, wenn sich die angewandte Gewalt gegen eine Person richtet oder wenn Gegenstand der Drohung eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben ist.

Was ist der Unterschied zwischen Raub und räuberischer Erpressung?

Der Begriff „räuberische Erpressung“ legt nicht nur eine Nähe des Delikts zur Erpressung, sondern auch zu einem Raub nahe. Die räuberische Erpressung besteht auch im Grunde sowohl aus Elementen einer Erpressung, als auch eines Raubes. Die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung erfolgt danach nach ständiger Rechtsprechung nach dem äußeren Erscheinungsbild des Geschehens, das dem Tatvorwurf zugrunde liegt (vgl. z.B. BGH, Urteil v. 12.08.2021 – 3 StR 474/20). Bei der räuberischen Erpressung wird ein vermögensschädigendes Verhalten des Opfers erzwungen, es muss also nach äußerlicher Betrachtung eine Weggabe des Gegenstands erfolgen. Bei einem Raub wird eine Sache (unter Anwendung von Gewalt oder mittels einer bestimmten Drohung) weggenommen. Hier nimmt also der Täter nach dem äußeren Erscheinungsbild etwas von dem Opfer.    


Sollten Sie eine Vorladung als Beschuldigter von der Polizei oder bereits eine Anklage von der Staatsanwaltschaft mit dem Vorwurf einer Erpressung oder einer räuberischen Erpressung erhalten haben, sollten Sie am Besten zunächst von Ihrem Schweigerecht als Beschuldigter einer Straftat Gebrauch machen. Sie sind nicht dazu verpflichtet, zur Sache auszusagen. Zuerst sollten Sie sich an einen auf das Strafrecht spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht wenden. Dieser wird Akteneinsicht beantragen und nach Analyse der Ermittlungsakten eine Verteidigungsstrategie erarbeiten und Sie über das weitere Vorgehen beraten.


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