Anwaltshaftung: Wenn der Anwalt der Gesellschaft haftet gegenüber dem Geschäftsführer haftet

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Der Bundesgerichtshof (BGH-Urteil vom 29. Juni 2023 (Az. IX ZR 56/22) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Anwalt die Geschäftsführer eines insolvenzgefährdeten Unternehmens vor persönlicher Haftung warnen muss und für entstandene Kosten haftet, wenn er dies unterlässt. Im Mittelpunkt stand die Einbeziehung der Geschäftsführer in den Vertrag zwischen dem Anwalt und dem Unternehmen.

Warnpflicht des Anwalts bei drohender Insolvenz

Laut dem BGH kann ein Anwalt auf Schadensersatz haften, wenn er die Geschäftsführer nicht über ihre persönliche Haftung bei drohender Insolvenz informiert. Der BGH stellte fest, dass die Geschäftsführer unter bestimmten Voraussetzungen in den Schutzbereich des Mandatsvertrags einbezogen sein können. Dies erfordert ein Näheverhältnis zur vertraglich geschuldeten Hauptleistung, abhängig vom Inhalt des Mandatsvertrags. Wenn der Anwalt speziell zur Krisenberatung beauftragt wurde, liegt dieses Näheverhältnis vor. Wenn die Beratung unabhängig von der Krise erfolgte, fehlt es daran in der Regel.

Rechtsanwalt verletzte möglicherweise Hinweis- und Warnpflichten

Der beklagte Anwalt hatte eine GmbH & Co. KG mehrere Jahre beraten, bevor diese Insolvenz anmelden musste. Der Insolvenzverwalter forderte von den Geschäftsführern Schadensersatz wegen verbotener Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, was zu einer Zahlung von 85.000 Euro führte.

Eine Klägerin verlangte aus abgetretenem Recht von der Haftpflichtversicherung des Anwalts rund 97.000 Euro (inklusive Rechtsverfolgungskosten), da der Anwalt seine Beratungspflichten verletzt habe, indem er nicht auf die Insolvenzreife hingewiesen habe. In erster Instanz wurde der Klägerin Recht gegeben, die Berufungsinstanz wies die Klage jedoch ab.

BGH: Schutzwirkung zugunsten Dritter möglich

Der BGH widersprach der Argumentation des Berufungsgerichts, dass nur die Verletzung einer Hauptpflicht einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begründen könne. Die Rechtsprechung zu Verträgen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sei durch die Verletzung von Nebenpflichten entwickelt worden. Ein Schadensersatzanspruch der Geschäftsführer sei daher grundsätzlich möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der vertraglich geschuldeten Hauptleistung in Berührung kommen.
  2. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben.
  3. Die Einbeziehung des Dritten muss dem Vertragsschuldner bekannt oder erkennbar sein.
  4. Es muss ein Bedürfnis für die Ausdehnung des Vertragsschutzes bestehen, das fehlt, wenn der Dritte bereits einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch hat.

Bedeutung des Urteils für Geschäftsführer

Dieses Urteil hat große Bedeutung für Geschäftsführer insolvenzgefährdeter Unternehmen. Sie können Anwälte haftbar machen, wenn diese sie nicht auf persönliche Haftungsrisiken bei Insolvenz hinweisen, vorausgesetzt, die Anwälte waren mit der Krisenberatung beauftragt. Auch faktische Geschäftsführer können in den Drittschutz einbezogen werden, wenn der Anwalt von deren Existenz wissen konnte.

Für Ihre Fragen rund um das Thema Anwaltshaftung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Foto(s): MN

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