Appendizitis nicht erkannt: 6.250 Euro

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Mit Vergleich vom 12.04.2024 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten 6.250 Euro sowie meine außergerichtlichen Gebühren (2,0-Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 6.250 Euro) zu zahlen.

Der 2006 geborene Schüler litt unter starken Schmerzen im Abdomen. Seine Eltern stellten ihn umgehend im Krankenhaus in einer Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie vor. Bei der Erstuntersuchung hatte der Schüler starke Schmerzen, konnte im weiteren Verlauf nicht mehr richtig sitzen und gehen, musste im Rollstuhl gefahren werden und nahm eine Schonhaltung ein. Er erbrach sich mehrmals im Rahmen der stationären Untersuchungen. Die Leukozyten waren auf 14,7 g/l (4,5 bis 13,5 g/l) gestiegen. Erst einen Tag nach stationärer Aufnahme wurde der Schüler mit einem akuten Abdomen und Abwehrspannung notoperiert. Es zeigte sich, dass die Appendixspitze perforiert war. Es war teils trübes Sekret und Stuhl ausgetreten.

Wegen eines Hämatoms im kleinen Becken musste einen Tag später eine Revisionsoperation erfolgen.

Ich hatte den Ärzten vorgeworfen, den jungen Patienten grob fehlerhaft nicht bereits bei stationärer Aufnahme den Chirurgen des Hauses vorgestellt zu haben. Bei der Behandlung von unklaren Bauchschmerzen, mit Verdacht auf Appendizitis, werden von den Gerichten hohe Anforderungen gestellt. Das OLG Düsseldorf hat bereits 1987 festgestellt, dass ein Krankenhaus fehlerhaft handelt, wenn es bei Einweisung des Patienten durch den Hausarzt mit einem entsprechenden Verdacht auf akute Blinddarmentzündung dem Verdacht nicht umgehend diagnostisch nachgeht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.1987, AZ: 8 U 19/86). Ebenso entschieden haben: OLG Zweibrücken, Urteil vom 02.11.1999, AZ: 5 U 3/99; OLG Hamm, Urteil vom 14.01.1987, AZ: 3 U 90/86.

Der gerichtliche Sachverständigen hatte festgestellt: Die von den Ärzten des Krankenhauses gestellte Diagnose einer Lymphadenitis mesenterica sei nicht vertretbar gewesen. Bei der Vergrößerung mesentialer Lymphknoten handele es sich um einen häufigen und sehr unspezifischen Befund. Eine solche Lymphknotenvergrößerung erlaube keinen Ausschluss einer Appendizitis. Angesichts der Anamnese und der klinischen Zeichen für eine akute Appendizitis hätte der darauf gerichtete Verdacht nicht nur aufgrund einer sonographischen Befundung fallengelassen werden dürfen. Zu beanstanden sei die ärztliche Wertung der Befunde, welche zum Verzicht auf eine sachgerechte Befunderhebung geführt hätten. Bei standardgemäßem Vorgehen hätte die Re-Laparoskopie vermieden werden können.

Das Landgericht Bielefeld hatte - vor Vernehmung des gerichtlichen Gutachters - in einem Hinweisbeschluss zunächst ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.100 Euro unter Bezug auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 06.03.2003, AZ: 8 U 15/02, vorgeschlagen. Das habe ich abgelehnt und wegen der Prozessrisiken einen Abgeltungsbetrag von 6.250 Euro vorgeschlagen, weil die Beklagtenseite erhebliche Einwendungen gegen das gerichtliche Gutachten erhoben hatte. Damit waren die Eltern des Mandanten einverstanden.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht
(Landgericht Bielefeld, Vergleichsbeschluss vom 12.04.2024, AZ: 4 O 143/22)


Foto(s): adobe stock fotos


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