Arzt muss Patienten zwingend über bedrohliche Befunde informieren

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Bereits in früheren höchstrichterlichen Entscheidungen wurde für Recht erkannt, dass ein Patient Anspruch hat auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen. Dies gilt umso mehr, wenn der Patient Kenntnis von den erhobenen Befunden haben muss, um auf der Grundlage dieser Kenntnis weitere medizinisch gebotene Behandlungen durchführen zu lassen. In juristischen Fachkreisen spricht man hier von der Pflicht des Arztes zur therapeutischen Aufklärung bzw. zur Sicherungsaufklärung, weil die Information des Patienten über die erhobenen Befunde die weitere medizinische Behandlung sichern soll.

Diese Pflicht zur Sicherungsaufklärung war Gegenstand des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 26. Juni 2018 (VI ZR 285/17). In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der später vor Gericht klagende Patient jahrelang in Behandlung seiner später verklagten Hausärztin, allerdings zuletzt im August 2008. Im Januar 2009, also mehrere Monate nach der letzten Vorstellung des Patienten bei der Hausärztin, erhielt diese von einem Krankenhaus einen Arztbericht, in welchem ihr mitgeteilt wurde, dass beim Patienten eine Geschwulst aus der Kniekehle entfernt worden war und eine anschließende Gewebeuntersuchung den Befund eines bösartigen Nervenscheidentumors ergeben hatte. Die Hausärztin wurde gebeten, den Patienten an ein onkologisches Spezialzentrum zu verweisen. Aus dem Arztbericht war ersichtlich, dass der Arztbrief lediglich an die Hausärztin verschickt worden war. 

Die Hausärztin hatte den Arztbrief nicht an den Patienten weitergeleitet und ihn auch nicht anderweitig über den bedrohlichen Befund informiert. Erst als sich der Patient im Mai 2010 wegen einer anderen Sache erneut bei seiner Hausärztin vorstellte, kam der Befund zur Sprache. Zu diesem Zeitpunkt war der Tumor bereits wieder erneut aufgetreten (Rezidiv).

Unverständlicherweise unterlag der Patient in zwei Instanzen vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht. Erst der Bundesgerichtshof machte deutlich, dass das Verhalten der Hausärztin selbstverständlich als grober Behandlungsfehler zu werten war.

Denn der Arzt habe sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden – und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung – Kenntnis erhalte, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Ihn treffe eine aus dem Behandlungsvertrag nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekomme, müsse den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergebe, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten habe.

Dieser Fall zeigt wieder einmal eindrücklich wie wichtig es für Patienten ist, sich bei dem Verdacht eines Behandlungsfehlers an einen Rechtsanwalt zu wenden, der die notwendige Spezialkenntnis für Arzthaftungsfragen hat und hartnäckig genug ist, die Sache bis in die letzte Instanz zu tragen.


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