Auf paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung – BGH vom 01.02.2017, XII ZB 601/15

  • 3 Minuten Lesezeit

Fall

Die Beteiligten sind die geschiedenen und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern eines im April 2003 geborenen Sohnes. Der Sohn hielt sich überwiegend bei der Mutter auf. Die Eltern trafen im Januar 2013 eine Umgangsregelung, nach welcher der Sohn den Vater alle 14 Tage am Wochenende besucht.

Der Vater stellte beim AG Schwabach einen Antrag auf Anordnung eines – paritätischen – Wechselmodells als Umgangsregelung. Er beabsichtigte, den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen, außerdem erstrebte er die gleiche Aufteilung der Ferien und Feiertage. Das Amtsgericht hat den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Dessen Beschwerde ist vor dem Oberlandesgericht Nürnberg ohne Erfolg geblieben.

Zur Begründung hatte das Oberlandesgericht ausgeführt, dass das vom Vater begehrte Wechselmodell aus rechtlichen Gründen nicht angeordnet werden könne. Deshalb sei auch von der persönlichen Anhörung des Kindes abgesehen worden. Das Wechselmodell sei rechtssystematisch der Ausübung der elterlichen Sorge zuzuordnen.

Das Umgangsrecht diene nicht der gleichberechtigten Teilhabe beider Eltern am Leben ihrer Kinder. Es sei vom Aufenthaltsbestimmungsrecht abzugrenzen, das Teil der elterlichen Sorge sei. Umgangsanordnungen müssten ihre Grenze spätestens dort finden, wo sie zu einer Änderung oder Festlegung des Lebensmittelpunkts des Kindes führen würden, was jedenfalls bei einer Anordnung der hälftigen Betreuung durch die Eltern und damit eines doppelten Lebensmittelpunkts des Kindes der Fall wäre. Es bestehe deshalb keine Möglichkeit, im Rahmen des Umgangsrechts ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen.

Ergänzend hatte es darauf hingewiesen, dass nach den durchgeführten Ermittlungen auch die materiellen Voraussetzungen für ein Wechselmodell nicht vorlägen. Ein Wechselmodell stelle hohe Anforderungen an die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit beider Eltern. Es könne deshalb nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichtes aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Das Gesetz schließe auf das Wechselmodell gerichtete – umgangs- oder sorgerechtliche – Entscheidungen nicht aus. Über die Anordnung des Wechselmodells sei nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Entscheidender Maßstab für die Regelung des Umgangs sei das Kindeswohl unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Eltern.

Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls in Sorgerechtsfragen hatte der Senat bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt.

Gleiches gelte auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setze die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, sei hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung.

Das Wechselmodell sei demnach anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht.

Auf Seiten des Kindes sei ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür könne gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren. Wesentlicher Aspekt sei zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen sei.

Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung würde das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen. Denn das Kind werde durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerate durch den von den Eltern oftmals ausgeübten „Koalitionsdruck“ in Loyalitätskonflikte. Zugleich werde es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes notwendige Kontinuität und Verlässlichkeit zu schaffen.

Zwar habe das Oberlandesgericht zutreffend berücksichtigt, dass die Konfliktbelastung der Eltern einen gewichtigen Grund gegen die Anordnung eines Wechselmodells darstellt. Eine abschließende Beurteilung sei aber schon deswegen ausgeschlossen, weil das betroffene Kind weder vom Amtsgericht noch vom Oberlandesgericht angehört worden ist.

Fazit

Sowohl Amtsgericht als auch Oberlandesgericht hatten es sich letztlich leicht gemacht und dem Ansinnen des Vaters mehr oder weniger allein aus Rechtsgründen eine Absage erteilt.

Der Bundesgerichtshof ist dem jedoch nicht gefolgt und hat mit dieser Entscheidung noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass die Anordnung eines Wechselmodells rechtlich möglich ist, wenn denn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Sollten die Eltern allerdings nicht zumindest einigermaßen harmonieren, so kommt ein Wechselmodell bereits nicht in Betracht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Saatkamp

Beiträge zum Thema