Kindesunterhalt beim „Wechselmodell“: Wer zahlt, wenn beide Eltern das Kind betreuen?
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Für Kinder ist die Trennung der Eltern besonders hart. Schließlich ist es für sie oftmals schwer zu verstehen, warum Mama und Papa sich nicht mehr liebhaben und ein Elternteil plötzlich auszieht. Obwohl sich die Eltern zumeist auch nach der Trennung bzw. Scheidung weiterhin die elterliche Sorge teilen, besteht die Gefahr der Entfremdung, wenn das Kind einen Elternteil nur noch selten zu Gesicht bekommt. Um zu verhindern, dass die Eltern-Kind-Beziehung zerbricht, entscheiden sich viele Eltern mittlerweile für das sog. Wechselmodell. Doch welcher Elternteil muss dann noch wie viel Unterhalt zahlen?
Allgemeines zur Unterhaltspflicht
Grundsätzlich sind beide Elternteile für ihre Kinder gemäß der §§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unterhaltspflichtig. Solange die Kinder noch minderjährig sind bzw. sich in der Ausbildung befinden oder studieren, besteht die Unterhaltspflicht nicht nur aus finanziellen Mitteln – sog. Barunterhalt –, sondern z. B. auch aus der Betreuung, Fürsorge und Erziehung – sog. Betreuungsunterhalt.
Erst mit Erreichen der Volljährigkeit gelten die Kinder jedoch als erwachsen – sie benötigen daher keine Erziehung oder Betreuung mehr, sodass beide Elternteile nur noch Barunterhalt leisten müssen.
Übrigens: Die Unterhaltspflicht besteht unabhängig davon, wer das Sorgerecht ausübt. Selbst wenn also z. B. einem Elternteil das Sorgerecht vollständig entzogen wurde, kann er unter Umständen unterhaltspflichtig sein.
Residenzmodell – erhöhter Umgang – Wechselmodell?
Nach der Trennung sollte ein Paar relativ schnell klären, wo und mit wem die Kinder fortan leben werden. Auch sollten Eltern in einer Umgangsregelung genau festlegen, wann, wie oft und wie lange die Kinder mit dem Elternteil, bei dem sie nicht wohnen, Umgang haben dürfen.
Residenzmodell
Durchgesetzt hat sich bislang das sog. Residenzmodell. Hier lebt das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil – es besucht den anderen Elternteil lediglich zu bestimmten Umgangszeiten, z. B. jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag. Somit übernimmt der Elternteil, der mit dem Kind in einer Wohnung lebt und es betreut, den weit überwiegenden Teil der Betreuungsverantwortung. Er leistet somit den Betreuungsunterhalt überwiegend allein – der umgangsberechtigte Elternteil ist dann zu 100 Prozent barunterhaltspflichtig, vgl. § 1606 III BGB. Der Unterhaltsanspruch bemisst sich – sofern die Kinder noch minderjährig sind bzw. sich in einer Ausbildung befinden – somit nur nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
Erhöhter Umgang
Ferner gibt es noch die Möglichkeit des erhöhten Umgangs. Hier lebt das Kind zwar auch hauptsächlich bei einem Elternteil – aber der andere Elternteil nimmt sein Umgangsrecht stärker wahr als beim Residenzmodell, z. B. indem das Kind zusammenhängend eine ganze Woche/Monat bei ihm lebt. Auch hier erbringt der Elternteil, bei dem das Kind hauptsächlich wohnt, seine Unterhaltspflicht in Form der Betreuung und Fürsorge, weshalb der umgangsberechtigte Elternteil wie bereits beim klassischen Residenzmodell allein barunterhaltspflichtig ist.
Durch den erhöhten Umgang entstehen ihm aber häufig Mehrausgaben, z. B. erhöhte Fahrtkosten. Dies können Richter unterhaltsmindernd berücksichtigen, indem sie bei der Eingruppierung des Unterhaltspflichtigen in die Düsseldorfer Tabelle oder einer anderen unterhaltsrechtlichen Leitlinie eine Herabstufung in eine niedrigere Einkommensgruppe vornehmen bzw. auf die Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe – die etwa vorgenommen wird, wenn nur ein Unterhaltsberechtigter existiert – verzichten. Ferner können sich Aufwendungen, die den Unterhaltsbedarf des Kindes teilweise decken, unterhaltsmindernd auswirken, etwa die Komplett-Ausstattung des Kindes mit Sommer- und Winterkleidung, vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 12.03.2014, Az.: XII ZB 234/13.
Wechselmodell
Immer beliebter wird mittlerweile das Wechselmodell. Hier teilen sich Vater und Mutter paritätisch – also zu (annähernd) gleichen Teilen – die Kinderbetreuung. Das Kind lebt also zu ca. 50 Prozent bei seiner Mutter und zu ca. 50 Prozent beim Vater. Ob noch erhöhter Umgang oder schon eine paritätische Kindsbetreuung anzunehmen ist, muss jedoch stets im Einzelfall beurteilt werden. So können unregelmäßige, nicht verlässliche Arbeitszeiten eines Elternteils oder auch eine große Entfernung zwischen den elterlichen Wohnungen eher gegen ein Wechselmodell sprechen.
Anordnung des Wechselmodells durch das Familiengericht?
Eltern können ein Wechselmodell vereinbaren, das von den Familiengerichten in der Folge regelmäßig zu billigen ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Elternteil das paritätische Wechselmodell anstrebt, der andere es jedoch strikt ablehnt.
Hierzu hat der BGH nun ein wichtiges Urteil gefällt: Seiner Ansicht nach können Familiengerichte durchaus ein Wechselmodell anordnen – und zwar gegen den Willen eines Elternteils (BGH, Beschluss v. 01.02.2017, Az.: XII ZB 601/15). Nach § 1684 III 1 BGB können Familiengerichte nämlich eindeutig auch über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden.
Allerdings darf ein Wechselmodell nur unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden. So muss das Wechselmodell maßgeblich dem Kindeswohl dienen. Das ist z. B. der Fall, wenn beide Elternteile erziehungsgeeignet sind, das Kind zu beiden eine feste Bindung hat und wenn der Kindeswille ausreichend beachtet wird. Somit sind Kinder bei der Frage, ob sie gleichermaßen bei Mutter und Vater leben möchten, grundsätzlich persönlich anzuhören. Je älter das Kind ist, desto mehr ist sein Wille dabei zu berücksichtigen.
Ferner erfordert das Wechselmodell, dass die Eltern miteinander kommunizieren können – bei der Übergabe des Kindes muss nämlich unter anderem geklärt werden, ob und wann Termine, etwa beim Arzt, in der Schule oder auf einer Kindergeburtstagsfeier, anstehen oder was dort passiert ist bzw. erörtert wurde.
Sind solche Absprachen oder ein Mindestmaß an Übereinstimmung bei der Erziehung sowie eine objektive Kooperationsfähigkeit nicht möglich, macht das Wechselmodell keinen Sinn (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (OLG), Beschluss v. 16.06.2016, Az.: 10 UF 197/15).
Unterhaltspflicht beim Wechselmodell
Beim Wechselmodell kann bei keinem Elternteil ein Schwerpunkt der Betreuung festgestellt werden. Da beide also die Kindsbetreuung gleichermaßen übernehmen, müssen sie auch für den Barunterhalt anteilig aufkommen. In diesem Fall richtet sich der Unterhaltsbedarf des Kindes nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Elternteile, vgl. BGH, Beschluss v. 05.11.2014, Az.: XII ZB 599/13.
Verdient also der Vater z. B. 3000 Euro netto und die Mutter 2000 Euro netto, ergibt das gemeinsame Einkommen 5000 Euro (= 100 Prozent). Der Vater trägt zu 60 Prozent dazu bei, die Mutter zu 40 Prozent. In dieser Höhe müssen sie jeweils auch den anfallenden Unterhaltsbedarf ihres Kindes decken. Zuvor können sie aber von ihrem Einkommen noch ihren Selbstbehalt sowie die Hälfte des – etwa nach der Düsseldorfer Tabelle festgestellten und durch Mehrkosten erhöhten – Kindesbedarfs abziehen, da beide zur Hälfte schließlich auch Betreuungsunterhalt leisten. Der Elternteil, der kein Kindergeld erhält, darf darüber hinaus den Kindsbedarf noch um die Hälfte des Kindergelds mindern. Dagegen muss sich der Elternteil, dem das Kindergeld ausbezahlt wird, dieses voll anrechnen lassen.
Übrigens: Ist ein Elternteil nicht leistungsfähig, greift § 1607 I BGB, die sog. Ersatzhaftung. Hier sind seine Verwandten, vorrangig wohl seine eigenen Eltern, zur Zahlung des Kindesunterhalts verpflichtet.
Wer übernimmt die gerichtliche Vertretung?
Wird vor Gericht um Unterhalt gestritten, stellt sich gerade beim Wechselmodell die Frage, wer das Kind vor Gericht vertreten darf. Denn grundsätzlich wird auch hier auf den Schwerpunkt der Kindsbetreuung abgestellt. Beim Residenzmodell und dem erhöhten Umgang ist also der Elternteil der gesetzliche Vertreter des Kindes, der mit diesem zusammenlebt und es überwiegend versorgt und betreut.
Beim Wechselmodell dagegen teilen sich die Eltern die Kinderbetreuung nahezu gleichmäßig auf. Daher kann keiner von ihnen als gesetzlicher Vertreter vor Gericht auftreten. Vielmehr muss entweder ein Ergänzungspfleger bestellt werden oder ein Elternteil, der seinen Expartner für barunterhaltspflichtig hält, muss vor Gericht die Übertragung der Befugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts auf sich nach § 1628 BGB verlangen (OLG Celle, Beschluss v. 26.08.2014, Az.: 10 UF 163/14).
(VOI)
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