Aufklärungsfehler bei sog. Neulandmethode

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Wählt der Arzt eine Behandlungsmethode, die ein neues Verfahren mit noch nicht abschließender Beurteilung darstellt (sog. Neulandmethode), hat er den Patienten über diesen Umstand sowie über die alternativen Behandlungsmethoden aufzuklären.

Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm reicht es dabei nicht aus, den Patienten darüber aufzuklären, dass es sich um ein neues Verfahren handelt, sondern der Arzt trifft eine gesonderte Aufklärungspflicht, wenn es sich nicht um ein Standardverfahren handelt, bei dem noch keine abschließenden Erfahrungswerte bestehen.

Eine Patientin hatte sich im Jahr 2008 in einem Krankenhaus einem neuen Operationsverfahren (Netzimplantat bei Senkungsoperation) unterzogen. Nach der Operation hatte sie dauerhafte schmerzhafte Beschwerden der Scheide.

Sie klagte vor dem Landgericht Siegen, das den Behandler zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 35.000 € und zur Übernahme zukünftiger Schäden verurteilte.

Gegen dieses Urteil ging der Beklagte in Berufung, der zuständige Senat des Oberlandesgerichts Hamm bestätigte jedoch nun die Entscheidung des Landgerichts Siegen.

Der Eingriff sei zwar fehlerfrei durchgeführt worden, aber rechtswidrig, weil er nicht von einer wirksamen Einwilligungserklärung der Klägerin gedeckt war. Die gewählte Vorgehensweise mit Einsatz eines vorderen, zentralen und hinteren Interponates sei zum Zeitpunkt des operativen Eingriffs keine Standardoperation gewesen, bei dem seit 2005 eingesetzten Verfahren habe ein geringer Erfahrungsschatz bestanden. 

Es habe sich um ein neues Verfahren mit noch nicht abschließender Beurteilung gehandelt. Die Beschwerden der Klägerin in Form einer persistierenden Schmerzhaftigkeit der Scheide ist nach durchgeführter Senkungsoperation mittels Mesh-Interponaten sowie der in den Folgejahren notwendig gewordenen Re-Operationen mit Durchtrennungen von Narbengewebe und Entfernung von Netzteilen eine ganz typische und schwerwiegende Problematik solcher Operationen.

Zwar sei die Klägerin über verschiedene andere Operationsmethoden aufgeklärt worden, jedoch wäre nach Ansicht des Gerichts einer besonderen Aufklärung über den Umstand erforderlich gewesen, dass es sich um eine Neulandmethode handelte, die zu diesem Zeitpunkt kein Standardverfahren war und die Risiken dieser OP noch nicht abschließend bekannt gewesen seien.

Es hätte der Klägerin daher ausdrücklich verdeutlicht werden müssen, dass auch unbekannte Komplikationen auftreten können.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.01.2018, 26 U 76/17

Anmerkung

Seit Februar 2013 ist die Aufklärungspflicht des Arztes in § 630e Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB gesetzlich geregelt.



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