Aufklärungspflichten beim Unternehmenskauf – Leitlinien für Käufer und Verkäufer

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Beim Kauf eines Unternehmens ist es wichtig, sich über Rechte und Pflichten zu informieren. Die Verkäufer müssen alle wichtigen Informationen offenlegen (BGB § 280 Abs. 1). Typische Verstöße gegen die Aufklärungspflicht sind z. B. das Verschweigen von Schulden, die Abhängigkeit von Umsätzen oder die Beendigung eines Geschäfts. Diese Pflichten können auch bei digitalen Datenräumen erfüllt werden. Der BGH hat klare Anforderungen an deren Struktur und die Bereitstellung der Informationen gestellt. Verkäufer und Käufer sollten offen und sorgfältig miteinander umgehen, um Streit zu vermeiden.

von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*



Beim Unternehmenskauf müssen Käufer und Verkäufer eine Vielzahl von Pflichten einhalten, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Vor allem die Aufklärungs-, Informations- und Offenlegungspflichten sind von zentraler Bedeutung, da sie das Vertrauen zwischen den Parteien sichern sollen. Diese Pflichten ergeben sich unter anderem aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 bzw. § 311 Abs. 2BGB (Schadensersatz wegen Verletzung einer vorvertraglichen oder Nebenpflicht) und § 123 BGB (Anfechtung wegen arglistiger Täuschung).

In diesem Beitrag gehen wir auf konkrete Handlungen ein, die eine Verletzung der Aufklärungspflicht darstellen können, und erklären, unter welchen Voraussetzungen diese Pflichten durch die Bereitstellung von Informationen im Datenraum erfüllt werden können.


Typische Handlungen im Unternehmenskauf und ihre rechtliche Bewertung

1. Verschweigen von Schulden

Beispiel: Der Verkäufer erklärt, das Unternehmen sei schuldenfrei, verschweigt aber erhebliche außerbilanzielle Verpflichtungen.
Rechtliche Bewertung: Dieses Verhalten verletzt die vorvertragliche Aufklärungspflicht. Der BGH hat in früheren Urteilen (NJW 1980, 2408) entschieden, dass der Verkäufer dem Käufer alle wesentlichen Informationen offenlegen muss, da sonst eine Haftung aus culpa in contrahendo (cic) besteht.

2. Angaben zu Umsätzen ohne Hinweis auf Abhängigkeit von wenigen Großkunden

Beispiel: Der Verkäufer gibt die Unternehmensumsätze korrekt an, verschweigt jedoch, dass diese hauptsächlich von wenigen Großkunden stammen.
Rechtliche Bewertung: Auch dieses Verschweigen kann eine Aufklärungspflichtverletzung darstellen. Der BGH hat klargestellt, dass der Verkäufer verpflichtet ist, den Käufer über Abhängigkeiten aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden könnten (NJW 1989, 763).

3. Nichtmitteilung einer bevorstehenden Beendigung einer Geschäftsbeziehung mit einem wichtigen Kunden

Beispiel: Ein wichtiger Kunde beendet kurz vor Vertragsabschluss die Geschäftsbeziehung, und der Verkäufer teilt dies dem Käufer nicht mit.
Rechtliche Bewertung: Laut BGH (NJW-RR 1996, 429) ist der Verkäufer verpflichtet, solche wesentlichen Informationen offenzulegen. Wird dies unterlassen, kann der Käufer den Vertrag anfechten und Schadensersatz verlangen.

4. Unvollständige oder fehlerhafte Bereitstellung von Informationen im Datenraum

Beispiel: Der Verkäufer lädt wichtige Dokumente in den virtuellen Datenraum, versäumt jedoch, auf deren Bedeutung explizit hinzuweisen.
Rechtliche Bewertung: Nach dem aktuellen Urteil des BGH (NJW 2023, 3423) reicht die bloße Bereitstellung von Informationen in einem Datenraum nicht aus, um die Aufklärungspflicht zu erfüllen, wenn der Verkäufer nicht berechtigterweise davon ausgehen kann, dass der Käufer die Informationen wahrnehmen und verstehen wird.

5. Falsche oder unvollständige Antworten auf gezielte Fragen des Käufers

Beispiel: Der Käufer fragt nach den größten Risiken des Unternehmens, und der Verkäufer gibt eine unvollständige oder irreführende Antwort.
Rechtliche Bewertung: Unabhängig von einer allgemeinen Aufklärungspflicht muss der Verkäufer Fragen des Käufers korrekt und vollständig beantworten (BGH, 14.6.2019 – V ZR 73/18). Fehlerhafte oder unvollständige Antworten können ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen.


Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufklärungspflicht durch den Datenraum

Eine zentrale Frage in M&A-Transaktionen ist, wann und wie der Verkäufer seine Aufklärungspflichten durch die Bereitstellung von Informationen im virtuellen Datenraum erfüllt. Der BGH hat im Urteil vom 15.9.2023 (V ZR 77/22) klare Anforderungen formuliert:

  1. Struktur des Datenraums: Der Datenraum muss so strukturiert sein, dass der Käufer die wesentlichen Informationen leicht finden kann. Eine klare Benennung der Dokumente sowie eine sinnvolle Ordnerstruktur sind erforderlich. Der Verkäufer kann nicht erwarten, dass der Käufer alle Informationen selbst aus einem unübersichtlichen Datenwust extrahiert (vgl. auch Schudlo/Kemper, BB 2024, 137).
  2. Berechtigte Erwartung der Kenntnisnahme: Der Verkäufer darf nur dann davon ausgehen, dass der Käufer die bereitgestellten Informationen zur Kenntnis nimmt, wenn der Käufer ausreichend Zeit und Gelegenheit hat, diese zu sichten. Wird ein Dokument kurz vor dem Vertragsabschluss hochgeladen, ohne dass der Käufer darauf hingewiesen wird, reicht dies in der Regel nicht aus, um die Aufklärungspflicht zu erfüllen.
  3. Hervorhebung besonders wichtiger Informationen: Bei besonders kritischen Themen, die den Vertragszweck gefährden könnten (z.B. hohe Schulden, drohende Insolvenz), muss der Verkäufer den Käufer gesondert darauf hinweisen, selbst wenn die Informationen im Datenraum enthalten sind. Dies ist besonders wichtig, wenn die Informationen nicht ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. auch BGH NJW 2023, 3423).


Handlungsempfehlungen für Verkäufer

  1. Frühzeitige Offenlegung: Verkäufer sollten wesentliche Informationen proaktiv und frühzeitig offenlegen. Die verspätete Bereitstellung von Informationen im Datenraum kann nicht die Erfüllung der Aufklärungspflicht garantieren, insbesondere wenn der Käufer wenig Zeit hat, diese zu prüfen.
  2. Klare Benennung von Dokumenten im Datenraum: Der Datenraum sollte klar strukturiert sein, mit einer sinnvollen Benennung der Dokumente und einer leicht zugänglichen Suchfunktion. Dies minimiert das Risiko, dass wichtige Informationen übersehen werden.
  3. Aktiver Hinweis auf kritische Themen: Bei besonders relevanten oder heiklen Informationen (z.B. drohende Großkundenverluste, Liquiditätsprobleme) sollten Verkäufer den Käufer gesondert informieren, um die Aufklärungspflicht zu erfüllen.


Handlungsempfehlungen für Käufer

  1. Gründliche Due Diligence: Käufer sollten sicherstellen, dass sie alle relevanten Informationen sichten und bewerten. Eine gründliche Due Diligence ist unerlässlich, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
  2. Gezielte Nachfragen: Wenn wichtige Informationen fehlen oder unklar sind, sollte der Käufer gezielt nachfragen. Unklare Informationen können ein Hinweis auf verdeckte Probleme sein.


Fazit

Die Einhaltung der Aufklärungspflichten ist für einen erfolgreichen Unternehmenskauf unerlässlich. Verkäufer müssen sicherstellen, dass sie alle wesentlichen Informationen vollständig und rechtzeitig offenlegen. Käufer sollten eine gründliche Due Diligence durchführen und im Zweifel nachfragen. Die sorgfältige Nutzung eines gut strukturierten Datenraums kann dazu beitragen, Missverständnisse und spätere Streitigkeiten zu vermeiden.


Quellen

  • BGH, Urteil vom 2. 6. 1980 - VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408
  • BGH, Urteil vom 13-07-1988 - VIII ZR 224/87, NJW 1989, 763
  • OLG München (20. Zivilsenat), Endurteil vom 14.02.2018 - 20 U 2448/17, BeckRS 2018, 1270
  • BGH, Urteil vom 06-12-1995 - VIII ZR 192/94, WiB 1996, 313
  • BGH Urteil vom 15.9.2023 – V ZR 77/22, NJW 2023, 3423
  • Schudlo/Kemper, Vorvertragliche Aufklärungspflichten und deren Erfüllung im Rahmen von M&A-Transaktionen, BB 2024, 137



* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit Unternehmenskaufverträgen, Gesellschafterkonflikten und Liquidation.


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Foto(s): https://unsplash.com/de/fotos/blick-vom-boden-auf-zwei-hohe-gebaude-64grc3AMrH8

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