Aussage eines beurkundenden Notars zur Geschäftsfähigkeit eines Menschen hat keine erhöhte Beweiskraft

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Wer mit älteren, leicht demenziellen Menschen einen Vertrag abschließt, fühlt sich sicherer, wenn der Notar in die Urkunde aufnimmt, dass er sich von der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten durch ein persönliches Gespräch überzeugt habe.

Doch Achtung! Ob eine Person geschäftsunfähig ist, kann letztlich durch einen sachkundigen Gutachter festgestellt werden. Ein Notar ist insoweit nicht in der Lage. So das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, in seiner Entscheidung vom 13.7.2021 (10 U 5/20).

In dem Fall stritten zwei Brüder. Der Kläger machte seinen Pflichtteil nach dem Tod des gemeinsamen Vaters, des Erblassers, den der Beklagte alleine beerbt hat, geltend. Im Jahre 1996 schloss der Kläger mit dem Erblasser einen notariellen Erbverzichtsvertrag und verzichtete darin auf seine Pflichtteilsansprüche. Die danach, im Jahre 2009, zwischen dem Kläger und dem Erblasser notariell geschlossene Aufhebung des Erbverzichtsvertrags sei unwirksam, da der zu diesem Zeitpunkt bereits 86-jährige Erblasser nicht mehr geschäftsfähig war. Seine Willenserklärung war somit nichtig, so das Oberlandesgericht Hamm.  

Das Urteil beschreibt die Geschäftsunfähigkeit wie folgt:

„Gem. § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.“ 

Eine solche krankhafte Störung der Geistesfähigkeit wegen einer fortschreitenden Demenz konnte der gerichtlich als Gutachter bestellte Sachverständige, der als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie die erforderliche Fachkompetenz zur Beurteilung dieser Frage aufweise, eindeutig feststellen. Dies genügte den Richtern.

Eine Vernehmung des beurkundenden Notars sah das Gericht nicht für erforderlich an. Der Notar verfüge als Jurist nicht über das notwendige medizinische Fachwissen, um das Ausmaß einer Demenzerkrankung und damit eine noch vorhandene Geschäftsfähigkeit einschätzen zu können. Deshalb sei den Aussagen von Personen, die zur Zeit der Vornahme des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts mit der betroffenen Person in sozialem Kontakt standen, mangels fachlicher Qualifikation zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB grundsätzlich kein besonderer Beweiswert zuzumessen.


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