Bayerisches Oberstes Landesgericht: Nachtrunk muss zugunsten des Angeklagten berechnet werden!

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Ein Beitrag von Michael Böhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Konstanz


Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Beschluss vom 15.08.2023, Az. 203 StRR 317/23 deutlich gemacht, wie mit einem vom Angeklagten behaupteten Nachtrunk (also: Alkoholkonsum erst nach der Fahrt) umzugehen ist. Zunächst muss das Tatgericht prüfen, ob die Behauptung überhaupt glaubhaft ist. Wenn der Nachtrunk nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden kann, ist abzuklären, wieviel Alkohol überhaupt maximal getrunken worden sei kann, wobei zugunsten des Angeklagten mit dem jeweils niedrigsten Reduktionsfaktor, Abbauwert und Resorptionsdefizit gerechnet werden muss.


Im vom Bayerischen Obersten Landesgericht zu entscheidenden Fall hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth in seinem Berufungsurteil den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt: dabei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwischen der Tat um 22:55 Uhr und zwei Blutentnahmen am Folgetag um 01:58 Uhr mit 2,03 Promille und um 02:28 Uhr mit 1,94 Promille „möglicherweise noch zwei Flaschen Bier getrunken“ worden seien. Weitere Feststellungen zu Größe der Flaschen, Alkoholgehalt, Trinkbeginn, Trinkende, beginn und Ende des Nachtrunks oder zu Körpergeweicht und Konstitution des Angeklagten fehlten. Das Landgericht resümierte lediglich, dass der Nachtrunk die Blutalkoholkonzentration um 0,65 Promille erhöht habe, aber zwischen Ende der Fahrt und erster Blutprobe halbstündlich 0,09 Promille abgebaut worden seien, was zu einem Ergebnis von 1,8 Promille führe.


Bei Fahrtüchtigkeit muss zur Tatzeit geringstmögliche Blutalkoholkonzentration berechnet werden

Die hiergegen erhobene Revision war erfolgreich. Das Bayerische Oberste Landesgericht verlangt, dass der Tatrichter bei der Rückrechnung das Trinkende feststellen muss. Die Dauer der Resorption ist von den persönlichen Faktoren des Fahrers und von der Trinkintensität abhängig, die ersten beiden Stunden nach Trinkende müssen von der Rückrechnung ausgenommen werden. Wenn das Gericht hiervon abweichen will, muss ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Das Ergebnis der zweiten Blutprobe lasse keinen Rückschluss auf die Resorptionsdauer zu.


Nachtrunk muss genau geklärt werden

Wenn der behauptete Nachtrunk grundsätzlich glaubhaft erscheint, muss das Tatgericht klären, welche maximale Alkoholmenge konsumiert worden sein kann. Anschließend ist die Blutalkoholkonzentration unter Verwendung der Widmark-Formel zu berechnen(Menge des Alkohol des Nachtrunks in Gramm geteilt mit dem sog. Reduktionsfaktor multiplizierte Körpergewicht). Von diesem Wert ist danach das sog. Resorptionsdefizit abzuziehen und ein Alkoholabbau nach Beginn des Nachtrunks zu beachten.


Verteidigungsmöglichkeiten voll ausschöpfen

Beim Nachtrunk ist von der Verteidigung stets zu beachten, dass das Gericht entweder korrekt zugunsten des Angeklagten rechnet oder sich eines Sachverständigen bedient.


Als erfahrener und bundesweit tätiger Fachanwalt für Verkehrsrecht und Verteidiger in Verkehrsstrafsachen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. 


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