Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann trotz Nichteinhaltung der Schriftform wirksam sein

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Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann es einem Arbeitnehmer ausnahmsweise versagt sein, sich auf einen Formmangel zu berufen und den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses für sich in Anspruch zu nehmen, meint das Hessische Landesarbeitsgericht.

Eine Sachbearbeiterin bekannte bei ihrem Arbeitgeber ihren Wunsch nach einen Wechsel ihres Arbeitsverhältnisses zur Schwester-Gesellschaft in die Schweiz. Zunächst war jedoch im Schweizerischen Schwesterunternehmen keine Stelle frei. Im Frühjahr 2007 war dann soweit. Für unsere Sachbearbeiterin war endlich ein Arbeitsplatz frei. Sofort nahm unsere Sachbearbeiterin das Angebot an und bekam von ihrem Arbeitgeber das folgende Schreiben:

Wir freuen uns, dass sie bereit sind, ihre berufliche Karriere ab dem 1. Juli 2007 bei B fortzusetzen. Mit Ihrer Flexibilität beweisen Sie, dass Sie ein „echter Macher" im Sinne unserer Unternehmensleitlinien sind.
Der Form halber kurz: Ihr Anstellungsverhältnis mit der D endet zum 30. Juni 2007"

Am 25. Juni unterschrieb unsere Sachbearbeiterin bei der Schweizerischen Schwester ihres bisherigen Arbeitgebers einen Arbeitsvertrag nach Schweizer Recht. Am 30. Juni erteilte ihr Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis und meldete sie bei der deutschen Sozialversicherung ab.

Am 1. Juli begann ihr Arbeitsverhältnis bei der Schwester in der Schweiz. Die Schweizer Schwester kündigte ihr mit Schreiben vom 25. August 2011 zum 30. November 2011. Sie bekam dafür eine Abgangsentschädigung nach Schweizerischen Obligationenrecht in Höhe von 24.000 Schweizer Franken.

Mit Schreiben vom 3. November 2011 machte unsere Sachbearbeiterin bei ihrem früheren Arbeitgeber gegenüber ihre Weiterbeschäftigung ab dem 1. Dezember 2011 geltend. Da es keinen schriftlichen Aufhebungsvertrag gebe, läge ein Formmangel vor und ihr Arbeitsverhältnis bestünde fort.

Da ihr ehemaliger Arbeitgeber von einem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeht, klagt unsere Sachbearbeiterin vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und ihrem (ehemaligen) Arbeitgeber fortbestehe.

Während das Arbeitsgericht ihrer Klage mit der Begründung stattgab, dass ein wirksamer Beendigungstatbestand für das Arbeitsverhältnis nicht gegeben sei, wies das Landesarbeitsgericht ihre Klage ab.

Der Sachbearbeiterin sei zuzugeben, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien keine formgerechte Beendigung gefunden hat. Nach dem Gesetz bedürfe die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Auflösungsvertrag für ihre Wirksamkeit der Schriftform. Diese liege hier nicht vor. Dennoch sei ihr versagt,  sich jetzt noch auf diesen Formmangel zu berufen und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2007 für sich in Anspruch zu nehmen.

Die Berufung auf einen Formmangel könne zwar nur ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies sei aber hier der Fall.

Es sei die Sachbearbeiterin selbst gewesen, die bereits 2006 aus persönlichen Gründen zu dem Schwesterunternehmen  in die Schweiz wechseln wollte. Im Jahr 2007 wurde dort eine Stelle frei, die man ihr anbot. Sie sei sozusagen „mit fliegenden Fahnen" dorthin gewechselt. Eine Kündigungsfrist hat sie nicht beachtet und auch nicht beachten müssen, weil ihr Arbeitgeber darauf keinen Wert legte. Im Gegenteil wurde ihr vom Arbeitgeber der Weg geebnet, möglichst reibungslos und ohne einen Tag Ausfall vom 30. Juni 2007 zum 1. Juli 2007 bei dem Schwesterunternehmen anzufangen. Die Sachbearbeiterin hat mit ihrem neuen Arbeitgeber sogar die deutsche Rechtsordnung verlassen und sich arbeitsvertraglich ausdrücklich dem Schweizer Recht unterstellt. Ohne ihren Widerspruch  teilte ihr bisheriger Arbeitgeber ihr mit Schreiben vom 14. Juni 2007 mit, dass ihr bisheriges Anstellungsverhältnis  am 30. Juni 2007 endete.

Der Zeitablauf und die geschilderten Umstände haben ihren bisherigen Arbeitgeber darauf vertrauen lassen dürfen, dass die Sachbearbeiterin trotz Nichteinhaltung der Form ihr Arbeitsverhältnis bei ihrem bisherigen Arbeitgeber als beendet ansieht und es auch nicht wieder aufnehmen will.

Aus all diesen Gründen kann sie sich jetzt nicht mehr auf den Formmangel berufen. Ihr Arbeitsverhältnis mit ihrem bisherigen Arbeitgeber ist seit ihrem Weggang in die Schweiz beendet.

(Quelle:  Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 26.02.2013; 13 Sa 845/12

Vorinstanz Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.12.2012; 19 Ca 7422/11)

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