Bei BU-Rente weiterarbeiten oder wieder arbeiten möglich?

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Immer wieder wird die Frage gestellt, ob man trotz Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente weiterarbeiten kann.

Dazu gibt es eine einfache Faustregel:

Zulässig ist

- in der alten Berufstätigkeit unter 50% der alten Arbeitszeit

- in einer neuen Berufstätigkeit bis zu 80% des alten Einkommens.

Im Einzelfall kann es aber auch durch Regelungen der Versicherungsbedingungen anders sein.

Die gleiche Berufstätigkeit kann der Versicherte nur noch  mit weniger als 50 % der alten Arbeitszeit ausüben, sonst verliert er (höchstwahrscheinlich) die BU-Rente.

Wir haben "höchstwahrscheinlich" geschrieben. Ausnahmsweise kann der Versicherte auch berufsunfähig sein und gleichzeitig in dem alten Beruf noch über 50% arbeiten. Der Nachweis berufsunfähig zu sein, ist dann aber viel schwieriger. Die Gerichte sprechen davon, dass dann die Fähigkeit den Beruf auszuüben, vermutet wird. Man dann immer noch eine Berufsunfähigkeit beweisen, das wird aber schwieriger.

Empfehlung für den alten Beruf: unter 50% der Arbeitszeit bleiben

Wenn Sie die Möglichkeit haben immer noch oder wieder die alte Berufstätigkeit (das meint die konkrete Berufstätigkeit, die sie vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübt haben) wieder auszuüben, bleiben Sie sicherheitshalber unter 50% der alten Arbeitszeit.

Empfehlung für eine neue / andere Berufstätigkeit

Möglich ist aber eine andere (neue) Berufstätigkeit. Ob eine andere Tätigkeit zum Verlust der Ansprüche gegen die Berufsunfähigkeits-Versicherung führt, hängt von der sogenannten Verweisungsklausel ab. Diese Klausel versteckt sich in den Allgemeinen Bedingungen der Versicherung.

Man unterscheidet konkrete und abstrakte Verweisungsklauseln.

1. Konkrete Verweisung

In den meisten Verträgen enthalten die Allgemeinen Bedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung die Möglichkeit des Versicherers, sie konkret auf einen Beruf zu verweisen (konkrete Verweisungsklausel).

Ein Formulierungsbeispiel aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Allianz:

„Vollständig Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens drei Jahre außerstande sein wird, sein Beruf auszuüben und er auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“

Was bedeutet das? 

Soweit die Berufsunfähigkeit zunächst einmal anerkannt wurde (vom Versicherer), sind Sie leistungsberechtigt, solange Sie nicht die Berufstätigkeit vor der Krankheit weiter ausüben in der gleichen Form oder eine ähnliche Tätigkeit.

Deswegen wird beispielsweise formuliert: „keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht“.

Solange Sie also keine Tätigkeit ausüben und berufsunfähig sind, besteht in jedem Fall der Leistungsanspruch gegenüber dem Versicherer.

Wenn Sie eine andere Tätigkeit aufnehmen, wird der Versicherer versuchen, Sie auf diese Tätigkeit zu verweisen und Zahlungen einzustellen.

Versicherungsunternehmen nutzen eine solche Verweisung sehr häufig.

Was sind die Voraussetzungen einer Verweisung?

Wenn Sie wieder eine Arbeit aufnehmen, dann ist der Versicherer berechtigt, die Zahlungen einzustellen, wenn

die neue Arbeit Ihrer „bisherigen Lebensstellung“ entspricht.

Dafür ist erforderlich, dass die Tätigkeit

  1. hinsichtlich der sozialen Stellung gleich angesehen ist und
  2. ein Einkommen von mindestens 80 % der vorherigen Tätigkeit erreicht wird

Erfüllt eine Arbeit die obigen Kriterien, ist sie gleichwertig und die Ansprüche gegen den Versicherer erlöschen.

In vielen Verträgen ist in den Bedingungen angegeben, ab wieviel Prozent des vorherigen Einkommens eine neue Arbeit als gleichwertig anzusehen ist. In anderen Verträgen ist dies nicht definiert.

Wenn bei Ihrem Vertrag eine Mindest- oder Höchstgrenze der finanziell hinnehmbaren Einbußen nicht definiert ist, birgt dies Konfliktstoff.

Das bedeutet:

Auch hier ist davon auszugehen, dass der Versicherer versuchen wird, wenn Sie eine neue Tätigkeit aufnehmen, bei der Sie weniger als 80 % ihres vorherigen Einkommens erhalten, Sie auf diesen Beruf zu verweisen und weitere Zahlungen einzustellen.

Hinsichtlich der sozialen Stellung und Gleichwertigkeit des Berufes ergeben sich auch immer mögliche Streitpunkte, da dies ebenfalls auslegungsbedürftig ist. Kann z. B. ein selbständiger Handwerker auf einen „angestellten Hausmeisterposten“ verwiesen werden? Streitpunkt kann dabei sein, ob eine selbstständige Tätigkeit sozial höher anzusehen ist. Sieht man eine selbstständige Tätigkeit als sozial hochwertiger an, dann könnte der Handwerker als angestellter Hausmeister arbeiten und weiterhin seine BU-Rente beziehen.

2. abstrakte Verweisung

Achtung: Eventuell enthält Ihr Vertrag sogar noch eine versteckte abstrakte Verweisungsklausel. 

Danach wird die Versicherung von ihrer Leistungspflicht frei, wenn Sie in der Lage sind eine Tätigkeit auszuüben, die aufgrund „Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann …“

Die Versicherung muss also auch dann nicht zahlen, wenn es irgendeinen Beruf gibt, der zwar nicht gleich ist, aber Ihren Fähigkeiten und Kenntnissen und Ihrer Lebensstellung entspricht.

Das heißt, wenn es einen Beruf gibt, der Ihrer Lebensstellung und Ihren Fähigkeiten entspricht, können Sie auf eine solche Arbeit verwiesen werden und zwar unabhängig davon, ob es auf dem Arbeitsmarkt freie Stellen gibt oder nicht.

Es genügt, dass Sie fähig wären, einen solchen Beruf auszuüben. 

Das ist sehr häufig der Fall. Eine abstrakte Verweisungsklausel ist deshalb nachteilig für den Versicherten. Dennoch gibt es hier viel Raum für Argumentation, sodass mit anwaltlicher Hilfe hier oft einiges erreicht werden kann.

3. Nachprüfungsverfahren

Das Versicherungs-Unternehmen darf das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit von sich aus jederzeit nachprüfen. Er kann dafür Auskünfte sowohl hinsichtlich der Krankheit als auch über die aktuelle Berufstätigkeit als auch ärztliche Untersuchungen verlangen.

Die Versicherung kann also immer wieder überprüfen, ob Sie in der Lage sind, den „zuletzt ausgeübten Beruf“ wieder aufzunehmen. 

Es kommt also auch im Nachprüfungsverfahren immer darauf an, ob der zuletzt ausgeübte Beruf zu 50 % nicht mehr ausgeübt werden kann. Dann sind Sie weiterhin berufsunfähig auch im Nachprüfungsverfahren.

Der Versicherer wird also bei einer anderen Berufstätigkeit die Leistungen einstellen mit der Begründung, dass die neue Berufstätigkeit identisch oder gleichwertig ist und Sie deshalb nicht mehr berufsunfähig sind.

So einfach ist das natürlich nicht, denn es muss sehr genau untersucht werden, was Sie in Ihrem alten Beruf gemacht haben. Es kann also sein, dass In Ihrem Fall ein Vergleich der alten Tätigkeit mit der (eine möglichen) neuen Tätigkeit ergibt, dass die Tätigkeiten nicht vergleichbar sind.

4. Was wird der Versicherer probieren?

Der Versicherer wird alles versuchen, sich von seiner bisherigen Leistungspflicht zu befreien, sobald Sie eine neue Tätigkeit aufnehmen. Der Versicherer wird versuchen, Sie auf diesen neuen Beruf zu verweisen und wird die Zahlungen einstellen. 

5. Was können Sie tun?

Lassen Sie sich vor Aufnahme einer neuen Berufstätigkeit von einem anwaltlichen Spezialisten beraten.

Aber auch wenn im Rahmen des Nachprüfungsverfahren die Versicherung die Leistungen eingestellt hat, gibt es noch Möglichkeiten diesen zur Zahlung der BU-Leistungen zu zwingen.

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