Beratungspflicht des Sozialhilfeträgers bei Beratungsbedarf in wichtiger rentenrechtlicher Frage

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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 02. August 2018 zu III ZR 466/16 entschieden, dass Träger der Sozialhilfe eine umfangreiche Beratungspflicht gemäß § 14 Satz 1 SGB I haben, wenn bei Beantragung von laufenden Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung nach §§ 41 ff SGB XII ein dringender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf erkennbar ist.

Der Kläger, der schwerbehindert ist, nahm den Sozialhilfeträger unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG) wegen fehlerhafter Beratung auf Schadensersatz im Umfang der ihm entgangenen Differenz zwischen der Rente wegen voller Erwerbsminderung und den gewährten Sozialhilfeleistungen in Anspruch (EUR 50.322,61). Nachdem eine neue Sachbearbeiterin des Sozialhilfeträger den Kläger spätestens im Juli 2011 richtig beraten hatte, gewährte der Rentenversicherungsträger ihm ab dem Ersten des auf den Rentenantrag folgenden Monats (01.08.2011) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und stellte fest, dass die Voraussetzungen bereits seit dem 10.11.2004 vorlagen. Zudem wäre dem Kläger bei rechtzeitiger Antragstellung eine Rente bereits ab dem 01.12.2014 gewährt worden. Vor dem Landgericht hatte er den Schadenersatzanspruch noch durchsetzen können. Auf Berufung des Sozialhilfeträgers wurde das stattgebende Urteil aufgehoben. In der Revisionsinstanz bekam der Kläger jetzt Recht, verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Im Sozialrecht bestehen nach der richtigen Auffassung des BGH für die Sozialleistungsträger besondere Beratungs- und Betreuungspflichten. Ein mit Fragen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung befasster Sachbearbeiter eines Sozialamts muss mit Blick auf die Verzahnung und Verknüpfung der Sozialleistungssysteme in Erwägung ziehen, dass bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein gesetzlicher Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit bestehen konnte. Er hätte daher zumindest auch ohne entsprechendes Beratungsbegehren einen Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geben müssen. 

Die Entscheidung ist zu begrüßen und sollte jedem Sachbearbeiter der Sozialämter zur Verfügung gestellt werden. 


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