Berufsunfähigkeitsversicherung: Leistungsanspruch trotz Wegfalls der Berufsunfähigkeit

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Wegfall der Berufsunfähigkeit führt nicht automatisch auch zum Wegfall der Leistungspflicht

Vielen Versicherungsnehmern sind die Voraussetzungen, unter denen ein Versicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit wieder einstellen kann, nicht bekannt. Von Bedeutung ist insbesondere die Frage, ob der Wegfall der Berufsunfähigkeit automatisch zur Einstellung der Leistungspflicht führt und was passieren kann, wenn der Versicherer zuvor Leistungen wegen Berufsunfähigkeit verweigert hat und der Versicherungsnehmer wieder berufsfähig wird.

Versicherer muss Nachprüfungsverfahren durchführen

Versicherer müssen Leistungen wegen Berufsunfähigkeit weiterhin erbringen, wenn sie bei späterem Wegfall der Berufsunfähigkeit dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Änderungsmitteilung zukommen lassen. Werden Leistungen wegen Berufsunfähigkeit bewilligt, kann sich der Versicherer von seiner Leistungspflicht nur im Rahmen eines ordnungsgemäß durchgeführten Nachprüfungsverfahrens lösen.

Änderungsmitteilung auch bei Nichtabgabe eines Leistungsanerkenntnisses erforderlich

Der Bundesgerichtshof hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 18.12.2019 zum Aktenzeichen IV ZR 65/19 seine Senatsrechtsprechung erneut bekräftigt und klargestellt, dass das Erfordernis einer Änderungsmitteilung durch den Versicherer bei späterem Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit selbst dann greift, wenn der Versicherer zuvor kein gebotenes Leistungsanerkenntnis abgegeben und seine Leistungspflicht verneint hat.

Versicherer hatte Leistungspflicht abgelehnt und Vertrag gekündigt

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger seine berufliche Tätigkeit im Mai 2010 beendet und später Leistungen wegen Berufsunfähigkeit beantragt. Der Versicherer lehnte seine Leistungspflicht ab, kündigte die BU-Zusatzversicherung außerordentlich und fristlos und erstattete darüber hinaus Strafanzeige wegen versuchten Betruges. Von diesem Vorwurf wurde der VN später rechtskräftig freigesprochen.

Berufsunfähigkeit lag für mehr als 6 Monate vor, war jedoch bereits wieder entfallen

Im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wurde festgestellt, dass der Kläger in dem Zeitraum von Mai 2010 bis September 2012 berufsunfähig gewesen sei.

Versicherer versäumte Durchführung des Nachprüfungsverfahrens

Da der Versicherer nach seiner Auffassung leistungsfrei gewesen ist und den Vertrag gekündigt hatte, hatte er das nach den vertraglichen Bedingungen erforderliche Nachprüfungsverfahren als Voraussetzung für einen Wegfall der Leistungspflicht nicht durchgeführt. Erst mit Schreiben vom 12.12.2017, das dem Kläger am 11.01.2018 zuging, wurde hilfsweise die Einstellung der Leistungspflicht mitgeteilt.

Keine Leistungsfreiheit trotz Wegfalls der Berufsunfähigkeit

Das versäumte Nachprüfungsverfahren wurde dem Versicherer zum Verhängnis.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Versicherer trotz Wegfall der Berufsunfähigkeit nicht bereits ab Oktober 2012 leistungsfrei geworden war, da der Versicherer die Änderung des Gesundheitszustands auf dem vertraglich vorgesehenen Weg des Nachprüfungsverfahrens geltend machen müsse. Dies gelte auch dann, wenn der Versicherer den geltend gemachten Leistungsanspruch zuvor zu Unrecht abgelehnt habe. Dies hatte der Versicherer versäumt.

Leistungsanspruch für weitere 19 Monate nach Wegfall der Berufsunfähigkeit

Das Versäumnis des Versicherers hatte hier zur Folge, dass dem Kläger trotz Wegfalls der Berufsunfähigkeit noch für weitere 19 Monate Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit zustanden.

Erfordernis eines Nachprüfungsverfahrens auch bei fehlendem Anerkenntnis

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil seine Senatsrechtsprechung bekräftigt und erneut bestätigt: Versicherer können sich von ihrer Leistungspflicht nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügenden Änderungsmitteilung lösen. Dies gilt jedoch nicht nur bei einem zuvor abgegebenen Leistungsanerkenntnis, sondern auch für den Fall, dass der Versicherer ein gebotenes Leistungsanerkenntnis nicht abgegeben hat, die Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis erlaubt hätten oder der Versicherer, wie hier, seine Leistungspflicht zu Unecht verweigert hat.

Versicherer hätte Änderungsmitteilung hilfsweise erklären können und müssen

Der Versicherer hätte die Änderungsmitteilung, für welche der Gesundheitszustand der versicherten Person bei Antragsstellung dem späteren gegenüberzustellen ist, hilfsweise und unter Aufrechterhaltung seiner Leistungsablehnung abgeben müssen.

Fazit

Werden beantragte Leistungen wegen Berufsunfähigkeit abgelehnt, (nur) ein zeitlich befristetes Anerkenntnis abgegeben, eine vermeinte Kulanzleistung angeboten, der Anspruch vollständig abgelehnt (ggf. auch der Rücktritt vom Vertrag erklärt oder dieser wegen Arglist angefochten) oder aber eine Leistung eingestellt, sollten Versicherungsnehmer stehts und umgehend fachkundige Hilfe an Anspruch nehmen, um keine Rechtsnachteile zu riskieren. 

Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.


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