Berufsunfähig? Wie gehe ich mit dem Gutachter um?

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Wer erkrankt oder einen Unfall hatte und berufsunfähig ist, ist oft etwas ratlos im Umgang mit der Versicherung. Wir stellen in Gesprächen mit Mandanten fest, dass hier viel Unsicherheit im Umgang mit Versicherung und Gutachtern herrscht. Der folgende Artikel soll Antworten und Hilfestellung zu der Frage, wie gehe ich mit den Gutachtern um.

Wer wählt den Gutachter aus?

Lediglich der Gutachter kann den Umfang einer Erkrankung oder Unfallfolgen feststellen und zugleich eine langfristige Prognose erstellen. Dabei wird sehr häufig bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit von Versicherern ein Gutachter beauftragt. Die Auswahl des Gutachters übernimmt das Versicherungsunternehmen. 

Die Kosten für das Gutachten muss die Versicherung tragen. Wenn in Gerichtsverfahren um Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gestritten wird, geben dann die Gerichte Gutachten in Auftrag.

Sind Gutachter voreingenommen – ist es gefährlich, zu einem Gutachter zu gehen?

Es stimmt, Versicherer beauftragen immer wieder die gleichen Gutachter. Es ist auch richtig, dass viele von den beauftragten Gutachtern immer wieder regelmäßig Aufträge von Versicherern erhalten. Es gibt durchaus viele Gutachter, die von Versicherungen wirtschaftlich abhängig sind. 

Eine häufige Beauftragung führt nicht automatisch dazu, dass der Gutachter nur noch Gutachten im Sinne des Versicherers erstellt. Dennoch wird es zumindest bei einem Teil der Gutachter die Tendenz geben, eine gewisse Ablehnungsquote zu erreichen, um den Versicherer, von dem der Gutachter besonders häufig beauftragt wird, nicht zu enttäuschen. Zum Teil wird diese Tendenz den Gutachter möglicherweise nicht einmal selbst bewusst sein.

Es gibt leider voreingenommene Gutachter

Herr Rechtsanwalt Dawood hat in Fortbildungen schon mehrere Gutachter persönlich erlebt:

„Besonders bei einem Gutachter fiel mir eine Tendenz auf, dass dieser Gutachter den Versicherungsnehmern, die untersucht werden sollen, sehr skeptisch gegenüberstand. Sicherlich gibt es auch Einzelfälle, in denen sich Versicherungsnehmer zu Unrecht eine BU-Rente erschleichen wollen. Eine generelle Skepsis gegenüber den zu untersuchenden Personen halte ich jedoch für schwierig. Eine solche negative Grundeinstellung kann und wird die Testergebnisse beeinflussen. 

Besonders schwerwiegend sind die Auswirkungen im Bereich der psychischen Erkrankungen. Diese und deren Auswirkungen sind sowieso schwierig festzustellen. Es lässt sich auch statistisch nachweisen, dass Gutachter auch bei gleichen Personen häufig zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen.“

Das kann man tun: Erkundigen und Gutachter bei Verdacht ablehnen

Wenn die Versicherung einen bestimmten Gutachter benennt, ist es auch möglich, sich vorher über den Gutachter im Internet zu informieren oder sich bei einem im Versicherungsrecht erfahrenen, spezialisierten Rechtsanwalt nach dem Gutachter zu erkundigen. Man kann den Gutachter ablehnen und den Versicherer zu bitten, einen anderen Gutachter zu benennen. Oft kommen Versicherer dieser Bitte nach und benennen einen anderen Gutachter.

Das hilft: Gute Vorbereitung des Gutachtertermins

Am besten ist es, wenn ein Gerichtsverfahren erst gar nicht nötig wird und man schon im Vorfeld eine Anerkennung der Berufsunfähigkeit erhält.

Dabei kann eine gute Vorbereitung auf den Termin mit dem Gutachter schon viel ausmachen. 

Bei der Begutachtung geht es ja nicht nur darum, ob der Betroffene tatsächlich krank ist. Der wichtigste Punkt ist, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Krankheiten dazu führen, dass der Beruf des Betroffenen nicht mehr ausgeübt werden kann. Eine Berufsunfähigkeit kann der Gutachter aber nur dann feststellen, wenn der Kranke ganz genau beschreibt, was er bei der Berufsausübung genau gemacht hat und auch besonders wichtige Teile seiner Berufstätigkeit genau beschreibt. 

Am besten ist es, diesen Tätigkeitsbericht vorher schriftlich vorbereiten, da in der Aufregung beim Gutachtertermin möglicherweise wichtige Details vergessen werden. 

Nehmen Sie zum Gutachtertermin alle Unterlagen mit, die sowohl den Gesundheitszustand (Atteste) als auch Ihre bisherigen beruflichen Anforderungen (z. B. Stellenbeschreibung, Bewerbungsausschreibung, Einsatzpläne etc.) genau darstellen. Lediglich ein bereits vorhandenes ungünstiges Gutachten sollte nicht vorgelegt werden, um die Unvoreingenommenheit des Gutachters nicht zu gefährden.

Mit Begleitung zum Gutachter?

Es empfiehlt sich, einen Zeugen mit zum Gutachter zu nehmen. Das kann grundsätzlich jede Person sein. Besser als den eigenen Ehepartner ist aber ein (zuverlässiger) Freund oder etwas entfernterer Verwandter. Wenn die Begutachtung zu oberflächlich ist, oder der Gutachter voreingenommene Fragen stellt, kann ein Begleiter dies später bezeugen. Besonders im Bereich der psychischen Erkrankungen gibt es Fangfragen. 

Beispielsweise wird gefragt, ob man gut einen Parkplatz gefunden habe. Wenn der Betroffene dies bejaht, geht der Gutachter davon aus, dass der Betroffene keine Psychopharmaka einnimmt, weil er dann nicht selber fahren kann. 

Begleitung abklären

Wenn Sie zum Gutachtertermin begleitet werden, bitten Sie den Versicherer, dies zuzulassen. Begründen Sie auch Ihren Wunsch.

Nach dem Gutachtertermin

Nachbereitung

Fertigen Sie direkt nach dem Gutachtertermin ein Gedächtnisprotokoll an. Lassen Sie dieses Gedächtnisprotokoll durch die Begleitperson unterschreiben und bestätigen. Nur so sind Sie später in der Lage nachzulesen, welche Fragen der Gutachter gestellt hat und was alles untersucht wurde. Mit zunehmender Zeit (insbesondere Gerichtsverfahren können über mehrere Jahre gehen) werden Ihnen immer mehr Details nicht mehr einfallen.

Nach Ablehnung Gegengutachten lohnt sich nicht

Ein Gegengutachten auf eigene Kosten ist in den meisten Fällen nicht sinnvoll. Das ist sehr teuer und wird häufig vom Versicherer nicht anerkannt.

In streitigen Fällen bleibt dann nur das Gerichtsverfahren?

Wenn der Versicherer bei der Ablehnung bleibt, kann dennoch ein spezialisierter Rechtsanwalt häufig ohne Gerichtsverfahren entweder eine vollständige Anerkennung oder zumindest einen Vergleich erreichen.

Bleibt das Versicherungsunternehmen dann immer noch stur bei der Ablehnung, bleibt nur noch eine Klage. Gut dran ist derjenige, der eine Rechtsschutzversicherung hat. Die Gerichtsverfahren sind teuer und ohne eine Rechtsschutzversicherung kommen Betroffene sehr schnell an ihre finanziellen Grenzen. Ohne Rechtsschutzversicherung klären wir Sie gerne unverbindlich über die voraussichtlich entstehenden Kosten auf.

Kostenlos klären wir auch die Übernahme durch die Rechtsschutzversicherung ab. Tun Sie das möglichst nicht selbst, weil zumindest ein (kleinerer) Teil der Rechtsschutzversicherungen viel dafür tun, den Fall „abzuwimmeln“.

Sie benötigen Hilfe?

Gerne unterstützen wir Sie bei allen Fragen rund um die Berufsunfähigkeit. 

Eine erste Einschätzung übernehmen wir kostenlos und unverbindlich. Kontaktieren Sie uns per E-Mail, Fax oder telefonisch.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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