Beschlagnahme und Durchsicht des Handys durch die Polizei ​- Rechte des Beschuldigten

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1) Ausgangssituation

Bei vorläufigen Festnahmen durch die Polizei ist es fast schon zum Regelfall geworden, dass die Polizeibeamten das Handy eines Beschuldigten sichten möchten. Der Beschuldigte gewinnt häufig den Eindruck, dass er verpflichtet sei, das Handy herauszugeben, der Polizei sogar die PIN mitzuteilen.

Gibt es eine Mitwirkungspflicht eines Beschuldigten? Muss er das Handy der Polizei übergeben, ihr die PIN mitteilen?

2) Herausgabepflicht des Beschuldigten?

Grundsätzlich gilt: Eine Herausgabepflicht besteht nicht, sofern nicht ein richterlicher Beschluss vorliegt oder die Polizei ausdrücklich die Herausgabe wegen Gefahr im Verzug anordnet.

Gefahr im Verzug besteht dann, wenn eine richterliche oder zumindest staatsanwaltschaftliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, da sonst der Zweck der Maßnahme gefährdet würde. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn für die Einholung der Anordnung so viel Zeit benötigt würde, dass in dieser Zeit ein Beschuldigter Beweismittel, zu welchen das Handy zählt, verschwinden lassen könnte. Die Polizei muss in der Akte die Voraussetzungen von Gefahr im Verzug genau dokumentieren.

Nur, wenn also ein richterlicher Beschluss vorliegt oder eine ausdrückliche Anordnung der Polizei wegen Gefahr im Verzug erfolgt, muss das Handy der Polizei übergeben werden.

3) Pflicht zur Bekanntgabe der PIN?

Aber auch, wenn die Polizei das Smartphone beschlagnahmt hat, also in ihrem Besitz hat, genügt das allein i. d. R. nicht, um es sichten zu können. Es werden die PIN / die Zugangsdaten benötigt, um die gespeicherten Inhalte lesen zu können.

Diese kennt aber grundsätzlich nur der Beschuldigte.

Niemand ist verpflichtet, seine PIN bekanntzugeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Schweigerecht, das jeder Beschuldigte hat. Außerdem gilt der Grundsatz, dass sich niemand selbst zu belasten braucht.  Es kann also niemand gezwungen werden, selbst aktiv an seiner eventuellen eigenen Überführung mitzuwirken.

Achtung: Es gibt mittlerweile gerichtliche Entscheidungen, wonach die Polizei durch ggfs. auch zwangsweises Führen der Finger eines Beschuldigten versuchen kann, ob das Handy per Fingerabdruck geöffnet werden kann. Dies sei kein aktives Tun des Beschuldigten, sondern nur ein Dulden - so die richterliche Ansicht. Ob diese Rechtsprechung Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.

4) Öffnen des Handys durch einen Sachverständigen ?

Wird die Bekanntgabe der PIN verweigert, wird von der Polizei häufig erklärt, dass dann mithilfe eines Sachverständigen versucht werde, an den Inhalt des Handys zu gelangen, das Handy zu "knacken", dies aber sehr teuer sei, dabei auch das Handy zerstört werden könne, auch dass es dann umso länger dauere, bis dieses wieder zurückgegeben werde.

Durch solche Äußerungen sollte man sich nicht unter Druck setzen lassen, sondern die Nerven bewahren.

Die Polizei muss für die Einschaltung eines Sachverständigen die Genehmigung der Staatsanwaltschaft haben. Diese muss zuvor die dafür anfallenden Kosten prüfen, da der Staat diese zunächst einmal zu tragen hat. 

Es bleibt also genügend Zeit, einen Anwalt um Rat zu fragen, sinnvollerweise einen Fachanwalt für Strafrecht. Dieser wird überprüfen, ob das Handy überhaupt rechtmäßig beschlagnahmt wurde. Sollte dies der Fall sein, wird abzuwägen sein, ob die Bekanntgabe der PIN sinnvoll ist oder besser unterlassen wird. Die dafür und dagegen sprechenden Umstände können aber nur in einem vertrauensvollen Gespräch mit dem Strafverteidiger, der der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegt, erörtert werden.

5) Folgen einer freiwilligen Herausgabe des Handys

Wenn die PIN bekannt gegeben wurde, ist das Handy ein offenes Buch. Alles, was dort gefunden wird, kann gegen einen Beschuldigten verwendet werden. 

Auch Chats, Fotos zu ggfs. anderen Straftaten, welche nicht Gegenstand des aktuellen polizeilichen Vorwurfs sind, können als sog. "Zufallsfunde" verwertet werden.

6) Folgen einer nicht rechtmäßigen Beschlagnahme, einer nicht rechtmäßigen Durchsicht des Handys

Etwas anderes gilt, wenn der Beschuldigte nicht mitgewirkt hat und die Beschlagnahme rechtswidrig war, weil z.B. kein Durchsuchungsbeschluss vorlag und auch keine Gefahr im Verzug.

In den Fällen gilt grundsätzlich, dass die Beweisanzeichen, also die Chats, die Kontakte etc., welche sich auf dem Handy gefunden wurden, nicht verwertbar sind (so das AG Tiergarten, Beschluss vom 25.01.2018), d. h.: Sie können nicht als Beweise für die gegen einen Beschuldigten erhobenen Vorwürfe verwendet werden.

7) Rauschgiftdelikte, Drogengeschäfte im Darknet, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz

Insbesondere im Bereich der Drogenkriminalität kann ein Smartphone häufig für die Ermittlungsbehörden eine gute Auskunftsquelle sein. So können sie erkennen, welche telefonischen Kontakte bestehen, ob ein Beschuldigter zu Personen, die bereits bei der Polizei als Verdächtige geführt werden, Kontakte hat. Häufig sind auf den Handys auch SMS, Chats oder Voicemails gespeichert. Auch wenn im Rahmen von Drogengeschäften per Handy i. d. R. Codes benutzt werden, um die Drogen, die Mengen u. Ä. zu umschreiben, kann doch ein immer gleicher Code oder ein Code, welcher eher sinnwidrig verwendet wird, einen Verdacht begründen oder vertiefen.

Bei Drogenbestellungen im Darknet ist die Beweisführung für die Polizei häufig sehr schwierig, da interessierte Kunden nicht unter ihrem Klarnamen oder ihrer üblichen E-Mail-Anschrift bestellen.

So kann das Smartphone gerade bei Käufen im Darknet zu einem wichtigen Beweismittel werden. Für viele Menschen ist es heutzutage üblich, nahezu alle ihre Kontakte und ihre Fotos im Handy zu speichern und auch ihre Bankgeschäfte mit dem Handy zu machen.

Bei dessen Durchsicht kann erkannt werden, ob ein Tor-Browser, welcher für das Surfen im Darknet benötigt wird, installiert wurde, ggfs. gibt es auch Hinweise auf den Kauf von Kryptowährung wie Bitcoins, welche zum Kauf von Drogen im Darknet erforderlich sind.

Wenn Personen häufiger Betäubungsmittel über das Darknet bestellen, finden sich auch immer wieder Fotos der Drogen aus dem Katalog der Verkäufer auf dem Handy und auch Chats zwischen dem Käufer und dem Verkäufer, z. B. über die Qualität der Drogen, sogar z. T. in Klarform.

Wenn das Handy rechtmäßig beschlagnahmt und durchgesehen wird, sind diese verwertbar – es ist eine immer wieder anzutreffende irrige Meinung, dass diese dem Datenschutz unterliegen und daher für die Ermittlungsbehörden ein Tabu seien.

8) Ergebnis

Als Ergebnis kann daher nur empfohlen werden, bei polizeilichen Maßnahmen wie Durchsuchungen oder auch vorläufigen Festnahmen die Ruhe zu bewahren, 

- das Handy nur herauszugeben, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt oder die Polizei eine ausdrückliche Anordnung wegen Gefahr im Verzug trifft,

-  die PIN nicht bekannt zu geben und sich umgehend mit einem Strafverteidiger in Verbindung zu setzen.

Rechtsanwältin Wüllrich ist eine seit vielen Jahren sehr erfolgreiche Strafverteidigerin. Sie ist Fachanwältin für Strafrecht und hat in ihrer Praxis bereits in einer Vielzahl von Fällen auf diesen Gebieten zu tun gehabt. Sie verfügt daher über ein umfassendes und überdurchschnittliches Fachwissen und Erfahrung und bietet professionelle und wirksame Hilfe.



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