Veröffentlicht von:

Betriebsrentnern winkt historische Rentenanpassung – Erhöhung von über 15% möglich

  • 4 Minuten Lesezeit

Der derzeit hohe Kaufkraftverlust bereitet insbesondere älteren Menschen große Sorgen. Allerdings können viele Betriebsrentner zumindest darauf hoffen, dass ihre Betriebsrente bei der nächsten Anpassungsrunde deutlich erhöht wird. Hierbei sind die Betriebsrentner nicht auf den guten Willen ihres früheren Arbeitgebers angewiesen. Vielmehr sieht der Gesetzgeber Regelungen zur Anpassung von Betriebsrenten vor. Dieser Artikel soll als Leitfaden für die Frage dienen, ob und in welcher Höhe laufende Versorgungsleistungen anzupassen sind.


Anpassungsprüfungspflicht 

Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber „alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.“ Der Gesetzgeber verlangt gemäß dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 BetrAVG zwar lediglich eine Prüfung, ob die Betriebsrente anzupassen ist. Allerdings ist der Arbeitgeber bereits bei einem geringen Kaufkraftverlust der Betriebsrente verpflichtet, eine Entscheidung über eine Erhöhung nach billigem Ermessen zu treffen. Eine solche Entscheidung nach billigem Ermessen ist insbesondere von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers abhängig und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.

Laufende Leistungen

Von der Anpassungsprüfungspflicht erfasst sind nur laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Hierunter fallen lebenslängliche Leibrenten, temporäre Leibrenten und Zeitrenten. Unerheblich ist es, ob die Rente eine Altersleistung, eine Invaliditätsleistung oder eine Hinterbliebenenleistung darstellt. Nicht der Anpassungspflicht unterliegen Leistungen in Form eines einmaligen Kapitals und Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans.

Ausnahmen von der Anpassungsprüfungspflicht

In folgenden Fällen entfällt die Anpassungsprüfungspflicht:

  • Vereinbarung einer Mindestanpassung 

Gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG entfällt die Anpassungsprüfungspflicht, wenn der Arbeitgeber dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer eine Mindestanpassung von 1% zugesagt hat. Zulässig ist sowohl die Bestimmung der Mindestanpassung in der Versorgungszusage als auch die spätere Vereinbarung der Mindestanpassung. Allerdings gilt die Regelung nicht für laufenden Leistungen, die auf vor dem 01.01.1999 erteilte Versorgungszusagen beruhen (§ 30c Abs. 1 BetrAVG).

  • Verwendung von Überschüssen zur Leistungserhöhung bei Zusagen über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse

Bei Zusagen über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse entfällt die Anpassungsprüfungspflicht des Arbeitgebers, wenn mit dem Versorgungsträger vereinbart ist, dass sämtliche während des Rentenbezugs anfallende Überschussanteile zur Rentenerhöhung verwendet werden (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG).

  • Keine Anpassungsprüfungspflicht bei Beitragszusagen mit Mindestleistung 

Den Arbeitgeber trifft gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 3 BetrAVG auch dann keine Anpassungsprüfungspflicht, wenn es sich bei der der Betriebsrente zugrunde liegenden Versorgungszusage um eine Beitragszusage mit Mindestleistung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG handelt.

  • Abweichende tarifvertragliche Regelung 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass gemäß § 19 Abs. 1, 2 BetrAVG von § 16 BetrAVG durch einen Tarifvertrag abgewichen werden darf.

Wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Betriebsrenten anzupassen, wenn seine wirtschaftliche Lage nicht hinreichend gut ist. Maßgeblich ist die Prognose für die zukünftige wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Grundlage für die Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag. Eine nicht hinreichend gute wirtschaftliche Lage wird angenommen, wenn der Arbeitgeber nicht mit einem angemessenen Eigenkapital ausgestattet ist oder die Eigenkapitalrendite nicht hinreichend hoch ist. Von einer nicht hinreichenden Eigenkapitalverzinsung geht das Bundesarbeitsgericht aus, wenn sie niedriger ist als die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen zuzüglich eines Risikozuschlags von 2%. Bei einer Umlaufrendite öffentlicher Anleihen von z. B. 0,5% ist die Eigenkapitalverzinsung des Arbeitgebers daher gemäß Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann nicht hinreichend hoch, wenn sie geringer als 2,5% ist.

Höhe der Anpassung

Maßstab für die Höhe der Rentenanpassungen ist grundsätzlich der Verbraucherpreisindex für Deutschland. Allerdings erfüllt der Arbeitgeber seine gesetzliche Anpassungspflicht auch dann, wenn er die Betriebsrente an die Entwicklungen der Nettolöhne vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer anpasst.

Anpassung gemäß dem Verbraucherpreisindex für Deutschland

Zur Ermittlung des Anpassungsbedarfs ist der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland aus dem Monat vor Rentenbeginn bis zum Monat vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag maßgeblich. Während der Verbraucherpreisindex für Deutschland in den letzten Jahren nur mäßig angestiegen ist, sind seit März 2022 starke Preissteigerungen zu verzeichnen. So beträgt beispielsweise die für den Anpassungsstichtag 01.12.2022 maßgliche Steigerung des Indexes von November 2019 (105,3) bis November 2022 (121,6) 15,48%.  Nachstehend sind die für die Anpassungsstichtage 01.03.2022 – 01.12.2022 maßgeblichen Steigerungen des Verbraucherpreisindexes aufgeführt.

Reallohnbezogene Obergrenze

Begrenzt wird die Anpassung durch die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen. Kann der Arbeitgeber darlegen, dass sich die durchschnittlichen Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer geringer entwickelt haben als der Verbraucherpreisindex für Deutschland, ist für die Erhöhung der Betriebsrente die Nettolohnentwicklung maßgeblich. Zu beachten ist jedoch, dass nicht allein auf den letzten 3-jährigen Anpassungszeitraum abzustellen ist. Vielmehr ist der Nettolohnanstieg vergleichbarer Arbeitnehmer seit Rentenbeginn mit dem Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland seit Rentenbeginn zu vergleichen.

Beispiel: Zum Rentenbeginn 01.07.2010 erhielt der Arbeitnehmer eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 100,- Euro. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland ist von Juni 2010 (93,2) bis Juni 2022 (117,4) um 25,97 % gestiegen. Sind die Nettolöhne in demselben Zeitraum beispielsweise lediglich um 20 % gestiegen, muss der Arbeitgeber die Betriebsrente zum 01.07.2022 nur auf 120,- Euro anheben (und nicht auf 125,97 Euro).


Wenn Sie Fragen zur Anpassung von Betriebsrenten haben, melden Sie sich gerne – telefonisch, per E-Mail oder über anwalt.de. Wir unterstützen sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrentner in allen Fragen der betrieblichen Altersversorgung.

Foto(s): Miha Creative - stock.adobe.com

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Jan Zülch

Beiträge zum Thema