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Anpassung von Betriebsrenten. Wann müssen Arbeitgeber die Renten nicht erhöhen?

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Aufgrund des hohen Kaufkraftverlusts ergeben sich bei einer Betriebsrentenanpassung unter Berücksichtigung der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG derzeit starke Rentenerhöhungen. Oftmals sind Arbeitgeber jedoch gar nicht zur Anpassung verpflichtet. In diesem Artikel sollen die Fälle erläutert werden, in denen vom Arbeitgeber keine Anpassung bzw. keine Anpassung entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland vorgenommen werden muss.


I. Keine gesetzliche Anpassungspflicht

Der Arbeitgeber muss eine Rentenanpassung dann nicht vornehmen, wenn er dazu weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet ist. Nachstehend sind die Fälle aufgeführt, in denen eine gesetzliche Pflicht zur Anpassung nicht besteht.


1. Keine Anpassungspflicht bei Beitragszusagen mit Mindestleistung

Gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 3 BetrAVG obliegt dem Arbeitgeber keine Anpassungsprüfungspflicht, wenn es sich bei der Versorgungszusage um eine Beitragszusage mit Mindestleistung handelt. Bei einer Beitragszusage mit Mindestleistung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG verspricht der Arbeitgeber die Zahlung eines bestimmten Versorgungsbeitrags und eine Mindestleistung. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestleistung ist die Summe der zugesagten Beiträge, soweit diese nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden.


2. Keine Anpassungspflicht bei Durchführung der bAV über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse bei Verwendung der Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Leistungen

Sofern „ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden“, obliegt dem Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG ebenfalls keine Anpassungsprüfungspflicht. Erforderlich ist, dass die Verwendung der für den Versicherungsvertrag anfallenden Überschüsse zu Gunsten des Betriebsrentners spätestens ab Rentenbeginn sichergestellt ist.


3. Keine Anpassungspflicht bei nicht hinreichend guter wirtschaftlicher Lage des Arbeitgebers

Eine Anpassung gemäß § 16 BetrAVG ist dann nicht vorzunehmen, wenn einer Anpassung die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers entgegensteht. Hierbei ist insbesondere das Interesse des Unternehmens an seiner Substanzerhaltung zu berücksichtigen. Die aktiven Mitarbeiter brauchen für eine Rentenanpassung keine Nachteile in Kauf nehmen, wie etwa Entgeltverzicht, geringere Entgelterhöhungen oder die Gefährdung ihres Arbeitsplatzes. Maßgebliches Kriterium für die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist gemäß Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Eigenkapitalverzinsung. Darüber hinaus kann auch die Eigenkapitalquote des Arbeitgebers zu berücksichtigen sein. 


a) Eigenkapitalrendite

Von einer nicht hinreichenden Eigenkapitalverzinsung geht das Bundesarbeitsgericht aus, wenn sie niedriger ist als die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen zuzüglich eines Risikozuschlags von 2 %. Bei einer Umlaufrendite öffentlicher Anleihen in Höhe von beispielsweise 1,5 % ist die wirtschaftliche Lage dann nicht hinreichend gut, wenn die Eigenkapitalrendite 3,5 % nicht überschreitet. Maßgeblich ist die Prognose für die zukünftige wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Grundlage für die Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag. Das Bundesarbeitsgericht stellt grundsätzlich auf die letzten drei Jahre vor dem Anpassungsstichtag ab. Außergewöhnliche Erträge und Verluste, die vermutlich künftig nicht wiederkehren, sind unberücksichtigt zu lassen. 


b) Keine Nachholung von zu Recht unterbliebenen Anpassungen

Gemäß § 16 Abs. 4 BetrAVG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, zu Recht unterbliebene Anpassungen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Grundsätzlich kann die Frage, ob die Anpassung zu Recht unterblieben ist, zu jeder Zeit gerichtlich überprüft werden. Unter nachstehend aufgeführten Voraussetzungen wird gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG jedoch unwiderleglich vermutet, dass die Anpassung zu Recht unterblieben ist und eine nachholende Anpassung folglich vom Arbeitgeber nicht vorzunehmen ist. 

  • Schriftliche Darlegung der wirtschaftlichen Lage durch den Arbeitgeber: Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrentner die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt haben. Dem Unterrichtungsschreiben des Arbeitgebers muss sich entnehmen lassen, aufgrund welcher Umstände davon auszugehen ist, dass das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Anpassungen vorzunehmen. Die Darstellung der wirtschaftlichen Lage muss so detailliert sein, dass der Versorgungsempfänger allein durch diese Unterrichtung in die Lage versetzt wird, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen (BAG, Urteil vom 11.10.2011 – 3 AZR 732/09).
  • Fakten müssen richtig sein: Die Darstellung der wirtschaftlichen Lage in dem Unterrichtungsschreiben muss der Wahrheit entsprechen. Es wäre unbillig, wenn sich der Arbeitgeber auf einen fehlenden Widerspruch berufen dürfte, wenn die Entscheidung des Betriebsrentners, nicht gegen die Anpassungsentscheidung vorzugehen, auf einem unzutreffenden Sachverhalt beruht.
  • Rechtsbehelfsbelehrung: Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber den Betriebsrentner schriftlich darauf hinweist, dass er der negativen Anpassungsentscheidung innerhalb von drei Monaten nach Zugang der schriftlichen Darlegung der wirtschaftlichen Lagen nebst Rechtsbehelfsbelehrung widersprechen kann und dadurch die negativen Rechtsfolgen einer unwiderlegbaren Vermutung nicht eintreten.
  • Fehlender Widerspruch: Die unwiderlegliche Vermutung einer zu Recht unterbliebenen Anpassung setzt voraus, dass der Betriebsrentner nicht innerhalb von drei Kalendermonaten nach Erhalt des Unterrichtungsschreibens schriftlich widersprochen hat. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs ist der Zugang beim Arbeitgeber.


II. Begrenzung durch reallohnbezogene Obergrenze

Der Arbeitgeber erfüllt seine gesetzliche Anpassungspflicht auch dann, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne bzw. der Nettogehälter vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG). Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entscheidet der Arbeitgeber nach billigem Ermessen, welche Methode er für die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze anwendet. „Die Methode muss vor allem dem Sinn und Zweck der reallohnbezogenen Obergrenze entsprechend, den Besonderheiten des jeweiligen Versorgungssystems Rechnung tragen und für eine hinreichend zuverlässige Datenermittlung sorgen. Typisierungen, Pauschalierungen und Generalisierungen liegen umso näher, je größer die Datenmenge ist und je weniger sich aus statistischen Gründen einzelfallbezogenen Ungenauigkeiten auswirken“ (BAG, Urteil vom 20.05.2003 – 3 AZR 179/02). Bezüglich der Festlegung der Gruppe der vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber einen großen Gestaltungsspielraum. Erforderlich ist lediglich, dass er klare, verdienstbezogene Abgrenzungskriterien wählt, die die Gruppenbildung als sachgerecht erscheinen lassen und mit dem Versorgungssystem übereinstimmen.


III.  Abweichende vertragliche Anpassung

Oftmals enthalten Versorgungszusagen eine Regelung zur Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen. Hierbei ist zu beachten, dass nur durch tarifvertragliche Regelungen von § 16 BetrAVG abgewichen werden darf (vgl. § 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrAVG). Daher ist bei Vorliegen einer vertraglichen Anpassungsregelung grundsätzlich ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Sofern sich der Arbeitgeber jedoch verpflichtet hat, die laufenden Leistungen jährlich um mindestens 1 % anzupassen, entfällt gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG die gesetzliche Anpassungsprüfungspflicht. Zu beachten ist allerdings, dass die Regelung gemäß § 30c Abs. 1 BetrAVG nur für laufende Leistungen gilt, welche auf Zusagen beruhen, die nach dem 31.12.1998 erteilt wurden.

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