Beweismittel im Bauprozess

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Beweismittel im Bauprozess spielen eine wichtige Rolle. Denn wer etwas von einem anderen in einem Prozess verlangt, muss dies darlegen und beweisen können. Die Beweismittel dienen mithin zur Untermauerung des Anspruchs, der verlangt wird. Deutsches Recht ist eigentlich ganz einfach. Wenn man von einem anderen etwas verlangt, so hat man die Beweislast. Dann muss man mit den gegebenen Beweismitteln, die die Zivilprozessordnung zur Verfügung stellt, seinen Anspruch darlegen und beweisen.

Nach der Zivilprozessordnung gibt es nur eine bestimmte Anzahl von Beweismitteln, die im Prozess zulässig sind. Dazu gehören die Beweismittel der Augenscheinnahme, des Urkundenbeweises, des Zeugenbeweises und Sachverständigenbeweises sowie der Parteivernehmung.

Die Beweismittel können kumulativ in einem Bauprozess vorgebracht werden. Das bedeutet einfach, dass man alle Beweismittel in einem Bauprozess vorbringen kann. Hier besteht kein Alternativverhältnis, also dass man sich für ein Beweismittel entscheiden muss und dann nur dieses Vorbringen kann.

Der Beweiswert der einzelnen Beweismittel ist durchaus von unterschiedlicher Qualität. Nachfolgend sollen die Beweismittel nach ihrer Gewichtung aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung aufgelistet werden:

1. Urkundenbeweis

Nach meiner Erfahrung ist der Urkundenbeweis das stärkste Beweismittel. Motto: Wer schreibt, der bleibt! Als Urkunde ist jede Verkörperung eines Gedankens zu verstehen. Diese Definition ist nicht unbedingt hilfreich. Vielmehr gehören zu den Urkunden alle schriftlich niedergelegten Dokumente wie Bauvertrag, Baugenehmigungen, Zeichnungen, statische Berechnungen, Mengenberechnungen, Übergabeprotokolle, dass Bautagebuch und der geführte Schriftwechsel zwischen den Parteien, wie Behinderungsanzeigen, Bedenkenanmeldungen, Nachtragsangebote. Manchmal kommt es vor, dass man als beweisbelastete Partei selbst nicht im Besitz von rechtsentscheidenden Unterlagen ist, sodass einem Dritten oder der Gegenpartei aufgegeben werden kann, diese Urkunde vorzulegen, sofern dies der anderen Partei oder dem Dritten zumutbar ist. Unzumutbar ist die Herausgabe dieser Unterlagen nur dann, wenn dem Dritten oder der Gegenpartei hierdurch ein vermögensrechtlicher Schaden entstehen würde. Das ist meist nicht der Fall. Weiter muss man jedoch wissen, dass das Gericht die Vorlage dieser Unterlagen nicht erzwingen kann. Vielmehr muss dann das Gericht die Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen durch den Dritten oder durch den Gegner in der Beweiswürdigung werten.

2. Sachverständigenbeweis

Der Sachverständige hat im Bauprozess starkes Gewicht. Wenn eine Partei im Bauprozess in einem Schriftsatz als Beweis Sachverständigengutachten anbietet, so kann das Gericht nicht darüber hinweggehen. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, diesen Sachverständigenbeweis einzuholen. Ansonsten ist dies ein gravierender Verfahrensfehler durch das Gericht, was in der nächsten Instanz gerügt werden kann. Das Gericht ist nur befugt, einen angebotenen Sachverständigenbeweis nicht zu erheben, wenn es für die Streitfrage über eine hinreichende eigene Sachkunde verfügt, was in aller Regel nicht der Fall sein wird. Die Auswahl des Sachverständigen nimmt grundsätzlich das Gericht vor. Die Qualifikation und damit die Auswahl des Sachverständigen entscheidet vielfach über den Erfolg oder Misserfolg der Tatsachenaufklärung. Meist fragt das Gericht bei der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer oder dem Institut für Sachverständigenwesen an und schlägt dann den benannten Sachverständigen den Parteien vor, die sich hierzu äußern können. In dem Zusammenhang ist die öffentliche Bestellung eines Sachverständigen keine Voraussetzung für seine Heranziehung durch das Gericht. Viele sind der Auffassung, ein Gericht hat zwingend einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu bestellen. Das ist nicht richtig. Die Aufgabe des Sachverständigen ist Feststellungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Sachverständige sich mit Tatsachen zu beschäftigen hat und ebenfalls dem Gericht auch die Kenntnis von technischen und wissenschaftlichen Erfahrungen übermitteln kann. Dagegen hat sich der Sachverständige nicht mit der Rechtsanwendung zu befassen. Dies ist nicht seine Aufgabe, sondern die rechtliche Bewertung ist ausschließlich Aufgabe des Gerichts. Der Sachverständige muss sich streng an den Beweisbeschluss, also seinen Auftrag, halten. Er kann hiervon nicht einfach abweichen. Ansonsten setzt er sich der Gefahr der Befangenheit aus. Der Sachverständige hat die Parteien von einem Ortstermin zu benachrichtigen. Beide Parteien haben Anspruch an dem Ortstermin teilzunehmen. Der weitere Ablauf ist dann meist, dass nach dem Ortstermin der Sachverständige entweder schon alles zusammen hat, um sein Gutachten zu erstellen oder ein weiterer Ortstermin zur Bauteilzerstörung, also zur Bauteilöffnung notwendig ist. Nach Erstellung des Gutachtens haben die Parteien das Recht, sich zu dem Gutachten zu äußern. Hier kann jede Partei Ergänzungsgutachten oder auch die mündliche Anhörung des Sachverständigen in einem Verhandlungstermin beantragen. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger muss sich auch mit Privatgutachten, die im Prozess vorgelegt werden, beschäftigen. Dies kann der gerichtliche bestellte Sachverständige als auch das Gericht nicht einfach außen vorlassen. Deshalb sind Privatgutachten wichtig, um den Prozess in die richtige Richtung zu lenken.

3. Augenscheinnahme

Mit der Augenscheinnahme als Beweismittel ist gemeint, dass das Gericht selbst vor Ort kommt und sich die streitgegenständliche Sache selbst ansieht, wie z.B. Mängel des Bodenbelags. Auf dieses Beweismittel hat man keinen Anspruch. Trotzdem sollte man auch dieses Beweismittel anbieten. Meine Erfahrung hierzu sind, dass eine Vielzahl von Richtern auch bereit sind, einen Ortstermin wahrzunehmen, um sich selbst ein Bild zu machen. Meist entsteht dadurch insbesondere auch bei gleichzeitiger Teilnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen ein besseres Verständnis durch das Gericht für technische Zusammenhänge, sodass das Gericht in der Lage ist, den Fall zu bewerten. Darüber hinaus kommt es häufig vor, dass man bereits vor Ort unter Teilnahme des Gerichts zu einer Lösung findet, die beide Parteien mittragen können. Aus Erfahrung kann man sagen, dass dies ein sehr effektiver Weg ist, um einen Interessenkonflikt zeitnah der Beendigung zuzuführen.

4. Zeugenbeweis

Der Zeugenbeweis ist gut und schön, aber meist nicht ergiebig, um das Gericht zu überzeugen. Die menschliche Komponente vor Gericht muss dabei beachtet werden. Hier sind viele Zeugen selbstverständlich nervös und ziemlich unter Strom. Sie wollen nichts Falsches sagen. Entweder reden Sie zu wenig, was nicht unbedingt zielführend ist, wenn die gewünschte Aussage nicht bestätigt wird oder sie reden zu viel, was insbesondere den Gegenanwalt aufhorchen lässt. Vielfach sind diese Aussagen auch nicht widerspruchsfrei und auf Nachfragen des Gerichts sind viele Zeugen dann so verwirrt, dass eine brauchbare Aussage für den Prozess nicht unbedingt dabei herauskommt. Auch sind die Fragestellungen des Gerichts nicht immer klar und deutlich. Viele Zeugen wissen nicht, worauf das Gericht überhaupt hinauswill, was dann wieder Verwirrung stifttet. Darüber hinaus reicht es nicht aus, eine überzeugende Aussage zu bringen. Wenn die Gegenseite auch eine widerspruchsfreie überzeugende Gegenaussage bringen kann, so steht es 1:1, was  der beweisbelasteten Person nicht weiterhilft. Vielmehr muss man wie im Fußball, um zu gewinnen, mindestens 2:1 rausholen. Deshalb ist aus der Erfahrung heraus, der Zeugenbeweis das schlechteste Beweismittel. Mithin sollte jeder, der einen Bauprozess anstrebt, nicht nur Zeugenbeweis anbieten können, sondern auch Urkundenbeweis. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss und dem Inhalt des Vertrages wichtig. Mündliche Bauverträge sind wirklich zu vermeiden. Dieses findet man öfter unter Bekannten oder Freunden, die hinterher nicht mehr miteinander bekannt sein wollen, wenn es zu Streitigkeiten kommen. Im Vertrag sollte das Bau-Soll ausdrücklich geregelt sein und natürlich auch der Preis für die definierten Leistungen genannt sein.

5. Parteivernehmung

Auch die Parteivernehmung ist ein Beweismittel. Das bedeutet, dass man die eigene Partei als Beweismittel vernehmen kann. Hierbei ist zu beachten, dass sobald die Gegenseite widerspricht, das Beweismittel der Parteivernehmung ausscheidet. Erfahrungsgemäß bringt das nichts. Deshalb sollte man hilfsweise die informatorische Anhörung der Partei neben der Parteivernehmung beantragen.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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