BGH bestätigt Urteil gegen Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen

  • 2 Minuten Lesezeit

Schulische Veranstaltungen außerhalb des Regelunterrichts können ein Obhutsverhältnis iSd § 174 StGB begründen

Das Landgericht Bochum verurteilte einen Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ausgesetzt zur Bewährung. Der Lehrer soll mehrere Monate eine sexuelle Beziehung mit der damals 14-jährigen Schülerin geführt haben.

Obhutsbeziehung bei Vertretungslehrern

Für eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen muss eine sogenannte Obhutsbeziehung bestehen. Grundsätzlich ist ein Lehrer-Schüler-Verhältnis solch eine Obhutsbeziehung. Problematisch wird es jedoch, wenn es sich nicht um einen Klassen- oder Fachlehrer handelt. Während das Reichsgericht noch ein Obhutsbeziehung zwischen allen Lehrern und Schülern einer Schule bejahte, verneint der BGH seit seiner Entscheidung aus dem Jahr 1963 solch eine pauschale Annahme zumindest für größere Schulen.

Bei Vertretungslehrern an größeren Schulen kann daher nicht automatisch eine Obhutsbeziehung bejaht werden. Dass der Lehrer lediglich an der gleichen Schule unterrichtet und dem Schüler gelegentlich Vertretungsunterricht erteilt, führt nämlich gerade nicht zwingend zu einer Obhutsbeziehung. Viel mehr muss in diesen Fällen im Einzelnen geprüft werden, ob solch eine Beziehung besteht.

Betreuung von Schulsanitätern kann Obhutsbeziehung begründen

Dabei kann die Obhutsbeziehung auch durch sonstige schulische Veranstaltungen entstehen. Im konkreten Revisionsverfahren leitete der beschuldigte Lehrer den Schulsanitätsdienst. Die betroffene Schülerin war als Schulsanitäterin tätig. Da die Schülerin nicht nur eng im Schulsanitätsdienst eingebunden war, sondern auch mehrfach in schwierigen Situationen den Angeklagten um Rat bat, nahm das Landgericht eine Obhutsbeziehung an. Der Bundesgerichtshof hat die dagegen gerichtete Revision nun verworfen und bestätigt die Auffassung des Landgerichts (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014, Az.: 4 StR 503/13). Im konkreten Einzelfall hat die Schülerin den Lehrer, trotz fehlendem Regelunterricht, als Autoritätsperson anerkannt und sich dessen Ratschläge und Weisungen untergeordnet.

Einzelfallentscheidung

Urteile bezüglich sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen durch Vertretungslehrer häufen sich. Im Mittelpunkt steht fast immer die Obhutsbeziehung. Erneut macht der BGH mit diesem Urteil deutlich, dass im konkreten Einzelfall die Obhutsbeziehung geprüft werden muss. Das gelegentliche Unterrichten reicht an größeren Schulen grundsätzlich nicht aus. Schulische Veranstaltungen außerhalb des Regelunterrichts können solch eine Obhutsbeziehung jedoch begründen. Beim Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen sollte daher bereits frühzeitig ein spezialisierter Rechtsanwalt mit der Einzelfallprüfung beauftragt werden.

BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014, Az.: 4 StR 503/13


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Sascha Böttner

Beiträge zum Thema