BGH erweitert Beschlusskompetenz in der WEG – Neue Spielräume bei der Kostenverteilung
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Inhaltsverzeichnis

Mit Urteil vom 14. Februar 2025 (Az. V ZR 128/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wegweisende Entscheidung zur Beschlusskompetenz in Wohnungseigentümergemeinschaften getroffen.
Konkret ging es um die Frage, ob die Eigentümer per Mehrheitsbeschluss die Verteilung von Betriebskosten und Erhaltungsrücklagen ändern dürfen – etwa von einer Verteilung nach Miteigentumsanteilen hin zu einer Verteilung nach beheizbarer Wohnfläche.
Der BGH bejaht dies nun grundsätzlich, sofern für die bisherige Regelung kein sachlicher Grund besteht.
Für Unternehmen mit Immobilienbestand, vermögende Privatpersonen und kommunale Träger eröffnet diese Entscheidung neue Spielräume in der strategischen Bewirtschaftung von Wohnungseigentum.
Gleichzeitig stellt sie die Praxis der Verwalter vor neue Herausforderungen – etwa bei der rechtssicheren Vorbereitung entsprechender Beschlüsse.
Der Hintergrund: WEG und Beschlusskompetenz
Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) sind auf gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse angewiesen. Welche Maßnahmen die Eigentümergemeinschaft per Mehrheitsbeschluss treffen darf, ergibt sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG).
Die sogenannte „Beschlusskompetenz“ legt dabei fest, in welchen Angelegenheiten die Gemeinschaft überhaupt entscheiden darf – und wo individuelle Vereinbarungen der Eigentümer bindend sind.
Traditionell galt: Die Verteilung von Kosten, insbesondere von Betriebskosten oder der Instandhaltungsrücklage, war durch die Teilungserklärung oder eine frühere Vereinbarung der Eigentümer festgelegt – Änderungen waren nur einstimmig oder durch gerichtliche Anpassung möglich.
Diese Sichtweise schränkte die Flexibilität der Eigentümer erheblich ein, insbesondere bei größeren oder heterogenen Gemeinschaften.
Seit der WEG-Reform 2020 hat der Gesetzgeber die Beschlusskompetenz deutlich ausgeweitet.
Dennoch war lange Zeit umstritten, ob auch die Verteilungsmaßstäbe per Mehrheitsbeschluss geändert werden dürfen. Genau an diesem Punkt bringt das aktuelle BGH-Urteil nun Klarheit.
Der Fall: Was der BGH konkret entschieden hat
Im zugrunde liegenden Fall hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, die Verteilung der Heizkosten und der Beiträge zur Erhaltungsrücklage zu ändern.
Statt wie bisher nach Miteigentumsanteilen, sollte künftig nach der beheizbaren Wohnfläche verteilt werden – ein Maßstab, der insbesondere bei energetischen Fragen oft als sachgerechter empfunden wird.
Ein Eigentümer klagte gegen diesen Beschluss – mit Verweis auf die bislang gültige Regelung in der Teilungserklärung.
Der BGH wies die Klage ab. In seiner Entscheidung vom 14.02.2025 (V ZR 128/23) stellt der Bundesgerichtshof klar:
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann per Mehrheitsbeschluss die Verteilung von Betriebskosten und Rücklagenbeiträgen ändern.
Dies gilt auch dann, wenn die bisherige Verteilung auf einer ursprünglichen Vereinbarung der Eigentümer beruht.
Voraussetzung ist, dass kein sachlicher Grund für die alte Regelung erkennbar ist – sie also nicht (mehr) angemessen oder praktikabel ist.
Damit setzt der BGH seine Linie fort, die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft zu stärken – ohne sie schrankenlos auszuweiten.
Besonders bedeutsam: Die Entscheidung bezieht sich auf grundlegende Strukturfragen der Kostenverteilung und nicht nur auf Einzelfallregelungen.
Bedeutung für Eigentümer und Verwalter
Das Urteil hat unmittelbare Auswirkungen auf die Praxis – insbesondere für Eigentümer mit strategischem Interesse an wirtschaftlich effizienter Verwaltung. Die nun bestätigte Möglichkeit, die Kostenverteilung per Mehrheitsbeschluss zu ändern, schafft mehr Flexibilität in der Gestaltung und Steuerung von Eigentümergemeinschaften.
Für Unternehmen und Kapitalanleger:
Optimierungspotenzial bei Betriebskosten: Verteilung nach Nutzung (z. B. Wohnfläche, Verbrauch) kann wirtschaftlich sinnvoller sein als starre Anteile.
Besseres Kostenmanagement bei gemischt genutzten Immobilien (z. B. Wohnen & Gewerbe).
Möglichkeit, Investitionsanreize (z. B. energetische Sanierung) über faire Kostenverteilung zu steuern.
Für vermögende Privatpersonen mit Beständen:
Mehr Einfluss auf wirtschaftliche Strukturentscheidungen in WEGs – besonders bei hohem Stimmrechtsanteil.
Gestaltungsfreiheit bei Umstrukturierungen oder Sanierungsstrategien.
Für Kommunen und öffentliche Träger:
Flexiblere Beteiligung an Misch-Immobilien mit Förderanteilen oder Sozialwohnungsanteilen.
Möglichkeit, über Beschlüsse sozial- oder energiepolitische Zielsetzungen zu unterstützen.
Für Verwalter:
Erweiterte Handlungsmöglichkeiten bei der Vorbereitung von Eigentümerversammlungen.
Höherer Beratungsbedarf – insbesondere bei der Begründung und Dokumentation von Beschlüssen zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken.
Das Urteil eröffnet also nicht nur neue Spielräume, sondern verlangt auch einen professionelleren Umgang mit Beschlussfassungen – insbesondere in komplexen Eigentümerstrukturen.
Grenzen und Risiken
So erfreulich der neu gewonnene Gestaltungsspielraum ist: Das Urteil des BGH bedeutet keinen Freibrief für beliebige Änderungen der Kostenverteilung.
Die Beschlusskompetenz endet dort, wo die Rechte einzelner Eigentümer unangemessen beeinträchtigt werden – oder formale Anforderungen nicht eingehalten werden.
Wichtige Einschränkungen:
Sachlicher Grund erforderlich:
Die Änderung der bisherigen Verteilung ist nur zulässig, wenn für die alte Regelung kein sachlicher Grund (mehr) besteht. Das kann z. B. der Fall sein bei:überholten Maßstäben (z. B. fixe Anteile trotz erheblicher Unterschiede in der Nutzung),
Änderungen der baulichen Gegebenheiten,
energetischen Sanierungen mit ungleicher Kostenwirkung.
Keine willkürliche Benachteiligung:
Eine neue Verteilung darf nicht gezielt bestimmte Eigentümer benachteiligen. Andernfalls droht eine erfolgreiche Anfechtung wegen Treuwidrigkeit oder Missbrauch der Mehrheit.Formale Anforderungen beachten:
Klare und eindeutige Formulierung des Beschlusses.
Dokumentation der Gründe für die Änderung – am besten schon in der Einladung zur Versammlung.
Transparente Berechnungsgrundlagen (z. B. Wohnflächenangaben, Verbrauchsdaten).
Typische Fehlerquellen:
Änderung ohne sachliche Begründung – etwa rein aus Mehrheitsinteresse.
Verstoß gegen bestehende Vereinbarungen, z. B. in Sondernutzungsrechten oder Altverträgen.
Fehlende oder fehlerhafte Flächen- und Nutzungsdaten.
➡️ Tipp: Eine fundierte rechtliche und tatsächliche Prüfung vor der Beschlussfassung kann spätere Anfechtungen vermeiden – insbesondere bei komplexen Eigentümerstrukturen oder wirtschaftlich weitreichenden Änderungen.
Handlungsempfehlungen
Das Urteil des BGH ist eine Einladung zur aktiven Gestaltung – aber sie will strategisch und rechtssicher genutzt werden.
Hier sind zentrale Schritte, die sich jetzt lohnen:
1. Bestehende Regelungen prüfen
Gibt es in der Teilungserklärung noch „historische“ Verteilungsschlüssel, die nicht mehr sachgerecht sind?
Wurden frühere Vereinbarungen getroffen, die heute wirtschaftlich nachteilig wirken?
2. Änderungsbedarf strategisch bewerten
Lässt sich durch eine neue Verteilung z. B. ein gerechteres Kosten-Nutzen-Verhältnis herstellen?
Können Investitionsentscheidungen (z. B. Modernisierung, Energieeffizienz) durch faire Verteilung besser abgesichert werden?
3. Rechtssichere Beschlussfassung vorbereiten
Sachliche Gründe für die geplante Änderung dokumentieren
Betroffene Eigentümer frühzeitig einbeziehen (Transparenz zahlt sich aus)
Professionelle Verwalterunterstützung nutzen – idealerweise mit rechtlicher Begleitung
4. Anfechtungsrisiken minimieren
Vollständige Unterlagen zur Berechnungsgrundlage bereitstellen
Auf saubere Versammlungsprotokolle und Beschlusstexte achten
Bei Unsicherheiten: vorab rechtliche Einschätzung einholen
5. Nach der Beschlussfassung: Umsetzung im Blick behalten
Verwaltungsabrechnung und Wirtschaftsplan rechtzeitig anpassen
Kommunikation an alle Eigentümer klar und verständlich halten – das stärkt die Akzeptanz
Mehr Macht für die Mehrheit – aber mit Maß und Verstand
Die Entscheidung des BGH stärkt die Handlungsfähigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaften – und das zu Recht. Gerade in Zeiten wachsender energetischer Anforderungen, knapper Ressourcen und zunehmender Professionalisierung im Immobilienbereich brauchen Eigentümer mehr Flexibilität.
Die Botschaft des Urteils:
Wo keine sachlichen Gründe für alte Verteilungsschlüssel mehr bestehen, darf neu entschieden werden – auch mit einfacher Mehrheit. Das ist eine Chance für alle, die strategisch denken und ihre Immobilien wirtschaftlich führen wollen.
Doch diese Chance verlangt sorgfältige Vorbereitung, rechtssichere Umsetzung und klare Kommunikation. Wer hier professionell agiert, kann nicht nur Kosten gerechter verteilen, sondern auch die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft langfristig verbessern.

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