BGH spricht Machtwort – Dashcam-Aufnahmen sind verwertbar!

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Dashcams gehören für viele Autofahrer längst zum Alltag und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Oft lassen sich mittels der kleinen Kameras wertvolle Beweise für spätere gerichtliche Verfahren sammeln. Bisher war sich die Rechtsprechung jedoch äußert uneinig, ob diese Aufnahmen in einem Prozess überhaupt verwertet beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen sie verwertet werden dürfen. Gerade aus datenschutzrechtlichen Gründen hatten zahlreiche Gerichte und Fachleute hier große Zweifel angemeldet. Mit Spannung war deshalb die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema erwartet worden. Dieser stellte nun klar: Dashcam-Aufnahmen sind im gerichtlichen Verfahren verwertbar!

Der Sachverhalt

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger nahm die Beklagten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch und forderte Schadensersatz. Beim Linksabbiege-Vorgang auf einer doppelspurigen Straße war es zur Kollision zweier Fahrzeuge gekommen. Dabei konnte zunächst nicht geklärt werden, wer seine Spur verlassen und damit den Unfall herbeigeführt hatte. Im Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht war dieses deshalb von einer je hälftigen Schuld unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr ausgegangen. Die Dashcam-Aufnahmen des Klägers, die dieser vor und während der Kollision angefertigt hatte, wurden schlicht nicht berücksichtigt. Auch die Berufung vor dem Landgericht hatte aus Sicht des Klägers keinen Erfolg. Dieses war davon ausgegangen, dass die Aufnahmen gegen datenschutzrechtliche Belange verstoßen und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen würden. Dagegen wendete sich der Kläger mit seiner Revision an die Karlsruher Richter.

Die Entscheidung

Der BGH entschied nun, dass die Dashcam-Aufzeichnungen zwar einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz darstellen würden, weil sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt seien. Insbesondere eine dauerhafte und anlasslose Aufzeichnung sei insoweit problematisch, während sich kurze anlassbezogene Aufnahmen beziehungsweise ein dauerhaftes Überschreiben der Aufnahmen in kurzen Abständen oder ein Einschalten der Dashcam erst bei nachvollziehbaren Gründen keinen oder kaum Bedenken ausgesetzt sehen.

Trotzdem seien entsprechende Dashcam-Aufnahmen in einem entsprechenden Haftpflichtprozess verwertbar. Denn die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führe im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Stattdessen müsse in diesem Sinne anhand einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen entschieden werden, ob ein Beweisverwertungsverbot in Betracht komme. Diese Abwägung falle in entsprechenden Fallkonstellationen aber zugunsten des Beweisführers aus. Denn sein Interesse an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, sein im Grundgesetz verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und sein – unter Umständen einschlägiges – Recht am eigenen Bild.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Aufnahmen im öffentlichen Straßenraum anfertigt wurden und sich der Beklagte freiwillig in diesen begeben habe. Dementsprechend könne er sich später nicht darauf berufen, dass er von anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beobachtet wurde. Die mittels der Dashcam aufgezeichneten Vorgänge seien ohnehin für jedermann wahrnehmbar. Zudem müsse der häufigen Beweisnot in solchen Situationen Rechnung getragen werden, die regelmäßig der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet sei. Weiter seien die Aufnahmen auch eine wichtige Erkenntnisquelle für unfallanalytische Gutachten. Für dieses Abwägungsinteresse spreche zudem zusätzlich § 142 des Strafgesetzbuches. Danach macht sich strafbar, wer sich unerlaubt von einem Unfallort entfernt – die im Volksmund bekannte „Fahrerflucht“. Diese Norm, die einem Unfallbeteiligten auferlegt, die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und die Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, zu ermöglichen, diene vor allem den Beweisinteressen eines Unfallgeschädigten für einen späteren Haftpflichtprozess.

Eine andere Beurteilung sei auch nicht aufgrund der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der anderen gefilmten Verkehrsteilnehmer angezeigt. Diese seien durch die gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz entsprechend geschützt – ein Beweisverwertungsverbot sei aber gerade nicht das Anliegen dieser Vorschriften.

Einen Freifahrtschein erhalten Dashcam-Nutzer durch die Entscheidung des BGH also gerade nicht. Zwar sind die Aufnahmen nun grundsätzlich gerichtlich verwertbar, selbst wenn sie gegen datenschutzrechtliche Belange verstoßen. Allerdings ist es trotzdem nicht auszuschließen, dass bei solchen Verstößen gegen die Nutzer von Dashcams mit Geldbußen vorgegangen wird.

Fazit

Die Entscheidung des BGH sorgt für ein gewisses Maß an Rechtssicherheit und stellt zumindest sicher, dass Dashcam-Aufnahmen in einem Haftpflichtprozess gerichtlich verwertbar sind. Solange es aber keine entsprechende Rechtsgrundlage gibt und stets eine Interessensabwägung am Einzelfall vorzunehmen ist, sind in der Theorie auch noch gegenteilige Entscheidungen denkbar. Der Großteil der Gerichte wird sich jedoch voraussichtlich an der Karlsruher Linie orientieren und ebenso entscheiden.

Nutzern von Dashcams ist zu empfehlen, nach Maßgabe des Urteils des BGH von einem permanenten Laufen der Kamera abzusehen beziehungsweise insoweit sicherzustellen, dass die gespeicherten Daten in regelmäßigen kurzen Abständen überschrieben werden. So bietet man deutlich weniger Angriffsfläche bei datenschutzrechtlichen Vorwürfen. Das gleiche gilt, wenn die Dashcam nur anlassbezogen eingeschaltet wird.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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