BGH zum Mercedes-Abgasskandal

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Am 29.062021 fand vor dem Bundesgerichtshof mündliche Verhandlung in einem unserer gegen die Daimler Benz AG geführten Verfahren statt (BGH VI ZR 128/20). Die BGH-Anwälte Scheuch & Lindner vertraten den Kläger vor dem BGH.

Es ging hier um einen Mercedes-Benz C 220 CDI EU 5 (OM 651), den der Kläger im Jahre 2012 für 34.958,99 € gekauft hat.

Der Kläger ist der Auffassung, dass das Fahrzeug über mehrere illegale Abschalteinrichtungen verfügt, die vorsätzlich und sittenwidrig verbaut worden waren und macht Schadenersatzansprüche aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB geltend und verlangt mit seiner im Jahr 2018 erhobenen Klage die Rückabwicklung des Kaufvertrages unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer.

Im Herbst 2018 hatte das Kraftfahrt-Bundesamt ein formelles Anhörungsverfahren wegen des Verdachts einer weiteren Abschaltvorrichtung gegen die die Daimler Benz AG eingeleitet.

Eine Software-Funktion aktiviert hierbei eine spezielle Temperaturregelung („Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung“), die den Kühlmittelkreislauf künstlich kälter hält und die Aufwärmung des Motoröls verzögert.

Nur dadurch bleiben die Stickoxid-Werte auf dem Prüfstand unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte. Im realen Fahrbetrieb hingegen wird diese Funktion deaktiviert und der gesetzliche Grenzwert von 180 mg/km deutlich überstiegen. Festgestellt wurde die Softwarefunktion bei Emissionsmessungen an einem Mercedes GLK 220 CDI mit dem OM 651-Dieselmotor und Euro 5-Norm.

In der Folge wurde festgestellt, dass diese Abschaltvorrichtung nicht nur in OM 651-Motoren der Modellreihe GLK verbaut wurde, sondern auch in den Modellen der C-, E- und S-Klasse und damit in Dieselmotoren mit der internen Typenbezeichnung OM 642.

Das Kraftfahrt-Bundesamt erließ aufgrund der Feststellung der „Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung“ mehrere Rückrufe – den letzten im Juli 2020 - für die genannten Mercedes Diesel-Modelle (alle abrufbar in der Rückrufdatenbank des KBA); darunter auch der Wagen des Klägers.

Das Fahrzeug des Klägers wurde im Februar 2012 hergestellt. In den ersten Instanzen behauptete der Kläger, dass sich in seinem Fahrzeug zusätzlich zum „Thermofenster“ auch die sog. „Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung“ befindet und die Stickoxid-Werte auf der Straße nicht eingehalten werden. Zudem habe Mercedes die erhöhten Werte vertuscht, indem das gesetzlich vorgeschriebene Fehler-Diagnosesystem (OBD) des Wagens dahingehend manipuliert wurde, dass die vorgeschriebene Meldung über die Motorkontrollleuchte bei Überschreitung der zulässigen Abgaswerte unterbleibt.

Für diese Behauptung hatte der Kläger in den ersten beiden Instanzen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Schließlich beinhaltet die Mercedes C-Klasse nach seinen Informationen den gleichen Motor und die gleiche Motorsteuerungssoftware wie der beanstandete Mercedes GLK desselben Baujahrs.

Das Landgericht Koblenz und das Oberlandesgericht Koblenz hatten die Klage abgewiesen; allerdings ließ das Oberlandesgericht Koblenz jedoch die Revision zum BGH zu.

Rückenwind bekam der Kläger durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die eine Abschalteinrichtung wie die hier beschriebene temperaturgeführte als unzulässig qualifizierte (EuGH Rs. C 693/18 vom 17.12.2020).

Unter Vorsitz des RiBGH Seiters wies der VI. Zivilsenat in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass er die Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz nicht teile. Dieses war nämlich der Ansicht, dass der Kläger die über das Thermofenster hinausgehende Abschalteinrichtung „ins Blaue hinein“ vorgetragen habe. Vielmehr seien vom Kläger sehr dezidierte Anhaltspunkte für das Vorhandensein und die Funktionsweise der behaupteten „Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung“ dargelegt worden, so dass wohl eine Beweisaufnahme über seine Behauptung erforderlich werde. Damit bestätigte der BGH die Auffassung des Klägers, dass es ausreiche, wenn der Kläger die für ihn im nicht offensichtlichen Umstände unter Verwendung der ihm zugänglichen Quellen auswertet und in das Verfahren einführt.

Eine Aufhebung des oberlandesgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens ans OLG Koblenz gilt als wahrscheinlich.

Mit der bisher gängigen gerichtlichen Praxis, dass immer erst dann ein Schadenersatzanspruch bejaht wurde, wenn das KBA einen Rückruf herausgegeben hat, scheint nun Schluss zu sein. Es muss den Autoherstellern auferlegt werden, darzulegen, welche Abschalteinrichtungen verbaut wurden, ob sie dem KBA bei Antragstellung offengelegt wurden und wie ihr technisches Erfordernis begründet wurde.

Das sind alles Punkte, die der Geschädigte nicht kennen kann. Der BGH präzisiert die Anforderungen an die Darlegungslast deutlich – zu Gunsten der geschädigten Verbraucher.

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