Cannerald AG / Cannergrow - Antwort auf Rücktritt und Anfechtung wirft erneut Fragen auf

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Es ist ruhig geworden bei der Cannerald AG. Nachdem der Genussschein-Umtausch nun erst einmal ausgesetzt ist, erreichen die Käuferinnen die Antworten auf Rücktritt und Anfechtung. Die Antworten werfen weitere Fragen auf. 

1. Verkauf der Pflanzen als unverbindlicher Vorverkauf? 

Spätestens jetzt dürften die meisten KäuferInnen von Pflanzen mal ihren Kaufvertrag gelesen haben. Glücklich können sich diejenigen schätzen, die sich zum Zeitpunkt des Kaufes eine Version heruntergeladen bzw. ausgedruckt haben. Denn in diesem Verträgen ist zum Beginn des Anbaus je nach Vertragsversion  meist folgendes zu lesen: 

"Cannerald beginnt mit der Erbringung ihrer Dienstleistungen gemäss Art. 4 mit dem Inkrafttreten dieses Vertrags."

In Art. 4 waren dann die Leistungen der Cannerald AG beschrieben. Dort heißt es dann z.B. in einigen Verträgen: 

"Der Kunde beauftragt Cannerald dazu und Cannerald verpflichtet sich für den Kunden folgende Dienstleistungen zu erbringen (nachfolgend Dienstleistungsvertrag):

- Anbau und Pflege der Pflanze(n) in ihren Gewächshäusern;

- Ernte der Pflanze(n); und

- Lagerung der Ernte der Pflanze(n) für vier Wochen nach jeder Ernte."

Heißt übersetzt - nach Abschluss des Vertrages beginnt die Cannerald AG damit die Pflanzen anzubauen. So haben die meisten KäuferInnen das auch verstanden, zumal in vielen Verträgen dann auch noch ein Starttermin genannt war und die Kunden mit der Aussicht auf Verträge gekauft haben. 

Um so verwunderlicher ist die Antwort der Cannerald AG auf den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen nicht fristgerechter Leistung und arglistiger Täuschung. So antwortet die Cannerald AG einem Käufer z.B. 

"Wir möchten betonen, dass es sich bei den von Ihnen erworbenen Pflanzen um einen Vorverkauf handelt. Im Kaufvertrag wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Anbau abhängig von äußeren Umständen, wie etwa Marktentwicklungen und rechtlichen Rahmenbedingungen, durchgeführt wird. Aufgrund unvorhersehbarer Entwicklungen und Anpassungen der gesetzlichen Vorgaben konnte der Anbau nicht wie ursprünglich vorgesehen umgesetzt werden."

In einer anderen Antwort heißt es: 

"Wir möchten darauf hinweisen, dass die Investition in die Pflanzen klar als Vorverkauf kommuniziert wurde. Es wurde deutlich gemacht, dass sich der Anbau und die Ernte der Pflanzen aufgrund verschiedener Faktoren, einschließlich unvorhersehbarer Änderungen der Marktsituation und gesetzlichen Vorgaben verzögern können....."

Nach dem Kaufvertrag in der ursprünglichen Version ergibt sich das gerade nicht und die meisten KäuferInnen haben nicht gedacht, dass es sich um einen "unverbindlichen" Vorverkauf handelt. Sie sind davon ausgegangen, dass tatsächlich auch Pflanzen angebaut werden. Schließlich wurde auch mit dem Ertrag aus den Pflanzen geworben. 

2. Warum wurden keine Pflanzen angebaut? 

In einem früheren Artikel hatte ich erläutert, dass die Cannerald AG im Grunde einräumt, dass sich das Geschäftsmodell des Anbaus von CBD-Pflanzen ab 2021 nicht mehr rechnete. Den entsprechenden Artikel können Sie hier nochmals nachlesen: 

CannerGrow / Cannerald AG - wie kommt man aus den Verträgen raus?

Funfact: Der Blogbeitrag vom 01.10.2024 zur Historie der Cannerald AG, in denen man das nachlesen konnte ist inzwischen auch nicht mehr abrufbar. Wir haben ihn aber gesichert. 

Nachdem also in 2021 angeblich fehlende Rentabilität zur Entscheidung geführt hat, keine Pflanzen anzubauen, heißt es nun plötzlich in einer Antwort an einen Kunden: 

"Die Pflanzen sind tatsächlich vorhanden, und es wurden Investitionen in die Infrastruktur und Entwicklung getätigt, um den Anbauprozess zu ermöglichen. Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere in Bezug auf Betäubungsmittel, haben jedoch dazu geführt, dass der ursprüngliche Anbau und die Ernte nicht wie geplant durchgeführt werden konnten."

Nun sollen es also primär die rechtlichen Rahmenbedingungen sein, die dazu geführt haben, dass der Anbau und die Ernte nicht wie geplant durchgeführt werden konnte. 

Da muss doch die Frage erlaubt sein - warum hat das vorher keiner geprüft? Wenn die Prüfung genau so "gründlich" erfolgte, wie bei den Genussscheinen, dann wirft dies erneut Fragen auf. Bereits bei dem Umtausch der Verträge/Pflanzen in Genussscheine musste die Cannerald AG eine Aussetzung vornehmen, nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sich öffentlich dazu geäußert hatte. Einzelheiten hierzu können Sie hier nochmals nachlesen: 

Cannerald AG - Genussscheintausch ausgesetzt, Genussscheininhaber können Tickets für 1.000 EUR kaufen

Der Verkauf von Tickets ist inzwischen ebenfalls eingestellt. Auch hier stellt sich die Frage, was hier tatsächlich vorher rechtlich geprüft wurde. 

3. Was hat es mit den Vertragsänderungen auf sich und wer ist Susanne Gerber? 

a) Wirksame Vertragsänderung? 

Die Cannerald AG beruft sich unter anderem darauf, dass die aktuellen Vertragsversionen einen flexiblen Anbau der Pflanzen zulassen würde. Richtig ist, dass in den aktuellen Verträgen, die sich im jeweiligen Kundenaccount befinden ein Zusatz befindet. Dort heißt es nämlich dann plötzlich: 

"Cannerald beginnt mit der Erbringung ihrer Dienstleistungen gemäss Art. 4 grundsätzlich mit dem Inkrafttreten dieses Vertrags, wobei für die genaue Bestimmung des voraussichtlichen Startdatums ausschliesslich die jeweilige Kommunikation auf der Website von Cannerald massgebend ist."

Der letzte Halbsatz war vorher nicht in den Verträgen. Gleiches gilt für die Fußnote auf S. 11 des Vertrages: 

"Das voraussichtliche Startdatum ist indikativ und nicht verbindlich. Für die genaue Bestimmung des voraussichtlichen Startdatums ist ausschliesslich die jeweilige Kommunikation auf der Website von Cannerald massgebend."

Nicht nur, dass das "Startdatum" plötzlich ins Jahr 2024 gerutscht ist, der Satz war vorher auch nicht vorhanden. 

Die Cannerald AG begründet dies damit, dass die KäuferInnen der Änderung der Verträge beim Log-In-Vorgang zugestimmt hätten. Abgesehen davon, dass die KäuferInnen gar keine andere Wahl hatten, dem zuzustimmen, um ihren Account überhaupt weiter nutzen zu können, was an sich schon problematisch ist, erfolgte auch keine Zustimmung zur Änderung des konkreten, auf den Kunden bezogenen Vertrages. Bei der Zustimmung konnte der Kunde bzw. die Kunden nämlich nur einen leeren Mustervertrag sehen, nicht aber ihren bzw. seinen eigenen Vertrag. Es fehlte also bereits am Erklärungsbewusstsein zu einer Änderung des konkreten Vertrages. 

Man könnte jetzt darüber spekulieren, warum die Cannerald AG nun plötzlich die Verträge so anpassen möchte, dass sich ein "unverbindlicher" Starttermin ergeben soll. Dazu muss sich jeder angesichts der bisherigen Entwicklungen selbst eine Meinung bilden. Tatsache ist natürlich, dass die Verträge nun wirklich so aussehen, als sei das Startdatum unverbindlich. Ich halte diese Vertragsänderung aber für nicht wirksam. Das werden dann Gerichte entscheiden müssen. 

b) Wer ist Susanne Gerber vom Legal Team?

Bemerkenswert ist, dass die Antworten, die Mandanten bekommen haben und auch ich, in der Regel von einer Susanne Gerber aus dem Legal Team beantwortet werden. Eine eigene Signatur oder eigene mail-Adresse sucht man vergebens. Auch im Internet ist zumindest keine Susanne Gerber bei der Cannerald AG zu finden. Offensichtlich hat sie aber in letzter Zeit einiges zu tun und wenn die ersten Klagen eingereicht werden, wird es sicher noch mehr werden. 

4. Wie geht es bei der Cannerald AG weiter und was tun wir? 

Wie bereits ausgeführt, ist der Umtausch der Genussscheine ausgesetzt ist, ist die weitere Entwicklung nach wie vor offen. Für die von uns vertretenen Mandanten werden nun über Rücktritt und Anfechtung die Ansprüche auf Rückzahlung der Kaufpreise begründen und dann gerichtlich durchsetzen (müssen). 

Die Kosten hierfür werden von einigen Rechtsschutzversicherungen (nicht von allen) übernommen. In einem Fall hat die Versicherung sogar der Mandantschaft angeboten, rund 80 % des Kaufpreises direkt zu erstattet, anstatt die zu erwartenden Kosten des Verfahrens zu übernehmen. 

Wenn Sie wissen möchten, welche Möglichkeiten es gibt, um hier möglicherweise zu einer Rückzahlung des Kaufpreises zu gelangen und welche Schritte hierzu zu unternehmen sind, dann können Sie mich gern im Rahmen einer kostenlosen Erstbewertung ansprechen. Sie können das unten stehende Kontaktformular nutzen, Sie können mich unter 02621/6239288 anrufen oder Sie schreiben mir einfach eine mail an marc.gericke@gericke-recht.de

Foto(s): Bild von Gerd Altmann auf Pixabay


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