Catherinyyy vor Gericht

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Die bekannte Influencerin Cathy H. stand gestern in München vor Gericht. Zwar nicht als „Angeklagte“, wie man teilweise in der Presse lesen konnte, sondern als „Beklagte“ in einem zivilrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen Prozess.

1. Was war passiert?

Catherinyyy betreibt einen Instagram Account mit mehr als 450.000 Followern. Auf ihrem IG Account zeigt sie – neben privaten Fotos vom Strand – Produkte von Markenherstellern und verlinkt dabei auf die Webseiten dieser Hersteller. In einer Vielzahl von Fällen kennzeichnet sie diese Posts als Werbung, in manchen Fällen dagegen nicht. Keine Kennzeichnung erfolgt, wenn sie für den Post bzw. für die Verlinkung keine Gegenleistung vom Hersteller des Produkts erhält. „Weil es dann keine Werbung ist“, wie sie meint. Das sieht der abmahnende Wettbewerbsverein anders.

2. Und wie sieht es das Landgericht München I?

Nach dem zu urteilen, was man so in der Presse liest, fallen vor allem zwei Aussagen des Gerichts als wegweisend für die rechtliche Beurteilung des Falles auf:

a) Wenn die Influencerin keine Gegenleistung (Vergütung) erhält, dann ist es keine Werbung

Die eine „These“ des Gerichts geht wohl dahin, zu sagen: Wenn der Influencer für eine Produktanpreisung, Produktnennung oder Verlinkung keine Gegenleistung erhält, dann ist es auch keine Werbung.

Diese Sichtweise erscheint richtig. 

Allerdings muss man den Begriff „Gegenleistung“ schon weit auslegen. Gegenleistung ist nicht nur eine Vergütung in Geld, sondern beispielsweise auch die kostenlose Überlassung des Produktes. Wenn „C. H.“ daher den teuren Pullover, den sie in ihrem Instagram Post – unter Nennung des Markennamens und mit Verlinkung auf die Website des Herstellers – trägt, kostenlos zur Verfügung gestellt bekam und auch behalten darf, dann ist dies zweifelsohne eine Gegenleistung. Ebenso wäre es eine Gegenleistung, wenn sich der Influencer in einem Lokal zeigt und dabei vielleicht sogar das Essen fotografiert – was ja recht häufig vorkommen soll –, sofern ihm die „Mahlzeit“ vom Inhaber des Lokals kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

b) Aufhorchen lässt aber vor allem eine andere Aussage des Gerichts, die in den Medien wie folgt zitiert wurde: „Es wäre weltfremd zu denken, dass jemand mit 450.000 Followern nicht kommerziell agiert. Daher stellt sich die Frage, wo der Nutzer getäuscht wird über einen kommerziellen Charakter der Veröffentlichung“.

Hiermit könnte ein Verweis auf § 5a Abs. 6 UWG gemeint sein. Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Anders ausgedrückt: Wenn ohnehin für jeden klar ist, dass es sich um Werbung handelt, dann muss man den Beitrag auch nicht ausdrücklich als Werbung bezeichnen.

3. Eigene Beurteilung

a) Diese Beurteilung (des vorliegenden Falles) halte ich für bedenklich. Konsequent weitergedacht würde das bedeuten: Wer sehr viele Follower auf Instagram hat, betreibt zwangsläufig einen kommerziellen Account. Daher ist alles, was er dort postet, automatisch Werbung und muss nicht noch zusätzlich als Werbung gekennzeichnet werden.

b) Diese gedankliche Linie überrascht, da sie nach meiner Auffassung im Widerspruch steht zur Argumentation in einem früheren Urteil/Beschluss des Landgerichts Berlin (Az 52 O 101/18). Dort hatte das Gericht vielmehr sinngemäß wie folgt argumentiert: Wer viele Follower hat, handelt in aller Regel kommerziell, auch wenn er für einen bestimmten Post keine Gegenleistung erhält. Trotzdem bzw. vielmehr „daher“ muss er seinen Post als Werbung kennzeichnen, da dieser schon aufgrund der hohen Abonnentenzahl als kommerziell eingestuft werden muss.

Beide Sichtweisen widersprechen sich, wobei ich persönlich beide Positionen für fehlerhaft halte: Weder kann man pauschal sagen, dass alles, was ein prominenter Influencer veröffentlicht, automatisch Werbung ist. Noch lässt sich umgekehrt argumentieren, dass jedem Follower der kommerzielle, werbliche Charakter eines Posts stets bewusst ist.

4. Fazit

Richtig ist meines Erachtens daher folgender Ansatzpunkt: Man muss sich in jedem einzelnen Fall anschauen, ob der Influencer für einen bestimmten Beitrag eine Gegenleistung erhalten hat oder nicht. Ohne Gegenleistung – wobei der Begriff „Gegenleistung“ weit auszulegen ist –, liegt keine Werbung vor. Erhält er dagegen eine Gegenleistung, dann muss er seinen Beitrag auch ausdrücklich als „Werbung“ kennzeichnen. Das mag meinetwegen auch in der Form geschehen, dass man den Account insgesamt als „Dauerwerbung“ oder „kommerziellen Account“ bezeichnet, dann aber bitte ausdrücklich. Besser erscheint mir persönlich jedoch die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf jeden einzelnen Beitrag.

Bei dieser Herangehensweise werden die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt: Dem Follower wird in jedem Einzelfall ausdrücklich vor Augen geführt, ob es sich um Werbung handelt oder nicht. Und dem Influencer wird nicht pauschal unterstellt, dass alles, was er von sich gibt, kommerziell erfolgt, also für eine Gegenleistung. Auch der prominente Influencer kann eine private, von Dritten unbeeinflusste Meinung haben, und es wäre verfehlt, wenn er diese private Meinung fälschlicherweise als „Werbung“ bezeichnen müsste.

Wie es das Landgericht München I sieht, erfahren wir (voraussichtlich) am 29. April.

Dr. Wolfgang Gottwald, M.C.J.

Rechtsanwalt/Attorney at law



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