Celsius Network: Zusammenfassung des Sachstandes für deutsche Anfechtungsgegner
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Die Krypto-Plattform Celsius Network LLC meldete im Juli 2022 Insolvenz an. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens bei dem US-Konkursgerichts für den südlichen Bezirk von New York fordert der Insolvenzverwalter nun auch deutsche Anleger zur Rückzahlung von Auszahlungen auf, die vor der Insolvenz getätigt wurden. Diese Forderungen basieren auf dem sogenannten "Clawback"-Prinzip, das im US-amerikanischen Insolvenzrecht verankert ist.
Der Fall Celsius ist ein komplexes grenzüberschreitendes Insolvenzverfahren. Celsius Network hat in den USA ein Chapter 11 Insolvenzverfahren beantragt, das eine Restrukturierung des Unternehmens ermöglicht. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass Klagen gegen internationale Parteien erhoben werden, selbst wenn diese außerhalb der USA ansässig sind.
Es geht um Zahlungen, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag geleistet wurden und auf die der Gläubiger einen rechtmäßigen Anspruch hatte. Sie können angefochten werden, wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war und der Gläubiger dies wusste
Für deutsche Anleger ergeben sich rechtliche Herausforderungen, da das Verfahren an der Schnittstelle zwischen US-amerikanischem Insolvenzrecht und deutschem Vollstreckungsrecht liegt. US-Urteile können nicht automatisch in Deutschland vollstreckt werden; es ist ein gesondertes Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren erforderlich. Verteidigungsmöglichkeiten bestehen unter anderem durch den Verweis auf deutsche Rechtsgrundsätze, wie etwa den Schutz des ordre public.
Ein Sanierungsplan wurde von der Mehrheit der Gläubiger genehmigt, der die Rückgabe von Bitcoin und Ethereum im Wert von rund 2 Milliarden US-Dollar vorsieht. Zudem soll eine neue Einheit gegründet werden, die die verbleibenden Vermögenswerte verwaltet und neue Geschäftsmöglichkeiten erschließt.
Die Frage nach der Zuständigkeit des amerikanischen Gerichts ist entscheidend. Grundsätzlich könnte der deutsche Anfechtungsgegner argumentieren, dass sein allgemeiner Gerichtsstand in Deutschland liegt und dass er keine Kenntnis von der Insolvenzreife hatte.
Falls der deutsche Anfechtungsgegner den amerikanischen Gerichtsstand rügen möchte, könnte er sich auf internationale Zuständigkeitsregelungen und mögliche Verstöße gegen das deutsche Insolvenzrecht berufen.
Im insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozess muss der Insolvenzverwalter letztlich nachweisen, dass der deutsche Anfechtungsgegner bei Vornahme der Rechtsgeschäfte – etwa der Abbuchung – von der bestehenden Zahlungsunfähigkeit von Celsius Network wusste. Dabei stützen sich die Gerichte in Deutschland auf verschiedene Indizien, die für oder gegen eine solche Kenntnis sprechen, während in den USA Indizien nicht ausreichen, sondern der Vollbeweis verlangt wird.
Die Kenntnis der Unterschiede zwischen der bilanziellen Überschuldung im deutschen System und den vergleichbaren Bewertungen in den USA ist eine Mindestvoraussetzung der Beurteilung der Insolvenzreife aus der Sicht eines Gläubigers.
Im deutschen Recht ist die bilanzielle Überschuldung ein zentrales Element der Insolvenzantragspflicht. Ziel ist hier der frühzeitige Gläubigerschutz und die geordnete Abwicklung des Unternehmens. In den USA existiert hingegen kein äquivalentes, starr definierbares Instrument. Das amerikanische Insolvenzrecht konzentriert sich eher auf die Zahlungsunfähigkeit und die Frage, ob ein Schuldner seine Verpflichtungen zeitgerecht erfüllen kann. Dabei spielt die flexible, oft fallbezogenere Bewertung der wirtschaftlichen Situation – insbesondere im Rahmen von Chapter-11-Reorganisationen – eine wesentlich größere Rolle als ein strikt bilanzieller Überschuldungstest.
Die Prüfung der bilanziellen Überschuldung im deutschen Recht erfolgt in der Regel nach strikten, oft konservativen Bewertungsgrundsätzen. Dabei wird zwischen dem Liquidationswert und dem Fortführungswert differenziert. Diese zweigeteilte Betrachtung führt zu einem eher statischen Bild der Vermögens- und Schuldensituation. In den USA findet hingegen häufig eine dynamischere Analyse statt: Hier werden neben der reinen Bilanz auch zukünftige Cashflows, Restrukturierungsmöglichkeiten und Marktprognosen berücksichtigt, sodass der „Going-Concern“-Ansatz – also die Fähigkeit des Unternehmens, sich im Turnaround-Prozess neu zu formieren – eine zentrale Rolle spielt.
Nach deutschem Recht führt das Vorliegen einer Überschuldungsbilanz bei negativer Fortführungsprognose, die es nur bei fehlendem Fortführungswillen geben muss, zur Insolvenzantragspflicht, da von einer Überschuldung grundsätzlich ausgegangen wird, wenn die bilanzierten Werte bestimmte Schwellen nicht erreichen und die Fortführungsprognose negativ ist. Die Überprüfung und Erstellung dieser Bilanz sind streng formalisierte Prozesse, in die auch Insolvenzverwalter sowie spezialisierte Gerichte eingebunden sind. Im US-amerikanischen Konkursverfahren wird dagegen – vor allem im Rahmen von Chapter-11-Verfahren – auch bei offensichtlicher Bilanzüberschuldung die Möglichkeit eingeräumt, das Unternehmen im Zuge einer Reorganisation zu stabilisieren. So wird eine Insolvenz nicht automatisch herbeigeführt, wenn ein negatives bilanzielles Ergebnis vorliegt, sondern es wird der Restrukturierungsspielraum genutzt, um den Turnaround des Unternehmens zu ermöglichen.
Diese unterschiedlichen Herangehensweisen spiegeln die Zielsetzungen der jeweiligen Systeme wider und blockieren jede sachgerechte Beurteilung der Insolvenzeife durch den deutschen Gläubiger ohne betriebsinterne Kenntnisse.
Diese Unterschiede haben auch im internationalen Kontext erhebliche Auswirkungen. Beispielsweise müssen Beteiligte in grenzüberschreitenden Fällen genau verstehen, welche Kriterien in der jeweiligen Jurisdiktion maßgeblich sind, um rechtliche Risiken korrekt zu bewerten, wenngleich es Interessant ist, dass die fortschreitende Globalisierung auch in den Insolvenzverfahren zu einer zunehmenden Angleichung und dem Austausch von Wertmaßstäben führt – wenn auch die grundlegenden Ansätze weiterhin verschieden bleiben.
Es fällt daher schwer, dem deutschen Gläubiger der Krypto-Plattform Celsius Network LLC eine Bewusstheit der Zahlungsunfähigkeit zu unterstellen, insbesondere, weil die Zahlungen erfolgten.
Die Rechtsprechung verlangt, dass der Insolvenzverwalter anhand des Gesamtbildes und der Umstände darlegt, dass der Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt der fraglichen Transaktion zumindest mutmaßlich Kenntnis von einer bestehenden (oder nahezu unausweichlichen) Zahlungsunfähigkeit hatte. Letztlich ist stets der Einzelfall maßgeblich, wobei die Gesamtheit der Umstände den Ausschlag gibt.
Sollte die Celsius Network bzw. der Insolvenzverwalter mit der Auffassung durchdringen, dass die Rückzahlungen an die Gläubiger aufgrund der falschen Bilanz nicht geschuldet waren, greift § 817 BGB gemäß dem BGH-Urteil vom 22.07.2021 - IX ZR 26/20 aus dem Fubus/Infinus-Komplex. Die Kondiktionssperre nach § 817 Satz 2 BGB bewirkt, dass der Bereicherungsvorsprung – also das Vermögen, das jemand ohne rechtlichen Grund erlangt hat – nicht mit einem Rückforderungsanspruch (nach §§ 812 ff. BGB) bereinigt werden kann, wenn dem Leistenden ein gesetzes- oder sittenwidriges Verhalten anzulasten ist.
Die Gläubiger können sich zwecks kostenfreier anwaltlicher Beratung registrieren lassen. Schauen Sie bitte nach Absendung Ihrer Daten in Ihr E-Mail-Postfach.
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