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„Containern“ – dürfen entsorgte Lebensmittel aus Supermärkten mitgenommen werden?

  • 3 Minuten Lesezeit
Katharina Kästel anwalt.de-Redaktion
  • Zwei Studentinnen nahmen aus einem Müllcontainer eines Supermarktes abgelaufene Waren mit, die zuvor entsorgt wurden. Die Polizei erwischte sie.
  • Sie „containerten“, d. h. sie entwendeten weggeworfene Lebensmittel aus der Mülltonne. 
  • Die beiden Frauen wurden vom Amtsgericht (AG) Fürstenfeldbruck wegen Diebstahls schuldig gesprochen – das Urteil: acht Stunden Sozialarbeit sowie 225 Euro Geldstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
  • Gegen dieses Urteil gingen die Studentinnen in Revision. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) bestätigte am 2.10.2019 die Entscheidung des AG Fürstenfeldbruck und verwarf die Revision.

Von der Polizei spätabends beim „Containern“ erwischt

Zwei junge Frauen, die an der Ludwig-Maximilian-Universität studieren, wurden an einem Sommerabend im Juni 2018 von zwei Polizeibeamten vor einem Müllcontainer der Lebensmittelkette Edeka im oberbayerischen Olching auf frischer Tat ertappt. Zuvor haben sie mit einem Vierkantschlüssel die Tonne geknackt und sodann entsorgte Lebensmittel entwendet.

Die teils originalverpackten und noch genießbaren Waren, die hauptsächlich aus Säften, Gemüse und Milchprodukten bestanden, haben sie in große Taschen und Rucksäcke gepackt. Die Polizeibeamten fotografierten die Lebensmittel und verlangten von den beiden, diese wieder in die unbeschädigte Tonne zu werfen. 

Jährlich landen rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll

Schätzungsweise werden in Deutschland jährlich etwa elf Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll geworfen. 18 Millionen Tonnen Waren sind es laut Angaben der Umweltorganisation WWF, wenn man die Abfälle in der Landwirtschaft dazu rechnet. 

Doch es geht auch anders: Viele Märkte liefern ihre nicht verkauften Waren an gemeinnützige Tafeln, die bedürftige Menschen abholen können. Des Weiteren existiert die Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit dem Titel „Zu gut für die Tonne!“, um das Bewusstsein für die Wertschätzung von Lebensmitteln zu schärfen.

Andere europäische Länder machen es Deutschland vor: In Frankreich wurde bereits 2016 ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung in Supermärkten verabschiedet. In Tschechien ist das Entsorgen von Lebensmitteln sogar verboten.

Des Diebstahls schuldig gesprochen

Das sogenannte „Mülltauchen“ ist im Grunde genommen Diebstahl, wie es in § 242 Strafgesetzbuch (StGB) definiert ist. Denn die Produkte, die zwar bereits weggeworfen wurden, gehören faktisch dem Supermarkt, bis sie die Müllabfuhr abholt. Wird ein gesicherter Container aufgebrochen, handelt es sich gemäß § 243 StGB sogar um einen besonders schweren Diebstahl.

Als genau solchen beurteilte die Staatsanwaltschaft München II die Tat der beiden jungen Frauen. Die Lebensmittel hätten einen Wert von rund 100 Euro gehabt. Obwohl die Strafanzeige seitens des Supermarktes zurückgenommen wurde, blieb die Staatsanwaltschaft bei dem Tatvorwurf. Zunächst erging ein Strafbefehl gegen sie, der die Studentinnen zu einer Geldstrafe von 1200 Euro aufforderte. Sie allerdings wollten es darauf ankommen lassen und legten hiergegen Einspruch ein. Sie plädierten auf einen Freispruch, da sie Verschwendung von Lebensmitteln moralisch für nicht vertretbar hielten und ihr „Containern“ hiermit begründeten.

Folglich kam es am Mittwoch, dem 30.1.2019 zur Verhandlung vor dem Amtsgericht (AG) Fürstenfeldbruck. Die Studentinnen wurden wegen Diebstahls in besonders schwerem Fall angeklagt – denn es handelte sich um einen verschlossenen Müllcontainer. Letztlich wurden sie nur wegen einfachen Diebstahls gemäß § 242 StGB schuldig gesprochen. 

Personen, die „containern“, und somit auch gegebenenfalls über Zäune steigen oder zu geschlossenen Zeiten ein Supermarktgelände betreten, können nicht nur wegen Diebstahls, sondern auch wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB belangt werden. Es handelt sich hierbei meist um unerlaubtes Betreten eines Ortes.

Urteil lautet Sozialarbeit und Geldstrafe auf Bewährung

Das AG Fürstenfeldbruck verurteilte die Studentinnen zu einer Geldstrafe von je 225 Euro, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit beträgt insgesamt zwei Jahre. Hinzu kommen noch acht Stunden soziale Arbeit bei einer örtlichen Tafel.

BayObLG verwarf Revision der beiden Studentinnen

Da die beiden jungen Frauen aus Olching das Urteil des AG Fürstenfeldbruck nicht annahmen, gingen sie in Revision. Letztlich verwarf der 6. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts am 2. Oktober die Revision der Studentinnen. Das Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck wurde bestätigt und ist somit rechtskräftig.

Die selbst ernannten Essensretterinnen wollen sich aber weiterhin gegen die Verschwendung von Lebensmitteln engagieren. Sie haben eine Online-Petition gestartet, die bereits mehr als 80.000 Menschen unterzeichnet haben. Ihr Ziel ist es, Supermärkte zu verpflichten, noch genießbare Waren weiter zu verteilen. Des Weiteren wollen sie durchsetzen, dass das „Containern“ nicht länger strafrechtlich verfolgt werden. Denn es ist in Deutschland nach wie vor illegal.

(KKA)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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