Corona-Spezial Teil 2: Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz

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Eine Zusammenfassung des neu erlassenen COVInsAG:

Am 27.03.2020 wurde das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ nach einstimmiger Annahme im Bundesrat im Bundesgesetzblatt (Jahrgang 2020 Teil I Nr. 14, ausgegeben zu Bonn am 27.03.2020) mit Wirkung ab 01.03.2020 veröffentlicht.

Unter Artikel 1 §§ 1-4 wir dort das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz; kurz: COVInsAG) geregelt.

Wesentliche (vorübergehende) Neuerung:

§ 1 Satz 1 COVInsAG setzt die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a InsO und gem. § 42 Abs. 2 BGB zunächst befristet bis zum 30.09.2020 aus. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) wird durch § 4 COVInsAG ermächtigt, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis längstens zum 31.03.2021 zu verlängern.

Wer von den Erleichterungen des § 1 Satz 1 COVInsAG betroffen ist, muss (zunächst) bis zum 30.09.2020 keinen Insolvenzantrag stellen, er darf aber selbstverständlich (im Einzelnen hierzu unten)!

Wird die Insolvenzantragspflicht grundsätzlich und unbedingt ausgesetzt?

Nein! Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt gem. § 1 Satz 2 COVInsAG nur, wenn die Insolvenzantragsreife auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (Covid-19-Pandemie) beruht und Aussichten bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit künftig wieder zu beseitigen.

Das Gesetz geht von der (widerleglichen) Vermutung aus, dass die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht und eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann, wenn der Schuldner (bspw. GmbH, UG mit beschränkter Haftung, Verein, sonstige juristische Person) am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war.

Nach der Entwurfsbegründung zum COVInsAG handelt es sich um eine derart „starke gesetzliche Vermutung“, dass einem Insolvenzverwalter, der die Darlegungs- und Beweislast für einen etwaigen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht trägt, kaum/in seltenen Fällen der „Gegenbeweis“ gelingen dürfte. Der Gesetzgeber hält eine Widerlegung der Vermutung für möglich, wenn trotz Eintritt der Insolvenzreife nach dem 31.12.2019 kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Insolvenzreife nicht auf der Covid-19-Pandemie beruht.

Die zweite Voraussetzung, dass die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen sein muss, wird wohl nur ausscheiden, wenn die Beseitigung, also die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit, praktisch ausgeschlossen ist.

So, wie hier dargestellt, liest sich das Gesetz im Zusammenspiel mit der Entwurfsbegründung. Was die Gerichte daraus machen werden, bleibt abzuwarten.

Begrenzung der Geschäftsführerhaftung durch das COVInsAG:

§ 64 GmbH regelt eine viel zu oft unbekannte, aber teils schwerwiegende mögliche persönliche Haftung für Geschäftsführer in Krisenzeiten des Unternehmens. Unseren Artikel mit einer Übersicht hierzu finden Sie hier.

Durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG wird die Haftungsgefahr für den Geschäftsführer erheblich reduziert. Danach gelten Zahlung (trotz etwaiger Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung), die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 64 Satz 2 GmbHG) vereinbar. Gleiches gilt hinsichtlich § 92 Abs. 2 Satz 2 AG, § 130a Abs. 1 Satz 2 (i.V.m.) § 177a Satz 1 HGB und § 99 Satz 2 Genossenschaftsgesetz.

Privilegierung von Krediten/Darlehen und deren Rückzahlung – bzw. Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten (§§ 130 ff. InsO):

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG können Rückzahlungen auf Kredite/Darlehen, die bis zum 30.09.2023 erfolgen, nicht angefochten werden, soweit der Kredit/das Darlehen im Aussetzungszeitraum gewährt wurde („gelten nicht als gläubigerbenachteiligend“). Gleiches soll für im Aussetzungszeitraum bestellte Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite/Darlehen gelten.

Hinsichtlich einer etwaigen Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen, die im Aussetzungszeitraum gewährt werden, gilt dies nur für die (demgemäß nicht gläubigerbenachteiligenden, also nicht anfechtbaren) Rückzahlungen, nicht aber für die Bestellung von Sicherheiten.

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG stellt klar, dass Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als „sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung“ anzusehen sind.

§ 2 Abs. 2 Nr. 4 COVInsAG stellt Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, grundsätzlich anfechtungsfrei. Dies betrifft vor allem Dauerschuldverhältnisse (z. B. Miete, Leasing…) und wiederkehrende Lieferungen. Es soll vermieden werden, dass einzelne Vertragspartner Verträge/die Zusammenarbeit beenden, um Anfechtungsansprüchen auszuweichen.

Aussetzung von Gläubiger-Insolvenzanträgen:

Nach § 3 COVInsAG wird ein Insolvenzverfahren aufgrund eines Gläubigerantrages zwischen dem 28.03.2020 und dem 28.06.2020 nur eröffnet, wenn der Eröffnungsgrund bereits am 01.03.2020 oder früher vorlag. Dies gilt, wie oben bereits erwähnt, nicht für Eigenanträge, die weiterhin und unverändert gestellt werden können!

COVInsAG = Freifahrtschein? Kopf in den Sand und ab (tiefer) in die Krise?

Das neue COVInsAG bringt einige erfreuliche und (nach Auffassung des Autors) dringend nötige Neuerungen, Erleichterungen und Haftungsabmilderungen mit sich. Die Aussetzung der Antragspflicht und Privilegierung neuer Kredite wird es vielen Unternehmen ermöglichen, die Krise zu überstehen.

Das COVInsAG sollte aber nicht dazu anregen, die Möglichkeit eines Insolvenzantrags gänzlich beiseite zu schieben und den Kopf in den Sand zu stecken. Für viele juristische Personen dürfte die Covid-19-Pandemie der „letzte und finale Stich“ sein. In solchen Fällen bedarf es einer genauen und nüchternen Betrachtung und Prüfung, ob ein Insolvenzantrag nicht der beste Weg ist.

Nur durch einen Insolvenzantrag können die Arbeitnehmer „in den Genuss“ von Insolvenzgeld kommen und so eine gewisse Absicherung und Planungssicherheit erhalten. Es muss nicht von Monat zu Monat gezittert werden, ob soziale Abgaben noch abgeführt werden können. Es muss nicht bei jeder Bestellung am Rande strafrechtlicher Folgen operiert werden usw. und so fort!

Ich und mein Team beraten und vertreten Sie gerne im Falle einer (drohenden) Krise und bei der Prüfung, ob ein Insolvenzantrag die beste Alternative ist oder ein Insolvenzantrag sinnvoll und legal „ausgesetzt“ werden kann, um die Krise durchzukämpfen und erfolgreich durchzustehen.

Rechtsanwalt Cedric Knop

KT Rechtsanwälte, Saarlouis (Saarland)

Rechtsanwälte auch für Insolvenzrecht



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